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Westafrikanische Erfahrungen

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Seit dem Ende des zweiten Welt- krieges ist in Westafrika eine Revolution in Gang, fur deren unblutigen oder blutigen Verlauf oft genug das Verhalten der dort ansassigen Europaer ausschlaggebend ist. Die Mehr- zahl der dunkelhautigen Westafrikaner ist nach meiner Erfahrung genugsam, friedlich und gefallig.

Der westafrikanische Bauer, der im Busch lebt, und der nicht parteipoli- tisch ausgerichtete Stadtbewohner legen gewohnlich Wert auf gute menschliche Beziehungen zu aller Welt und erkennen dankbar alles Gute an, das sie von den WeiBen erfahren haben und erfahren. Als ich mich im vergangenen September in Ober- volta, nahe der Nordgrenze von Ghana, aufhielt, erwahnten farbige Afrikaner mir gegenuber mehrfach an- erkennend die Leistungen des franzosi- schen Gesundheitsdienstes und Unter- richtswesens in Westafrika. Besonderes Ansehen. genoB bei den Negern, die -itch!rhteudirte.r! die Gatfin .eines fran- zosischen'. Kreiskommandanten, i die als Arztin in einBm SpitSl'FafBeitete, ihr Gehalt aber nicht fur sich selbst ver- wendete, sondern damit teure Medi- kamente fur ihre schwarzen Patienten anschaffte. Ein nigerischer Arzt sagte mir, daB sich unter seinen afrikani- schen Kollegen kaum einer finden wurde, der die Behandlung der Lepra- kranken im Landesinneren, die nicht viel Geld eintragt, ubernehmpn wurde und daB man diesbeziiglich ganz auf die weiBen Arzte, die er sehr lobte, angewiesen sei.

Aber ich will an zwei Beispielen auch zeigen, wie die Europaer oft ganz unndtig die Afrikaner gegen sich auf- bringen:

Im wissenschaftlichen Stab eines an- gesehenen, staatlich subventionierten Instiuts in Dakar arbeitete ein dun- kelhautiger Afrikaner, der auf Grund seiner Fahigkeiten an der Sorbonne in Paris einen hohen akademischen Grad errang. Einem schon langer bestehen- den franzdsischen Gesetz zufolge hatte ihm daraufhin als hochstgraduiertem Akademiker des Instituts der Posten eines Vizedirektors gebuhrt. Aber an- gesichts der Tatsache, daB dann ein Afrikaner der Vorgesetzte einer An- zahl franzosischer Wissenschaftler geworden ware, anderten die Franzosen das Gesetz ab und schlugen einen WeiBen fur den vakanten Vizedirek- torposten vor.

Besonders befremdete mich aber einmal das unverstandliche Verhalten eines katholischen Missionars gegenuber seinen Missionskindern und meinem schwarzen Chauffeur. Der Wagen dieses elsassischen Priesters stand mit einem Motorschaden am StraBenrand, als ich voriiberkam. Mein Fahrer reparierte ihn in ermudender Arbeit bei gliihender Hitze und fuhrte ihn zur Missionsstation. Dort be- dankte sich der geistliche Herr bei mir und lud mich zum Mittagessen ein. Aber fur meinen afrikanischen Chauffeur, der milder und hungriger war als ich, hatte er nicht einmal ein „Danke“ iibrig. Bei Tisch bedienten uns afrikanische Schuler der Missionsstation, und vor diesen Kindern, die jedes Wort verstanden, erklarte mir der Pater, daB die Bevolkerung seines Pfarrsprengels vorwiegend schlechte Charaktereigenschaften aufweise und keinerlei Intelligenz besitze. Er brachte spielen gezeigt, einem sehr und einem, ob seiner Form, wenig begriiBens- werten. Wiederum haben uniiberseh- bare Volksmassen an den Fronleich- namsprozessionen teilgenommen, in Warschau weit mehr als hunderttau- send Menschen. Sodann, die wahre Ge- sinnung gegenuber dem lieben Vor- bild, Protektor und Verbiindeten brach mit elementarer Wucht und ent- sprechender Roheit bei einem FuBball- match UdSSR—Polen hervor. An hun- derttausend Zuschauer tobten sich aus, entziickt, das einmal ungestraft tun zu konnen. Wie wenig auf die sowje- tische Elf geschleuderte leere Schnaps- flaschen und andere Wurfgeschosse als geeignete Argumente gelten mogen, sie sprechen mehr Bande als samtliche Hymnen auf die polnisch sowjetische Freundschaft. Und sie beweisen, daB auch der polnischste Weg zum „Sozia- lismus" nicht freiwillig gewahlt wurde; daB er hochstens als das geringste unter unvermeidbaren Ubeln betrach- tet wird.

Bevolkerungsgruppen, die keineswegs immer gute Beziehungen zueinander pflegen. Hingegen fallt die Anzahl der WeiBen kaum ins Gewicht und ist standig im Abnehmen begriffen. Westafrika war nie europaisches Siedlungs- gebiet, so daB die schweren Probleme von Angola, Kenya, Rhodesien und Sudafrika hier unbekannt sind. Die WeiBen beschaftigten sich in Westafrika fast ausschlieBlich mit Mission, Verwaltung und Handel. Religion, Sitte und Recht der Afrikaner wurden nur angetastet, wenn sie dem moralischen Empfinden der Europaer wider- sprachen.

Die gefahrlichen Zerfallstendenzen der neuen afrikanischen Staaten, die zu einer „Balkanisierung“ Westafrikas fiihren konnen, werden durch die unterschiedliche Lebensweise der Pflan- zer, der Hirten sowie der Stadtbevol- kerung, die andersartige Bedurfnisse und verschieden geartete politische Ansichten zur Folge haben, verstarkt. Das’ Kultutgefalle zwischen' der fort- schrittlich eingestellten Kiistenbevol- kerdh’und den Altnigritiern des Bin- nenlandes, die heute noch nackt gehen, ergibt bisweilen weitere politische Differenzen zwischen diesen Bevolkerungsgruppen. Der religiose Gegensatz zwischen den Anhangern der alten afrikanischen Kulte, den Moslems, und den Christen sollte in seinen politischen Auswirkungen nicht unterschatzt werden und fiihrt bisweilen zu ernsten Schwierigkeiten.

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