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Franz Stephan — der unbedankte Kaiser

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KAISER FRANZ I. STEPHAN UND DER URSPRUNG DES HABSBURGISCHEN FAMILIENVERMOGENS. Von Hanns Leo Mikoletzky. Verlag fiir Geschichte und Politik, Wien. 67 Seiten.

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KAISER FRANZ I. STEPHAN UND DER URSPRUNG DES HABSBURGISCHEN FAMILIENVERMOGENS. Von Hanns Leo Mikoletzky. Verlag fiir Geschichte und Politik, Wien. 67 Seiten.

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Franz von Lothringen, Gemahl Maria Theresias, letzter Regent seines Geschlech- tes in seiner Heimat, Erbe der Medici in der Toskana, Rbmischer Kaiser, Mitregent seiner Gattin in den Erblanden, bekannt als Finanzgenie, hat wegen letzterer Eigen- schaft einen nicht immer ganz guten Ruf in der Nachwelt erhalten. Dies mag mit- verursacht sein, daB es uber ihn noch keine endgiiltige wissenschaftliche Monographic gibt. Dies wurde wieder mitverursacht. weil er so gar keine wichtige Rolle in der Geschichte zu spielen schien. Dennoch darf seine Rolle nicht als klein angesehen werden. Viele seiner Charaktereigcnschaf- ten linden sich in seinen Kindern und Enkeln wieder, so seine Bescheidenheit, sein Verwaltungstalent (das in Franz Josef einen neuerlichen Gipfel erklomm), seine Korrektheit in finanziellen Dingen. Ge- rade letztere wurde ihm nicht geglaubt und gerade letztere ist teilweise das Ge- heimnis seines Erfolges. Denn der letzte Herzog von Lothringen war aus einem sehr armen Hause, dig Hofhaltung in Lune- ville war mehr bescheiden. Er muBte sehr bald schon rechnen lernen und kam dank seiner Intclligenz darauf, daB es eigentlich einfach ist, in finanziellen Dingen Erfolg zu haben. Er kam darauf. daB der Erfolg auf diesem Gcbiete eigentlich auf ganz primitiven Grundsatzen beruht: man gebe weniger aus und nehme mehr ein (auf diesem Grundsatz beruhte das Ge- heimnis von Seipels Sanierung), um weniger auszugeben. mufi man sparen, das kann man nur, wenn man in seinen Finanzen Ordnung halt, wozu auch eine peinliche ErfiiHung aller eingegangenen Verpflich- tungen gehort (wodurch man aufierdem sich einen’guten Namen matht, was allein schon Kapital wert ist). Als Franz von Lothringen sich zu diesen Grundsatzen durchgerungen hatte, begann er auch schon die Vermogen, die ihm zuflossen, nach innen zu verwalten. Und der arme Herzog erhielt im Laufe der Zeit doch recht ansehnliche Vermogensmassen. Da war einmal der NachlaB der letzten Medici, die ihn als Erben einsetzte, da war der NachlaB seiner Mutter, dann die Entschadi- gungssummen, die Frankreich an ihn — wenn auch recht langsam — wegen des Verlustes fiir Lothringen zahlte. Da waren die Einkiinfte aus der Reichsgrafschaft Falkenstein in der Pfalz, die 1716 an Lothringen gekommen war und die 1736 an Franz Stephan verliehen wurde. Mit einem Teil seines Vermogens kaufte Franz Stephan Giiter und sonstige Liegenschaften in den osterreichischen Erblanden. Diese Giiter verwaltete er mit einem Minimum an Apparat und verbesserte ihre Ertrag- nisse dauernd durch RationalisierungsmaB- nahmen. Inmitten des barocken Schien- Brians, der damals in Osterreich herrschte, konnte ein Erfolg nicht ausbleiben. Aber dieser Erfolg wurde ihm ubelgenommen, da es fiir einen Herrn aus regierenden Haus nicht anstand, sich um Geld zu kiimmern. Und da seine Umgebung nicht an den Erfolg durch Anwendung solcher primitiver Grundsatze glaubte, vermutete sie iible Machenschaften. Dabei half er dem osterreichischen Staat mehr als einmal aus einer finanziellen Klemme und hatte sich gewiB unsterbliche Verdienste als Leiter der Schuldentilgungskommission, die nach dem Siebenjahrigen Kriege er- richtet wurde, erworben, hatte ihn nicht der Tod schon 1765 hinweggerafft. Uni- versalerbe wurde sein Sohn Josef, un- zahlige Legate und Pensionen wurden anderen Personen vermacht. Kaiser Josef iiberantwortete in Einklang mit seiner Mutter einen Teil des geerbten Vermogens dem Staat, aus dem anderen Teil (einer Einlage bei der Wiener Stadtbanco in der Hohe von mehr als 5 Millionen Gulden sowie zwei Giiter) schufen Maria Theresia und Josef den sogenannten „habsburgisch-lothringischen Familien- fonds”. Dieser Familienfonds ist somit aus jenen Vermogensteilen geschaffen, die Franz Stephan, der nie in Osterreich re- gierte, aus aller Welt, nur nicht aus Osterreich zugeflossen waren und die er durch seinen FleiB und seine Sparsamkeit ver- mehr hatte. Das Vermogen Franz von Lothringens war reines Privatvermogen und somit war es auch der Familienfonds, der aufierdem nach dem Willen Maria Theresias fiir den Staat insofern eine Hilfe darstellen sollte, als durch ihn die Aus- gaben Osterreichs fiir sein Herrscherhaus vermindert werden sollten.

Die kleine Studie von Mikoletzky zeigt dies alles klar. Ein objektiver Historiker, dem es nur datum geht, sine ira et studio, die Wahrheit zu linden, zeigt die Herkunft dieses Vermogens sowie seinen Charakter auf. GewiB, in unseren Tagen wird diese Wahrheit manchen unangenehm sein, ebenso wie es fiir manchem iiberraschend sein wird, das Klischee, das er bisher von Maria Theresias Gemahl besaB, revidieren zu mussen. Mikoletzky sagt am Ende seiner Studie, daB es GroBe ohne Wirkung geben kann. „Aber es gibt ebenso Wirkung ohne sichtbar menschlich gewordene GroBe. Ein seltenes Beispiel dafiir ist das Leben Franz Stephans, das, im Schatten seines Hauses verlaufend, dessen Abend vergol- dete und maBgeblich und uniibersehbar erleichterte.”

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