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Katholische Leistung in Indien

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Zum Unterschied von manchen anders- artigen Formen der Propaganda, die heute in den Dienst von Staaten gestellt ist, gibt die Indische Gesandtschaft in Wien eine Monatsschrift heraus, die schon in ihrem Gesicht den Wunsch nach MaBigung und Schonheit ausdriickt und in ihrem sadi- lichen Inhalt auf den iiblichen Trommel- schlag politischer Aufklarungs- und Werbepublikationen verzichtet. Die jiingst erschienene Folge dieser .Bulletins" der indischen Gesandtschaft (Nr. 2/Band II) veroffentlicht an erster Stelle einen um- fangreichen Aufsatz: .Die katholische

Kirche in Indien". In einer Zeit, da in weiten Landstrichen Asiens eine mehr als halbtausendjahrige Kulturarbeit des Christentums von den Zerstorungen einer haB- erfiillten religiosen Verfolgung betroffen ist, wird die Wahrnehmung zu einer trost- redchen Genugtuung, daB in den Wiener indischen Bulletins eine andere geistige Welt, eine Welt leidenschaftsloser Gerech- tigkeit und des Willens zur Ordnung und Wahrheit sich spiegelt. Der Aufsatz gibt eine Darstellung des Christentums in Indien seit seiner ersten, nur aus un- zureichenden Dberlieferungen bekannten Friihzedt, denen zufolge der Apostel Thomas in Malabar das Evangelium pre- digte, in Bereidien, in denen, wie der Aufsatz aussagt, heute noch viele katholische Christen sich stolz „St.-Thomas- Christen" nennen. Heute bestehen in Indien drei Diozesen des Syro-Malabar- Ritus: Cang ana cherry, Emakulam und

Kottayam, daneben vier romisch-katho lische Diozesen, Verapoly, Quilom, Kottar und Vijayapuran. Wenn wir nun, sagt der zitierte Artikel, „die Diozesen von Cochin einschlieBen, so finden wir, daB im Jahre 1950 in dem vereinigten Staate von Cochin-Travancore mehr als 970.000 Ka- tholiken des Syro-Malabar- und mehr als

730.000 Katholiken des lateinischen Ritus leben; diesen konnen 78.000 Katholiken des syro-chaldeischen Ritus in den beiden Diozesen von Trovandrum und Tiruvalla hinzugefiigt werden. Die Gesamtzahl der Katholiken in diesem kleinen siidwest- lichen Streifen Indiens kann auf rund

1.779.000 gerechnet werden." Den Nach- folgern in der Missionsarbeit des heiligen Franz Xaver riihmt der Aufsatz nach, daB ihre Tatigkeit ihren Bindruck in der Li- teratur des Landes hinterlassen habe. Der priesterliche Jesuit Pater Estevao (in der portugiesischen Form seines Namens), .war der erste Englander (Pater Stephens), der in Indien landete, ein Wilt- shireman, der 1579 in Goa eintraf und den groBten Teil seines Lebens in Indien unter den brahmanischen Katholiken ver- brachte. Er lemte Konkani, Marathi und Sanscrit und auBer einer beruhmten Kon- kani-Grammatik verfaBte er ein Gedicht von mehr als 1100 vierzeiligen Strophen, die „Purana", ein Epos, in dem das Leben Jesu Christi geschildert wird, ein Gedicht, „das die zartesten Herzsaiten eines jeden Studenten der Marathipoesie beruhrt . .Die Jesudten errichteten die erste Druckeipresse. Ein spanischer Laienbrader schnitt die ersten Tamiltypen fur einen 1577 verfaBten Katechismus. Spater wurde eine Presse mit Tamilbuchstaben in Rom bestellt. Sowohl in Ambalakad wie m Cochin wurden allmahlich schone Biidjer- sammlungen aufgebaut. Die Biblioth k des Cochin-College wurde 1663 von den Hol- landem zerstort. Ein Huganotte namens Tavemier schrnefo 1670: ,Die Jesuiten hat- ten in dieser Stadt (Cochin) eine der schonsten Bibliotheken in ganz Asien, sowohl in bezug auf die groBe Zahl von Buchem als auch von Manuskripten in Hebra'isch, Chaldaisch, Arabisch, Persisch,

Indisch, Chinesisch und anderen orientali- schen Sprachen. Die meisten von ihnen gingen in Flammen auf. Ich habe gesehen, wie die Soldaten und Seeleute verschie- dene dieser schonen Bande zerrissen, um ihren Tabak daran anzuziinden.' “

Der Artikel bezeichnet das Jahr 1859 als das Ende der ersten groBen Verbrei- tungsperiode des Christentums in Indien. Damals lebten 979.000 katholische Christen in Indien. Zu jener Zeit waren 148 Jesuiten in der Mission tatig. .Von diesen wurden 129 unter derart grauenhaften Verhaltnissen deportiert, daB 60 von ihnen entweder auf dem Meer oder spater in portugiesischen Gefaiignissen starben."

