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Der milde Markgraf

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Er ist der Landespatron Nieder-österreichs und ganz Österreichs. Die Stadt Wien verehrt ihn, neben Clemens Maria Hofbauer, als einen ihrer Schutzheüigen.

Aber bevor er noch, vor genau 500 Jahren, heüiggesprochen wurde, verehrte ihn schon das Volk Niederösterreichs und Wiens. Er ist einer von denen, deren Andenken nach dem Tod im Volk lebendig blieb und deren spätere Heiligsprechung nicht zuletzt die Konsequenz ihrer Beliebtheit war.

Ihm, dem heüigen Leopold, gut die Landesausstellung 85 im Stift Klosterneuburg. Die Heüigspre-chung vor 500 Jahren ist der Anlaß. Die Aktualität der Ausstellung hat aber noch viel tiefere Gründe.

Zu Lebzeiten hatte der heilige Leopold bekanntlich einen Beruf, der es denen, die ihn ausüben, nicht leichtmacht, als Heilige in die Geschichte einzugehen. Als Markgraf Leopold III. regierte er von 1095 bis 1136.

Ein wichtiger Punkt, der die Landesausstellung aktuell erscheinen läßt, hat bei der Heiligsprechung eine ausschlaggebende Rolle gespielt: Leopold war ein unbedingter Mann des Friedens, ohne dabei schwach zu sein.

Er hat sich zweimal, kurz lüid wirkungsvoll, gegen ungarische Angriffe zur Wehr gesetzt, aber nie selbst angegriffen und hat auch an den Kreuzzügen nicht teügenommen.

Die andere Begründung, mit der — dreieinhalb Jahrhunderte nach seinem Tod — die Heiligsprechung motiviert wurde, war die vorbüd-liche soziale Haltung des Babenbergers. In seiner kirchenfreundlichen Einstellung drückte sich nicht zuletzt auch seine soziale aus: Die Kirche bot damals, modern gesprochen, die Infrastruktur jeglicher Sozialarbeit.

Wer sich mit Entwicklungspolitik beschäftigt, weiß, daß es in Afrika und Lateinamerika heute noch so ist. Viele seiner kirchlichen Gründungen sind nicht zuletzt als soziale Investitionen zu verstehen. „Pater pauperum et clericorum” nannte ihn der Sohn in seiner Biographie: Vater der Armen und der Geistlichen. Das hat in jener Zeit zusammengehört.

Leopold, der Friedliche, und Leopold, der Soziale, hätte freilich nicht so stark „nachgelebt” und in die Zukunft gewirkt, wäre er nicht auch zum „österreichischen Staatssymbol” geworden. Zu den Eigenschaften eines Heiligen kamen die eines energischen und weitblickenden Staatsmannes.

Systematisch bringt Leopold den Raum von Wien in seine—und damit in die landesfürstliche — Gewalt, verdrängt die bayrischen Familien, betreibt eine konsequente Siedlungspolitik und stellt die Weichen zur österreichischen Eigenständigkeit.

In der Rivalität zwischen weltlicher und geistlicher Macht setzt er entschieden auf die Kirche. Schon sein Vater hat im Investiturstreit die Position des Papstes vertreten. Leopold III. verfolgt, weniger radikal, dieselbe Politik.

Zu seinem Persönlichkeitsbild gehört auch, daß er immer wieder, nicht aus Nachgiebigkeit, sondern aus rechtlichen oder politischen Erwägungen, Rechte aus der Hand gibt, etwa die Zehentrechte von 13 Pfarren, die er nach weltlichem, nicht aber auch kirchlichem Recht besitzt, zurück an den Passauer Bischof.

Auch im ursprünglich wohl als Bischofssitz geplanten Klosterneuburg verzichtet er auf Eigen-kirchenrechte und unterstellt das Stift dem Papst. (So kam Österreich erst viel später zu einem eigenen Bistum.)

Übrigens, die berühmte Gründungslegende vom bei einem Jagdausflug verwehten, in einem Holunderbaum hängengebliebenen Schleier ist nicht historisch: Klosterneuburg wurde auf römischen Ruinen errichtet.

Wichtige Voraussetzungen für sein Wirken, den finanziellen Rückhalt für seine vielen Stiftungen, sein Ansehen, verdankte Leopold III. dem Umstand, daß er durch die Heirat mit der Schwester des Kaisers, Agnes, vom gewöhnlichen Markgrafen zu einem der wichtigsten Reichsfürsten aufgerückt war.

Die Verehrung muß bald nach seinem Tod eingesetzt haben. Sie kam von unten, aus dem Volk. Wallfahrten und Lichtstiftungen sind noch aus dem 12. Jahrhundert bezeugt.

Der erste Herrscher, der Leopold offiziell verehrt, ist Herzog Albrecht II. im 14. Jahrhundert. Es ist bezeichnend, daß jener Habsburger, der sich als erster nicht mehr als Schwabe, sondern als Österreicher verstand, sich Leopolds entsann.

Das Haus Habsburg hatte natürlich gute Gründe, Verbindungen mit den Babenbergern zu betonen. Daß aber, so der wissenschaftliche Ausstellungsleiter Floridus Röhrig vom Augustiner-Chorherrenstift Klosterneuburg, der Habsburgerkaiser Friedrich III. tatsächlich von den Babenbergern abstammte und deren Blut in den Adern hatte, ist erst seit wenigen Jahren gesichert und wird in der Landesausstellung auch berücksichtigt.

Friedrich III., der letzte in Rom vom Papst gekrönte Kaiser, erreichte Leopolds Heiligsprechung. Für ihn war „historischer Rückhalt” sehr wichtig. Von der entscheidenden Rede im Heüig-sprechungsprozeß wurden drei Exemplare prachtvoll gebunden und Üluminiert. Auf Leopolds Mantel und Wappen prangt der Doppeladler des Kaisers, was sonst auf keiner Leopolds-Darstellung vorkommt... (Siehe Ab-büdung auf dieser Seite.)

Auch das moderne Österreich kommt gerne auf den „milden Markgrafen”, wie man ihn auch nannte, zurück, um sich seiner Identität zu vergewissern. Die intensive Leopold-Forschung der letzten Jahrzehnte hat auch mit unserem Staatsverständnis zu tun, und die Landesausstellung 85 geht ganz Österreich an.

Indem sie Leopolds III. Leben, seine Zeit, sein Nachleben in der Kunst und seine Nachwirkung als Staatssymbol Österreichs dokumentiert und dies dort tut, wo einst der „österreichische Escori-al” entstehen sollte, ist sie auch ein Bekenntnis zu uralter Eigenständigkeit.

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