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Barackenpsychologie

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56 Prozent dieser Faile sind mehr als 50 Jahre alt. Man hofft, daB die Zahl der Bediirftigen im Laufe der Jahre kleiner wird, wenn die Kinder heranwachsen und die Eltem unter- stiitzen konnen. Doch gerade diese sozialen Faile sind auch die am meisten verbitterten Bevblkerungsteile. Nur 36 Prozent waren mit ihrem Wohnort zufrieden. Im Grunde ge- nommen waren sie uber alles ver- bittert; sie schimpften auf die Regierung, murrten uber die zu kleine Unterstutzung des Wohlfahrtsminj- steriums, beschwerten sich fiber ihre Nachbam, beklagten sich dariiber, daB sie als Juden orientalischer Her- kunft benachteiligt wurden, da ihre Hautfarbe dunkel sei, und waren auch nicht bereit, andere Bevolke- rungsteile aus anderen Herkunfts- landern zu akzeptieren, und sahen keinen Grund zu Dankbarkeit fur

Unterstutzung oder zum Willen, irgendwelche Biirgerpflichten auf sich zu nehmen. Ahnlich war die Lage bei den nur teilweise Arbei- tenden, wirtschaftlich Abhangigen.

Auch die Wohnbedingungen hatten auf die allgemeine Zufriedenheit EinfluB. Ungefahr die Halfte der Einwohner Kiriat Malachis wohnen bis zum heutigen Tag in Holzbarak- ken. Die Bevolkerungsdichte belauft sich in diesen Behausungen auf 3,2 Seelen pro Zimmer, was mit sich brachte, daB die Einwohner keine Neigung zeigten, ihre Wohnungen aus eigenen Kraften zu verbessern.

Generell zeigten diese Neueinwanderer wenig Ambitionen, ein Fach zu erlernen; nur zirka 22 Prozent der Befragten interessierten sich fur Fachausbildung oder -vervollkomm- nungskurse. 62 Prozent der Befragten zeigten iiberhaupt kein Inter-

esse daran, und 15 Prozent antwor- teten, daB sie eigentlich nicht wiiB- ten, wofiir sie sich interessieren. Hierbei ist noch zu betonen, daB diejenigen Emahrer, die ihre Erziehung bereits in Israel erhielten, mehr Ambitionen zeigten und 42 Prozent von ihnen Interesse an einer Fachausbildung an den Tag legten, wahrend sich dieses Interesse bei den anderen auf nur 17 Prozent belief.

Das Herkunftsland spielt bei der allgemeinen Eingliederung eine groBe Rolle. Es stellte sich heraus: Einwanderer aus Nordafrika

(Marokko, Algier und Agypten) zeigten wenig Neigung, ein Fach zu erlernen; nur 25 Prozent wurden Fach- leute, und zirka ein Drittel ihrer Familien in Kiriat Malachi sind daher soziale Faile. Irakische Juden, die den groBten Teil der Bewohner Kiriat Malachis darstellen, sind im allgemeinen sehr aktiv. Sie konnten alle Schliisselpositionen in der Ver- waltung ihres Ortes besetzen; 38 Prozent sind Fachleute und nur 18 Prozent soziale Faile. Einwanderer aus der Tiirkei und dem Jemen zeigten in Kiriat Malachi nur durch- schnittliche Talente: ein Drittel von ihnen konnten ein Fach erlernen, und 25 Prozent blieben soziale Faile. Im allgemeinen gehoren die jemeni- tischen Juden zu dem Bevblkerungs- teil, der sich durch FleiB und Wis- sensdurst auszeichnet. Die euro- paische Einwanderung, von der es in Kiriat Malachi nur zirka 10 Prozent gibt, zeichnet sich durch besonders schnelle Anpassungsfahigkeit aus. Nur 15 Prozent von ihnen wurden soziale Faile, 55 Prozent hingegen sind Fachleute geworden.

Obwohl die wirtschaftliche Eingliederung im allgemeinen von ver- haltnismaBigem Erfolg gekront war, laBt die geistige Absorbierung viel zu wiinschen iibrig. Man spart auf der Bank, kauft modeme Gasherde,

elektrische Kiihlschranke, Fernseh- apparate usw., doch von den 8000 Einwohnern Kiriat Malachis lesen nur zirka 100 eine Zeitung. Fiir Kinobesuch dagegen zeigen fast alle Bevblkerungsteile reges Interesse, wobei Wildwestfllme groBen Anklang flnden.

Am falschen Ort

Es stellte sich heraus, daB die Pla- zierung Kiriat Malachis falsch war. Dieses Stadtchen sollte das Zentrum einer landwirtschaftlichen Umge- bung werden; doch alle Vorausset- zungen hierfiir fehlen. Es gab bereits eine Anzahl kleiner Stadte in dieser Gegend, die Neueinwanderer konnten keine Fachkrafte stellen, um notwendige Reparaturwerkstatten fiir landwirtschaftliche Maschinen zu errichten, und der allgemeine Auf- bau in der israelischen Landwirt- schaft laBt kaum Privatinitiative zu.

Die alteingesessene Bevolkecung war theoretisch zwar immer bereit, den neuen Biirgem zu helfen, doch in der Praxis sah das Bild anders aus. Kiriat Malachi wurde einfach ignoriert. Heute versucht man nun dort Industriezweige zu errichten, aber nur ein Teil der Bevblkerung kann dort seinen Unterhalt verdie- nen, und das Problem ist von einer positiven Losung noch weit entfernt.

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