Der „machtige Flufi“

Nach einer Erinnerung, daB Papst Leo XIII. schon die Heranziehung eines starken eingeborenen indischen Klerus be- trieben habe, sagt der indische Verfasser des vorliegenden Aufsatzes: .Was als .d (inner Strom began n, ist heute zu einem machtigen FluB geworden, der Fortschritt war am raschesten in Sudindien, so daB heute die meisten der Bischofe und der GroBteil der Geistlichkeit Inder sind. Es gibt auch unter den indischen Madchen erstaunlich viel Eintritte in Kloster indischer wie europaischer Grundung. Die ,Schwestern von St. Anna' ,,zum Beispiel sind eine rein indische Grundung, die 1877 in Trichinopoly errichtet wurde. Sie haben heute Schulen und Waisenhauser in 34 Dorfem mit 247 Schwestern. Die .Schwestem des Apostolischen Carmel' haben ein Personal von 649 indischen Nonnen, die in Schulen, Hodischulen und Waisenhausern in iiber 40 Orten arbeiten, die so weit voneinander entfemt sind wie Mangalore von Tambaram und Batticaloa von Ahmedabad. Die .Dienerinnen Martens’ haben 521 indische Schwestern, die in Schulen von 49 versdiiedenen Dfirfern arbeiten. Indische Madchen treten als Novizen in europaisdie Griindungen in zunehmender Zahl ein und unterziehen sich dem gleichen Ausbildungskurs zu- sammen mit ihren europaischen Schwestem. Die Vervielfachung der Kloster- bemfungen und Eintritte zum Priester- stand mag zu einem hohen Grad auf die Verbreitung des Unterrichts in Mittel- und Hodischulen zuriidczufiihren sein. Am auffallendsten war der Bei- trag der katholischen Kirche zum Wohlergehen Indiens vielleicht auf dem Gebietdes Erziehungswesens.

.Im ganzen gesehen sind die Katholiken keine wohlhabende Religionsgemein- schaft. Nidit alle Jungen und Madchen, die die hohere Schule absolvieren, haben die Mittel zum Universitatsstudium. In- folgedessen sind die von katholischen Or- ganisationen erbauten und geleiteten Universitaten meistens von niditkatholi- schen und nichtchristlichen Horem besucht. DaskatholischeUniversitats- studium in Indien hat seit seiner Ein- fuhmng eine Politik, die nunmehr auch in der Verfassung des Landes nieder-

gelegt worden ist, verfolgt, die keine Schranken der Religion, Rasse oder Kaste duldet. Alle unsere katholischen Universitaten eind in der Vergangenheit mit Hilfe der oft recht betrachtlidien Regie- rungszusdiusse gebaut worden. Alle er- hajten irgendweldie Hilfe zu ihrem Unter- halt, der Betrag variiert entsprechend den Mitteln, die dem Erziehungsministerium der betreffenden Provinz zur Verfiigung stehen. Wenn man bedenkt, daB die Katholiken nur edn Prozent der indischen Bevolkerung ausmadien, so ist leidit er- kennbar, daB ihr Beitrag auf dem Gebiet hoherer Bildung her- vorragend ist. Es gibt 2 7 katholische Hochschulen, die den ver- sdiiedenen Universitaten in Indien ange- sdilossen sind, und sieben Lehrerbildungs- anstalten, die Kandidaten fiir die Lehr- amtspriifung vorbereiten.

.Erheblich mehr als die Halfte der Studenten, die die katholischen Hochschulen besuchen, sind Nichtdiristen, Hindus, Parsen undMuslims.

.Die Erfahmnghat gelehrt, daB dieVer- schiedenheit des religiosen Glaubens nicht die Freundschaft der Studenten unterein- ander sowie zwischen Studenten und Lehrern irgendwie stort, noch hat man gefunden, daB der Glaube der katholischen Studenten im mindesten durch die versdiiedenen sozialen Beriihrungspunkte erschiittert worden ware. Die indischen Universitaten bieten in dieser Beziehung einen auffallenden Gegensatz zu den west- lichen Universitaten, da im Westen Ra- tionalismus und Atheismus tiefe Risse ge- zeitigt haben. Indien bleibt im allgemednen gottgiaubig. Obgleich sich der Staat selbst durch seine Verfassung dem Sakularismus verschrieben hat, ist er keiner besonderen Religion zugeneigt, noch entgegengesetzt. Er erkennt keine Religion als die offi- zielle Staatsreligion an."

So der wortliche Bericht in den .Bulletins" der Indischen Gesandtschaft. Das heutige Indien und das heutige China — welche Gegensatze!

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