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VON NEUEN BUCHERN

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Kein geringerer als der Hlstoriker Franz Sdinabel hat aus den nadigelassenen Papie- ren Wiard von Klopps eine Biographic iiber dessen Vater, den Historiker Onno Klopp, herausgegeben (Onno Klopp, Leben und Wirken. Verlag Schnell/& Steiner, Milndien, 270 Seiten), Der dsterreidiisdie Leser wird sidi iiber das Ersdieinefl dieses Buches freuen und wird dennoch audi ein Bedauern nicht unterdriicken konnen. Er wird sidi freuen: daB diese Ehrensdiuld gegeniiber Onno Klopp endlich abgetragen ist, gehorte dodi Onno Klojip zu jenen bedeutenden Historikern des 19. Jahrhunderts, iiber den bisher keine Dar- stellung vorlag. Er wird es bedauern: daB kein osterreichischer Historiker diese Ehren- pflidit erftillte, war dodi Klopp einer der bedeutendsten Osterreidiischen Historiker des vorigen Jahrhunderts, dem nidit nur die tisterreichlsche Wissensdiaft viel verdankt, sondern dariiber hinaus ganz Osterreidi. War er dodi einer jener wenigen gewesen, die erkannt hatten, dafi die mangelhafte Pflege der flsterreidiisdien Gesdhichte den Niedergang des dsterreichischen Staatsge- dankens in der zweiten HSlfte des 19. Jahrhunderts verschuldete, und hatte er sidi mit seiner ganzen Kraft gegen diesen Niedergang gestemmt, indem er Osterreidi immer wiecjer den Spiegel seiner Vergangenheit vorhielt. Ein einsamer Mahner auf weiter Flur. Denn die dsterreidiisdie historische Wissensdiaft wandelte teils andere Pfade.

Knapp nadi der Reddisgrfindung fan Jahre 1871 hatte Bismarck mit seinem ehemaligen liberalen Gegner Heinridi von Sybel, Professor an der Universitat Milndien, Frieden gech lessen, ihn zum Generalfltaatsardiivar der preuBischen Archive emennen lassen, nadidem er seine exorbitanten finanziellen Forderungen beim sparsamen Wilhelm I. durchgedriidct hatte, und lhn mit der Ab- fassung der Griindungsgesdiidite des deutschen Kaiserreidies betraut. Nidit ohne vor her Befehl gegeben zu haben, „alle Akten, die die gute Meinung des mensdienfreundlidien Herm gegen uns stdren konnten, zuriidczu- halten". Das Werk Sybels flel offiziell zur Zufriedenheit Bismarcks aus, wahrend er sidi inoffiziell dariiber iuflerte, daB der Verfasser .wie ein Windhund fiber die Akten gelaufen sein mfisse . Es fiel zur Zufriedenheit aus, denn es unterbaute die Reichsgriln- dung Bismarcks, der die Wichtigkeit der Pflege der Gesdiichtssdireibung erkannt hatte. Und mit Sybel stfitzen eine Reihe von Historikern, wie Treitschke, das Werk Bismarcks, vor allem aber audi dsterreidiisdie Gelehrte. Erinnert sei nur an Theodor von Sickel, der auf der Universitat Wien die deutsche Kaisergesdiidite ganz im kleindeut- sdien Sinn vortrug. War es zu verwun- dern, dafi die Studenten unter solchem Ein- fluB nidit gerade zu Freunden Dsterreichs, ihrer Heimat, wurden, sondern ihre Blicke immer mehr nach dem Reidie Bismarcks ridi- tetea und sidi Osterreidi entfremdeten?

Einer der wenigen, die in Osterreidi recht- zeitig die Notwendigkeit einer Pflege der osterreichischea Geschiditswissensdiaft er- kann/t hatten, war der Unterrichtsminister der filnfziger Jahre, Leo Graf Thun, gewesen. 1854 hatte er an der Universitat Wien das .Institut fiir dsterreidiisdie Gesdiidits- forsdiung gegrfindet, nidit so sehr, um das Studium der Hilfswissensdiaften zu f6rdern, sondern um .die Heranbildung junger Men- sdien zur tieferen Erforsdiung der dster- reidiisdien Gesdiidite zu sidiern . Mit dem ErlaB, die .Professoren mogen die Wissen- sdiaft im Einklang mit dem Geiste der Kirdie pflegen", hoffte er audi einen Sdiritt zur Sidierung einer katholisdien Gesdiidits- sdireibung getan zu haben. Seine Hoffnun- gen allerdings erfiillten sidi nidit oder nur in geringem MaB. Ein Grand lag tedlweise in der Entwicklung des .Instituts fiir dster- reidiisdie Geschiditsforsdiung . Seit seiner Grfindung erzieht es Generationen von hoch- qualdfizierten Historikern. Aber es zog das Interesse seiner Absolventen immer zu stark auf die Erforsdiung mittelalterlidier Quellen und mittelalterlidier Gesdiidite und lieB fiir die Erforsdiung der neueren Zeit nur wenig Raum. So kommt es, dafi es in Osterreidi zwar ausgczeichnete Editionen von Urkun- den gibt, ausgezeichnete Darstellungen der mittelalter lichen Gesdiidite, aber bis heute ein Werk eines Osterreidiers fiber Joseph II. nicht existiert. Ebensowenig gibt es auBer dem kleinen Buch von Novotny fiber Kau- nitz keine Darstellung und muBten 60 Jahre nadi dem Tode Metternidis vergehen, ehe Srbik sein bedeutendes Werk fiber diesen Staatsmann sdirieb. Ist dies einer der Griinde, dafi die neuere Gesdiidite Dsterreichs noch zu wenig erforscht ist, so ist das Verhalten der osterreddiisdien Katholiken die Ursadie, dafi es kaum eine osterreidiisch-katholische Clesdiadi'tssdiredibuaM aifot. Die osterreididsdien

