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Die Wappen Österreichs in der Babenbergerzeit

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In dem Gesamtbild, das der Mensch von heute sich von dem äußeren Antlitz des abendländischen Mittelalters zu machen pflegt, haben neben den feierlichen Minuskeln der Chroniken und Annalen, den Miniaturen mit ihren moderner Überheblichkeit hölzern und unbeholfen erscheinenden Gestalten, neben den vergilbten Urkunden mit ihren anhängenden Siegeln und den steingewordenen Gottesgedanken romanischer und gotischer Bauwerke die buntleuchtenden Wappensdiüder ihren wohlverd!enten Platz. Wohlverdient — denn diese bei aller einzelnen Unterschiedlichkeit im Wesen einheitlichen Gebilde, mög'-n sie nun ornamentale, geometrische oder sonstige Figuren, Tier- oder Menschengestalten in wediselnder Farbigkeit zeigen, sind echte Kinder mittelalterlichen Geistes, eines jugendlichen Geistes, der Freude am Spiel der Farben und Formen mit Ordnungssinn und Zweckdienlichkeit wohl zu vereinen wußte.

Aus den Fahnen - Feldzeichen früherer Zeiten, deren Gemeinsamkeit dem Zusammengehören einzelner Heereskörper sinnfälligen Ausdruck verlieh, erwuchs in nicht genau festzulegender Zeit das Fürstenwappen als Sinnbild und Kennzeichen des Inhabers eines Heerbanns, das nach ihm auf seinen Nachfolger überging, auch wenn der nicht seiner Familie angehörte. Mit dem Durchdringen der Erblichkeit der großen Lehen erfolgt dann von selbst — etwa um das Jahr 1170 — die Fortentwiddung zum Familienwappen. Daneben gestaltet sidi ein enger Zusammenhang auch zwischen Wappen und Amts- oder Herrschaftsgebiet: Seit dem Anfang des 13. Jahrhunderts kann man von Landeswappen sprechen.

Die „Wappengesdiidite“ der Babenbergerzeit Österreichs (976 bis 1246) ist auf die letzten neunzig Jahre dieses Gesdiledits beschränkt. Im Jahre 1156. da Österreich unter Heinrich II. Jasomirgott durch das „Privilegium minus“ Friedridi Barbarossas zum Herzogtum erhoben wurde, findet sich auch das erste Wappenbild in einem Reitersiegel dieses Herzogs — ein Adler auf dem Schild. Das Siegel — und die Siegel sind es ausschließlich, die für unseren Zeitraum zeitgenössische Abbilder der Wappen liefern — verrät natürlich nichts über die Farben- gebung; doch ist man aus verschiedenen Anzeichen zu der Ansicht gelangt, daß ein schwarzer Adler in goldenem Feld das erste Wappenzeichen der Babenberger gewesen ist.

Der Adler, Symbol der Großmut und der „Milte“, der gnädigen Freigebigkeit, somit der höchstgepriesenen Tugenden mittelalterlichen Herrschertunis, findet sidi naturgemäß in einer ganzen Reihe von Fürstenwappen jener Zeit; vor allem stellte er audi das Hoheitszeichen des Kaisertums dar, und zwar ebenfalls sdiwarz in Gold. Der eigentche Zweck des Wappens, zur kennzeidinenden Abhebung einer Gemeinschaft von anderen zu dienen, war demnadi in diesem Falle sehr unzureichend erfüllt, vielmehr scheint hier eine Zusammengehörigkeit des Herzogshauses und seines Territoriums mit dem Reich, dem beide ihre neue, gehobene Stellung verdankten, durdi Gleidiheit von Bild und Farben zum Ausdruck gebradit worden zu sein.

So blieb es nicht bei dem Adler, der sidi bei Heinrichs II. Sohn und Nachfolger Leopold V. 1192 erstmalig auch im Banner findet. Leopold V, der Kreuzfahrer, ist es, von dem die berühmte Wappensage geht, wonach sein im Kampf vor Akkon mit Blut bedecktes, nur unter dem Schwertgurt weiß gebliebenes Kleid der Anlaß zu einem neuen Wappen geworden sei — dem wohlbekannten Balken- oder Bindenschild in den Farben rot-weiß-rot. Das ist viel spätere Überlieferung, die man auch anderwärts antrifft, so in der flandrischen Wappensage. Tatsache ist, daß der Balkensdiild unter Leopold V. und seinem älteren Sohn Friedrich I. nodi nicht in Erscheinung tritt.

Hingegen ist ein Münzsiegel des jüngeren Bruders Leopold V., Hsrrn Heinrichs von Mödling, zu erwähnen, worauf vorne der Adler, hinten aber zwei Leoparden im

Wappenschild zu sehen sind Diese Leoparden finden sidi nidit nur bei einem Sohn, dem jüngeren Heinridi von Mödling, wieder, sondern audi eine Generation später bei Herzog Ulrich von Kärnten, dessen Großmutter Agnes die Schwester Leopolds V und des älteren Mödlingers war. Es handelt sich somit hiet um ein auch in weiblidier Linie vererbtes Geschleclirswappen, vielleidn um das ursprüngliche Fimilienwappen des babenbergischen Hauses, dem gegenüber der Adlerschild als das Wappen des Herzogtums österreidi anzuspredien wäre. Audi die Leoparden — bei Ülridi von Kärnten sind es ihrer drei geworden — stehen schwarz im goldnen Feld.

