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Osterreich ohne Fremde?

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Die heiligen Nachte sind voriiber, das neue Jahr ist angebrochen und die Welt ist nicht um 0,01 Prozent besser, friedlicher und ruhiger geworden -von kliiger ganz zu schweigen.

Unsere - nein, so darf man sie nicht nennen, aber Sie wissen schon - also, die Rechts-„liberalen” starten ihr Be-gehren, das das Volk vor den miese-sten Wagen, der seit 1938 in Bewegung gesetzt wurde, spannt. Es wird genug Pferde, Esel und Ochsen ge-ben, die bereit sind, ihn zu Ziehen, davon bin ich uberzeugt. Aber dann, dann werden sie sich aufregen, wenn sie lesen, daB in Holland, den USA, in Frankreich und England - vielleicht sogar in Deutschland! - Inserate erscheinen, die da lauten konnten: Osterreich lehnt Auslander ab. Sie -Biirger der USA (Hollands et cetera) sind in Osterreich - auch als zahlen-de Urlauber - „Auslander”. Denken Sie daran, wahlen Sie ein anderes Fe-rienland. War's so unmdglich, daB zum Beispiel der kanadische Frem-denverkehrsverband so etwas ins Blatt riickt?

Oder daB, weil man sie hier offen-bar nicht mag, alle philippinischen Krankenschwestern in den Spitalern fiir 24 Stunden die Arbeit niederle-gen? Die Zeitungskolporteure aus den arabischen Landern auf ein paar Schilling, die sie Abend fiir Abend verdie-nen verzichten und nicht frierend das Blattl, das gegen sie hetzt, feilbieten? Wir werden's iiberstehen, wenn ein SirGeorg Solti, ein Placido Domingo und ein George Pretre nicht nach Osterreich kommen, aber so schon wird's halt dann nicht mehr sein, wen'iger bunt ist grau, fahl und fad.

Ungeheure Verarmung

Wir haben's auch iiberstanden, daB von '38 bis '45 unsere osterreichischen Freunde judischen Glaubens vertrieben, geschlagen, gedemiitigt und letztlich ermordet wurden. Aber wir tragen, so wir ein fuhlendes Herz haben, noch heute schwer an unserer Schuld. Und - nebenbei - so lustig wie vor '38 ist es auch nie mehr geworden. Natiirlich brauchen wir keine Zigeunerkapellen, keine india-nischen Schamanen, wir brauchen keine ungarischen Regisseure, bun-desdeutsche Schauspieler, italienische Spaghetti-Zubereiter und keine grie-chischen Gastwirte. Wir konnen sehr gut ohne Baklava, Gyros und coque au vin leben - nur fad wird's halt sein. Und weniger Arbeitslose wird es auch nicht geben, weil die Einheimischen nicht bereit sind, sogenannte Dreck-arbeit zu akzeptieren.

Ich Hebe meine sechs Steirer-Aus-seerhiite, meinen Jageranzug und meine Haselhuhnfeder am Hut. Aber nur Trachteng' wandln? Nein - bitte nein! Wie gesagt, wir brauchen all das wirk-lich nicht - aber wir haben es notig! Wir konnen ohne die fleiBigen (ich weiB, es gibt auch faule) Arbeiter aus Ex-Jugoslawien, aus der Tiirkei nicht existieren. Oder kennen Sie einen „Einheimischen”, der freiwillig Zei-tungen verkauft, Dreck putzt und in Hotels das Geschirr wascht? Ja? Dann bringen Sie ihn zu den Vermittlun-gen. Der erste Osterreicher, der sich als Hauslputzer im AKH meldet, wird mit Blumen vom Burgermeister sel-ber empfangen und auf dem Biirger-meisterradl sitzend von ihm person-lich hingeschoben.

Liber Beschaftigungspolitik

Wie war's denn im Krieg? Hatte die verfluchte Riistungs- und Landwirt-schaftsindustrie ohne vier Millionen Zwangsarbeiter funktioniert? Einen Schmarrn hatt' sie das. Sogar die Preservative fiir die Wehrmacht des groBten Feldherrn aller Zeiten wurden in den Fabriken des Schwiegervaters eines ehemaligen bayerischen Mini-sterprasidenten - Zwicknagel hieB er, der Tochtervater - von Zwangsarbei-tern hergestellt. Und zwar von aus-landischen! Vielleicht sind Sie das Ergebnis „polnischer Schlamperei”?

Ich habe, wie man weiB, keine all-zugroBe Vorliebe fiir den amtieren-den Burgtheaterdirektor, er mag mich ja auch nicht sehr. Das ist sein - das ist mein Recht. Dieser glanzende Regie-kiinstler ist, glaube ich, nicht der rechte Mann, den Direktor dieses Theaters zu spielen. Aber ihn nicht zu mogen, weil er Auslander (Deutscher) ist, hieBe die Tatsachen verdrehen und ware vollig vertrottelt. Das Be-gehren des Herrn Haider Jorgerl an das MiBgeburtsvolk darf also - ich betoniere das! - nicht gegen Claus Peymann gerichtet sein. Den bekampft der FPO-Fuhrer auf andere, miese Weise - was uns nicht niitzt und uns sachliche Argumente aus der Hand schlagt.

Fein, so ein Neujahrsbeginn. Aber wir haben 45 auch wieder begonnen. Und da war es noch schwerer. Leich-ter war es nur in einer Beziehung: Die Trottel haben sich damals nicht so lautstark artikuliert wie heute. Sie hatten Angst und krochen in alle Off-nungen der Siegersoldaten.

Dort hatten sie bleiben sollen.

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