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„Wahlen sind immer!”

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„Wahlen sind immer!” Damit schob Chruschtschow vor dem Wiener Tref- fen den Einwand des deutschen Bot- schafters Kroll beiseite, ob es denn zweckmaBig sei, die Berlin-Frage aus-

gerechnet im Wahljahr zu forcieren. Seit der Fernsehrede des Kremlchefs vom 15. Juni sind nun fur den Bun- desdeutschen die letzten Illusionen des Wiener Treffens verflogen. Welchen Eindruck auch die beiden Staatsman- ner voneinander nach Hause mitge- nommen haben, so steht doch fest, daB Berlin, und damit Mitteleuropa, im Zentrum der Ost-West-Auseinander- setzung in diesem Jahr stehen werden: Denn bis zum Ende des Jahres will der Kremlchef das Berlin- und Deutsch- landproblem geldst haben.

Berlin: Dorn im Fleisch

Chruschtschow hat ein Argument fur sich, das ihm nicht leicht genom- men werden kann und das schlieBlich vielleicht auch fur die westlichen Ver- biindeten Westdeutschlands auf die Dauer nicht ganz ohne Eindruck blei- ben wird. Die Situation der ehemaligen Reichshauptstadt, 16 Jahre nach Be- endigung der Feindseligkeiten, ist alles andere als normal, der Wunsch, nach einer so langen Zeit zu einem Frie- densvertrag und damit zu stabilen Ver- haltnissen zu kommen, der natiirlichste von der Welt. Man muB schon etwas ausholen, um einem Inder oder Afrikaner begreiflich zu machen, was eigentlich in Berlin gespielt wird und warum das bestehende Prpvisorium besser als alle anderen Losungen ist. Niemand wird sich dariiber in Europa und in der westlichen Welt hinweg- tauschen, daB hinter den bstlichen Forderungen ganz andert Gedanken stehen, von denen die Anerkennung der Sowjetzone als eigener Staat nur einer der wichtigsten 1st. West-Berlin ist mit seinem Freiheitswillen und sei- nen Fluchtmoglichkeiten ein Dorn im Fleisch der ostlichen Diktatoren. ,.Wir

Unweit der Wiener Bijrse, Ecke Pere- gringasse-Kolingasse, errichtet das Spitzen- institut der 158 osterreichischen Volks- banken, die Zentralkasse der Volksbanken Osterreichs, ein representatives und nach den neuesten Er- kenntnissen konstruiertes und ausgestat- tetes Bankgebaude.

Der Neubau wird bereits auf Erforder- nisse der Automation im Bankbetrieb ab- gestimmt. Automatische Beleg- f b r d er u n g s a nl a g e’n, Aktenauf- ziige, Sicherungs-, Signal- und Rufanlagen werden diese Einrichtungen zweckent- sprechend erganzen \

Der Tresor ist durch schwerste Panzer- mauern aus Stahlbeton und eine fiinf Tonnen schwere Stahlpanzertiir geschiitzt und reicht durch zwei Kellergeschosse. +

halten es fur selbstverstandlich”, er- klarte SED-Chef Ulbricht am 15. Juni, ,dafi die Fliichtlingslager in West- Berlin geschlossen werden”, und gab iamit seine eigentliche Absicht kund.

Der Westen wurde sich selbst aufge- ben, wenn er hier zurfickwiche.

Freie Stadt GroB-Berlin?

Das sind die Tatsachen, die nach dem Wiener Treffen in aller Scharfe hervortreten. Die Gegensatze konnten nicht harter sein. Chruschtschows Forderungen sind nicht leicht vom Tisch zu fegen. Der Westen wird in diesen Monaten eine Initiative ent- wickeln mussen, wenn er nicht plbtz- lich vor vollendete Tatsachen gestellt sein will, die er nicht hindern kann. Dieser Diskussion wird sich auch Bonn nicht entziehen konnen, wo man bisher jede Erbrterung des Berlin-Problems als Verrat auszulegen geneigt war. Die offizielle Reaktion auf die Erklarungen des amerikanischen Senators Mansfield ist der neueste Beitrag dazu, wo- bei freilich zu bemerken ist, daB die internationale Lage fur derartige Pri- vatauBerungen wenig geeignet ist. In der gegebenen Situation war ein an- deres Echo gar nicht moglich, ohne die eigene Position aufzugeben. Mansfield hatte vorgeschlagen, ganz Berlin den Status einer Freien Stadt zu geben. Es ware im Interesse einer Lbsung dringend wunschenswert, wenn die Amerikaner einmal von ihrer Ge- schwatzigkeit abrficken wiirden und dieses Problem mit der Geheimhaltung behandelten, die allein einen ausdisku- tierten Vorschlag ermbglicht, und die in Wien angenehm auffiel. Bisher scheint Washington Bonn in der Vor- lage von Vorschlagen den Vortritt lassen zu wollen. Bonn wird aber dies- mal kaum darum herumkommen, sol- che zu entwickeln, so unangenehm das im Wahlkampfjahr ist, wo jede Ande- rung von der Gegenseite datiach abge- tastet wird, welche propagandistische Mbglichkeiten in ihr stecken. Adenauer hat Westdeutschland in dem festen Vertrauen schon einige bittere Pillen serviert, daB diese im Wahljahr wieder vergessen waren. In diesem Fall fallt das weg, und die Lage wird um so unangenehmer, als die Kandi- datur des regierenden Biirgermeisters von Berlin als Kanzlerkandidaten der SPD zu besonderer Vorsicht mahnt. Wird die Bundesregierung in dieser Situation noch die Moglichkeit fur eine Initiative haben, auf die man ganz offenbar in Amerika wartet? Wenn nicht, wird dann nicht der Moment kommen, wo der ohnehin zu Adenauer nicht gerade im herzlichsten Verhaltnis stehende Kennedy die Initiative ergreift? Solange man sich in Bonn nicht im klaren ist uber die Fragen, in denen ein Nachgeben moglich ist, und jenen, wo man hart blei- ben mufi, wird man den Amerikanern kaum an die Hand gehen konnen und wird man sich vielleicht in einer in- nenpolitisch sehr viel schwierigeren Situation das gefallen lassen mussen, was der Westen beschlieBt. Es bleibt die Frage, ob im Wahlkampf ein sachliches Gesprach Adenauer-Brandt moglich ist, das offenbar das Gebot der Stunde zu sein scheint.

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