Leopold V. ist es ferner gewesen, unter dessen Regierung Steiermark mit Österreich vereinigt wurde. Das Wappenbild des Herzogtums Steiermark war ein schwarzer Panther in weißem oder silbernem Felde, ein über das ganze alte Herzogtum Bayern verbreitetes Zeichen, das sidi ganz gleich auch im Kärntner Wappen findet. Die ursprüngliche Abhängigkeit der alten Mark Steier vom Herzogtum Kirantanien kommt in dieser Gleidiheit zum Ausdruck. In Münzsiegeln Herzog Leopold VI. seit etwa 1200 ist im Schild des Reiterbilds der Panther zu sehen, während im Siegel seiner Gemahlin Theodora beide Wappentiere erscheinen: Rechts vom Bild der Herzogin der Adler von Österreich, links der Panther von Steier.

Unter Leopold VI. beginnt sidi nun aber auch der Balkenschild bemerkbar zu machen, dessen Schicksal es war, den alten Adler zu verdrängen und zum eigentlichen, wahrhaft kennzeichnenden Wappen des babenbergischen Herzogshauses und damit Österreichs zu werden. Als Anlaß zu seiner Annahme ist wohl, im Gegensatz zu der erwähnten romantischen Sage, die Übernahme des um Horn gelegenen Territoriums der vor 1210 ausgestorbenen Grafen von Poigen-Hohen-burg anzusehen; denn dieses Geschledit hat tatsächlich einen Balken- oder Bindenschild im Wappen geführt. Bei Leopold VI. wird das neue Zeichen zum erstenmal in der Fahne sichtbar, und zwar noch mit dem Adler im mittleren Felde. Dieser verschwindet unter seinem Sohn Friedrich IL, dem Streitbaren, dem letzten Babenberger; im Siegel einer Urkunde Friedrichs für Lilienfeld vom 30. November 1230 zeigt sich deutlich in Banner und Schild der einfache Querbalken Jans Enenkel berichtet in seinem zwischen 1280 und 1290 entstandenen „Fürstenbuch“

über das Gewand des Herzogs Friedridi und der zweihundert Ritter, die 1232 mit ihm die Schwertleite empfingen:

„si truogen von ganzem scharladi kleit, da durch ein strich vil gemeit, der was wizer danne ein swan ...“

Und über den Balkensdiild des Herzogs von Kärnten, von dem wir gleich spredien werden:

„an der halb nam idi des sdiildes war, der was do rot als ein pluot, ein stuk dä mitten durch wuot, der was gewar ich mit guotem filz von gestein und von perlin wiz, wiz als ein hermltn — ein snc kunt nicht wizer gesin.“

Und schon um 1245 besdireibt Conrad von Mure aus Zürich im „Clipearius Teu-tonicorum“ den Schild der Flerzoge von Österreich:

„Dux tum, Austria, vult clipeum preferre rubentera cuius pars ferr media zonam candore nitentem.“

(„Dein Herzog, öst'reich, gibt dem roten Sdiild den Preis, in dessen Mittelteil ein Gürtel glänzend weiß.“)

Eine weitere Neuerung bedeutet das in Friedridis letzten Jahren auftauchende Helni-zierat: Eine Krone.'mit Pfauenfedern geschmückt. Während der Pfauenstoß gleidi dem Bindensdiild auf eine Erbsdiaft zurüdc-zuführen ist — auf das im Jahr 1235 erloschene und von Babenberg beerbte Haus der Herren von Lengbach —, dürfte die Krone mit dem 1245 beinahe zur Vollendung gediehenen Plan einer Erhebung der vereinigten Herzogtümer Österreich-Steiermark zum Königreich zusammenhängen.

In Friedrichs letztes Lebensjahr endlidi fällt das heraldisch interessante Ereignis des kärntnerischen Wappentausches: Herzog Ulrich von Kärnten, durch Friedrich den Streitbaren gefangen genommen, wurde von seinem Besieger gezwungen, auf sein Panther-wappen, das unzeitgemäße Erinnerungen an die alte Oberherrlichkeit Kärntens über Steiermark wachrief, zu verzichten, und erhielt dafür die Erlaubnis, dafür den halben Sdiild des östcrreidiisdicn Bindensdiilds zu gebrauchen: in der anderen Hälfte behielt er das schon 1238 bei ihm nachweisbare baben-bergische Gcschlechtswappen. die schwarzen Leoparden auf goldenem Grund. Nach dem Tode des Babenbergers eraditete Ulrich sich an den erzwungenen Tausch nicht mehr gebunden, das Pantherbild taucht wieder auf seinen Siegeln auf; Steiermark aber, um seine Selbständigkeit doch auch heraldisch zum Ausdruck zu bringen, än3ert die Farben seines Pantherschildes auf Silber in Grün.

Vom einfachen Adlerschild, dem Zeichen der Abhängigkeit vom Reich, zu der stolzen Krone mit den Pfauenfedern auf dem rotweiß-roten Bindensdiild führt die kurze Wappengeschichte Österreichs unter den Babenbergern — Sinnbild der machtvollen, zielbewußten Entwiddung eines Herrscherhauses, das auf der Höhe seiner Erfolge ein plötzliches Ende fand, doch nur um das Erreichte weiterzugeben an die, die nach ihm kamen und weiterbauten an der Größe ihres Hauses und des österreichischen Staates.

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