Katholiken zeigten nur mangelndes Ver- standnis fiir sie. Weder tanden sich genfigend Mazene, die das Studium von sidi aus grofi- ztigig gefordert hatten, noch genug Katholiken, die Geschichte studieren wollten. Nur diesem Umstand ist es zu verdanken, daB es bis heute keine Kirdiengeschichte Salzburgs gibt, keine vollstandige Kirdiengeschichte Steiermarks, ja nicht einmal eine komplette Kirchengesdiidite Dsterreichs. Diesem Umstand ist es zu verdanken, dafi die quellen- mSfiige Besdififtigung mit dem fiir Katholiken so widitigen .Josephinismus von katholischer Seite erst jetzt anzulaufen be- ginnt.

Der Hauptgrund aber, warum der Plan Thuns nidit gelang, war die Eroberung der Undverst-taten durch den Liberalismus, die knapp nach seinem Sturz einsetzte. Jener Liberalismus, der nidit nur die Gesdiidite nadi seinem Sinn lehrte, sondem sidi audi ingstlich bemilhte, alle Historiker, die nidit aus seinen Reihen kamen, von den Lehr- stiihlen fernzuhalten. So wurde Denifle, der Dominikaner aus Imst in Tirol, beruhmt durch seine Forsdiungen fiber Luther, Ehrendoktor der Universitat von Cambridge, niemals dsterreidiischer Universitatsprofessor. Ludwig Pastor, dem Geschiditsschreiber der PSpste, wurde die Habilitation in Graz ver- wehrt, seine Berufung nadi Prag hinter- trieben, und erst nadi Jahren erhielt er die Professur in Innsbruck. Und ebensowenig gelang es Onno Klopp, auf einer osterreidiischen Hodischule FuB zu fassen, obwohl er einer der wenigen gewesen wftre, der ganz lm Geiste Leo Thuns h4tte wirken kdnnen in der .Heranbildung junger Mensdien zur tieferen Erforsdiung der osterrelchisdien Ge- schiehte .

Wie so vielen bedeutenden Oster- reidiern war audi Klopps Wiege aufierhalb der Grenzen Dsterreidis gestanden. 1828 war er im Hannoveranisdien geboren worden. Nach seinen Studien in Bonn wurde er Gym- nasiallehrer und wendete sich daneben der Erforsdiung der friesisdien Gesdiidite zu. Mit der Wirkung, daB er ein Gegner Friedrichs II. im besonderen und PreuBens im allgemeinen, dessen .Vertragstreue keinen Hahnenschrei ilberdauere", und ein ausgesprochener An- hanger Dsterreidis und der Habsburger wurde. 1860 wurde er Ardiivar in Hannover und mit der kritischen Ausgabe der Werke Leibniz' betraut. 1866, als Sonderkurier des Konigs nach Bayern gesandt, kehrte er nach der Niederlage der hannoveranisdien Trup- pen bei Langensalza nidit mehr in seine Heimat zurfick, sondern wandte sich nadi Wien, in der Hoffnung, hier eine Stellung zu fin- den, was sidi bald als vergeblich heraus- stellte, Sdiliefilidi war er froh, als der nach Osterreidi gefluditete Konig von Hannover ihn weiter als eine Art Hofhistordograph in seinen Diensten behielt und ihm die Weiter- ffihrung der Lentoaiz-Ausgabe sowie die Ab- fassung eines groflen Werkes fiber die Thron- folge des Hauses Hannover in England auf-

trug. 1873 erfolgte seine Konversion zur katholisdien Kirche. Neben den Arbeiten fiir seinen kdniglichen Herm warf er sidi insbesondere auf das Gebdet der habsburgi- sdien Gesdiidite. Mit unendlidiem Fleifi sdiuf er eine nahezu lfickenlose Darstellung derselben. Was heute fiber Karl V., fiber das Zeltalter Ludwigs XIV. gelehrt wird, ruht zum guten Teil auf dem Grund, den Klopp gelegt hat. Er ist der erste dsterreidiisdie Historiker, der Karl V. in seiner Bedeutung erkannt hat. Ein ahnlidies Verdienst hat er sidi um die Person Leopolds I. erworberu Be- deutend sind seine Forsdiungen fiber Tilly, fiber den DreiBigjfihrigen Krieg, fiber das Jaihr 1683. 1903 starb Klopp in seiner Wie ner Villa und wurde im Penzinger Frledhof begraben. Das ehronologisdie Verzeidinis seiner Arbeiten verzeldmet fiber 400 Num- mem.

Die Gesdiidite, sagt ein altes Sprichwort, ist die Lehrerin des Lebens. Klopp hatte oft versucht, dies der Welt klarzumachen. Zu wenig nur war er in Osterreidi gehort worden. Er war einer der grofien Mahner, der die Tragodie Dsterreidis aufhalten wollte, ahnlich Franz Ferdinand, dem er Unterridit in Geschichte gab, Neuere Forsdiungen haben seine Ergebnisse nicht entkraftet, aber fort- gesetzt. Was aber immer bleiben wird, ist seine Mahnung, dafi Osterreidi sich den Spiegel seiner Vergangenheit vorhalten mfisse, um seine Zukunft zu erkennen und Kraft ftir seinen Weg zu flnden. Seine For- derung, die dsterreidiisdie Gesdiidite zu er- forsdien, kann nidit emst genug befolgt werden.

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