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Mufite Osterreich ..still sein”?

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Die in Osterreich lebenden Umsiedler und Vertriebenen wiederum forderten eine Einbeziehung in den deutschen Lastenausgleich. Die dabei vorgebrachten Argumente wurden zwar von der deutschen Seite offiziell nicht anerkannt, aber schliefilich ‘”fcWtMSfe1 Win AlgfllS,, mundtot zu machen, wurden in der deutschen Presse immer wieder ver- schiedene Stimmen laut. So konnte man horen, daB Osterreich eigentlich ganz still sein muBte, sei doch Hitler aus Osterreich gekommen. Wobei na-

tUrlich geflissentlich ubersehen wurde daB er hierzulande wahrscheinlicl keine Aussicht gehabt hatte, in de: Politik eine Rolle zu spielen. Eir weiteres Argument war, dafi sich at den VerfolgungsmaBnahmen auc} Osterreicher beteiligten. Und schliefi lich war immer wieder, zu horen; dal Uni&dleF’nnd’’ VertriwiSIFHiiie lastung fur einen Staat, sondern :r erhe’Hidhet’-G’eirm sei6ft. hnt:

Ein langer Weg

Fiinf lange Jahre wurde diese Kleinkrieg gefiihr t, und noch in April 1961 hatte es den Anscheim al sollte auch diesmal wieder alles schief gehen, denn die fiir einen bestimmten Terrain im April in Aussicht ge- nommenen offiziellen Verhandlungen wurden Uber deutsches Verlangen ver- schoben. Die uberraschende deutsche Absage erweckte auf dem Ballhausplatz MiBtrauen und Idste bei den Betroffe- nen eine tiefgehende Verbitterung aus. In dieser ernsten Situation schalteten sich hiiben und driiben Politiker ein und versuchten einen Ausweg zu linden.

Heute darf nun gesagt werden, daB dieser Ausweg gefunden wurde, und am 12. und 13. Juni konnten die beiderseitigen AuBen- und Finanz- minister einem EntschSdigungsvertrag zustimmen, der eine deutsche Gesamt- leistung von 321 Millionen D-Mark an Osterreich vorsieht. Es sind dies 125 Millionen D-Mark fiir von Osterreich durchzufiihrende Entschadigungs- maBnahmen zugunsten der Umsiedler und Heimatvertriebenen, 95 Millionen D-Mark fiir die aus politischen, rassischen oder religiosen Grunden Verfolgten, 95 Millionen D-Mark fiir die Sozialversicherung und sechs Millionen D-Mark fiir die mit der Erfassung . des jfidischen Eigentums in Osterreich betrauten Sammelstellen. Zu den ersten beiden Summen muB Osterreich einen entsprechenden Beitrag leisten, wShrend die 95 Millionen D-Mark fiir die Sozialversicherung die parlamen- tarische Verabschiedung des osterrei- chischen Fremdrentengesetzes ermdg- lichen.

Nun erheben sich gegen die Vereinbarungen von Bad Kreuznach verschie- dene Stimmen. Vor allem die Umsiedler und Heimatvertriebenen verweisen darauf, dafi sie keine Entschadigung fiir Spareinlagen, Lebensversicherun- gen, Hauser und Grundbesitz erhalten, sondern eine bescheidene Vergiitung fur verlorene Wohnung und die Gegenstande zur Berufsausiibung. Auf osterreichischer Seite vernimmt man Stimmen, die darauf hinweisen, dafi es ein unbilliges Verlangen sei, wenn Osterreich auch seinerseits einen zahlenmaBig noch nicht festgelegten Beitrag fiir diesen Personenkreis zu leisten habe. Dem muB nun entgegnet werden, dafi durch den deutschen Beitrag die dsterreichische Zahlungs- bilanz ganz erheblich verbessert wird und,,dfeoxVQftu Bonn fi,., JJmsiedler -.und-’Meitnatvertrfeben? ? baigtsteuerten die dsterreichische Wirtschaft ein- fliefien.

In diesem Zusammenhang muB frei- lich auch darauf verwiesen werden, dafi es verschiedene Gruppen von Ge- schadigten gibt, die Anspriiche gegeniiber der Deutschen Bundesrepublik anmelden und die der osterreichischen Bundesregierung gegenfiber den Vor- wurf erheben, sie wurde derartige An- sprfiche nicht mit genugendem Nach- druck vertreten. Dem muB freilich entgegengehalten werden, daB der Forderungsverzicht des Staatsvertrages geltendes Recht ist. Wie weit es daher notwendig erscheint, entsprechende innerstaatliche MaBnahmen zu setzen, soil hier nicht untersucht werden.

Ein SchluBstrich

Der Vertrag von Bad Kreuznach wird gewiB zu einer Verbesserung der osterreichisch-deutschen Beziehungen beitragen. Es ware aber nicht an- gezeigt, die innerstaatlichen Auswir- kungen ubersehen zu wollen. Zunachst wird es moglich sein, die Entschadi- gungsfrage fur jene Osterreicher zu bereinigen, die zwischen 1938 und 1945 aus politischen Griinden in die weiten, von den Deutschen besetzt ge- wesenen Gebiete gehen muBten und dort ihr gesamtes Hab und Gut ver- loren haben. Bisher konnte namlich ein Kriegsschaden nur dann ersetzt werden, wenn der Verlust innerhalb der osterreichischen Staatsgrenzen ent- standen war.

DaB die Auslandsosterreicher, die 1945 gleich den Vertriebenen ihr gesamtes Hab und Gut in den Oststaaten zurucklassen muBten, wenigstens einen VorschuB auf die von den friiheren Aufenthaltslandern zu leistenden Ent- schadigungen erhalten, ist eine Selbst- verstandlichkeit. Und schlieBlich muB die Bundesregierung dem Parlament das Gesetz vorlegen, das eine Ent’ schadigung fur jenes osterreichischt Eigentum bringt, das Jugoslawien au

Grund des Staatsvertrages in Anspruch nehmen konnte.

Wenn man bedenkt, daB seit Kriegs- ende 16 Jahre vergangen und die mit dem Kriegsgeschehen zusammenhan- genden Entschadigungsprobleme noch immer nicht abgeschlossen sind, so ist das fur einen verantwortungsbewuBten Politiker eine bittere Erkenntnis. Auf der anderen Seite aber ist es ver- standlich, daB gerade bei der jungeren Generation der Ruf immer starker wird: SchluB mit der Ruckstellungs- und Entschadigungsgesetzgebung! Diesem Verlangen kann man sich nicht entziehen, denn es ware wahrlich hoch an der Zeit, einen endgultigen SchluBstrich zu setzen. Dabei sollte sich die Bundesregierung keineswegs scheuen, die Karten offen auf den Tisch zu legen und der Bevolkerung eine ehr- liche Abrechnung dariiber vorlegen, was seit dem Jahre 1945 aufgebracht werden muBte, um die durch Krieg und Nachkriegszeit verursachten Scha- den zu beseitigen. In diese Abrechnung wird man auch jenen Preis ein- setzen miissen, den Osterreich fur die Wiedererlangung seiner Freiheit zu entrichten hatte. Es war ein sehr hoher Preis! Aber nur ein Leben in Frieden und Freiheit ermoglicht es Osterreich, mit bescheidenen Mitteln Wunden zu heilen, die von anderen geschlagen wurden. Das aber ist schlieBlich auch ein Werk der sozialen Gerechtigkeit, und den Vertrag von Bad Kreuznach darf man als bescheidenen Beitrag dazu betrachten. •

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