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Dieses unser Wappentier...

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Mit dem Beitrag ihres Redakteurs Dr. Kurt Skalnik über den „schröcklichen Vogel“ hat die „Furche“ eine richtige Lawine von Zuschriften aus dem Leserkreis ausgelöst — ein Beweis dafür, daß es sich dabei nicht um einen sommerlichen Exkurs, sondern um eine längst erörterungsbedürftige Herzensangelegenheit weitester Kreise des Volkes handelt. Heraldiker, Künstler, Politiker, aber auch „bloß“ solche, die es aus reiner Liebe zur Heimat zu sprechen drängte, haben, zum Teil in gelassener, gleichsam fachlicher Ruhe und Sachlichkeit, zum Teil auch in temperamentvoller Art, dazu Stellung genommen und — bisher übereinstimmend — für eine Abänderung des derzeitigen österreichischen Bundeswappens plädiert. Wir greifen im nachstehenden aus der Fülle der Zuschriften einige bemerkenswerte heraus. „Die Oesterreichische Furche“

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Mit dem Beitrag ihres Redakteurs Dr. Kurt Skalnik über den „schröcklichen Vogel“ hat die „Furche“ eine richtige Lawine von Zuschriften aus dem Leserkreis ausgelöst — ein Beweis dafür, daß es sich dabei nicht um einen sommerlichen Exkurs, sondern um eine längst erörterungsbedürftige Herzensangelegenheit weitester Kreise des Volkes handelt. Heraldiker, Künstler, Politiker, aber auch „bloß“ solche, die es aus reiner Liebe zur Heimat zu sprechen drängte, haben, zum Teil in gelassener, gleichsam fachlicher Ruhe und Sachlichkeit, zum Teil auch in temperamentvoller Art, dazu Stellung genommen und — bisher übereinstimmend — für eine Abänderung des derzeitigen österreichischen Bundeswappens plädiert. Wir greifen im nachstehenden aus der Fülle der Zuschriften einige bemerkenswerte heraus. „Die Oesterreichische Furche“

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Schild oder Adler?

In einem zutreffenden Beitrag „Der Schröck -lichs Vogel“ hat die „Furche“ das Unbehagen ■wiedergegeben, das Oesterreicher und Freunde unseres Vaterlandes schon seit 1919 beim Anblick unseres recht unheraldischen und zu schweren Mißdeutungen herausfordernden Wappenadlers empfinden. Im folgenden soll versucht werden, der grundsätzlichen Auseinandersetzung konkrete Acnderungsvor-schläge anzufügen.

Das Ursprungsgebiet der in Schilden oder frei geführten Abzeichen, die wir Wappen nennen, ist wahrscheinlich das alte Vorderasien. Im antiken Kulturraum gab es zwar zahlreiche Entsprechungen dafür, aber die an Münzen oder Gebäuden angebrachten Bilder von Schutzgöttern oder diesen geheiligten Tieren waren naturalistisch aufgefaßt und keine stilisierten Embleme, wie es Wappen sein sollen. Am ähnlichsten ist einem solchen noch der oft bezeugte Adler Jupiters als Symbol des Imperium Romanum. Erst als gegen das Ende der Antike die orientalische Kultur ihren Siegeszug nach Westen antrat und zugleich die feudale Lebensform das hochantike Bürgertum überwand, tritt das Wappen in die abendländische Geschichte. Es ist immer Symbol und Abzeichen der Herrschaft, der Befehlsgewalt, und bezieht sich jahrhundertelang nicht auf kollektive Staatsgemeinschaften, sondern auf Personen und Dynastien. Erst durch die dauernde Bindung einer Dynastie an ein bestimmtes Gebiet wurde aus dem Familienwappen allmählich ein Staatswappen.

Auf welche Weise sind die Wappen entstanden? Man ist versucht, sie lediglich als Erzeugnisse einer zügellosen mittelalterlichen Phantasie zu betrachten — dem ist aber offenbar nicht so! Die scheinbar regellose Erfindung, die mit Löwen und Greifen, Winkeln, Kreuzen und Rauten und mit allen Farben des Regenbogens spielte, arbeitete zunächst nur ganz selten ohne bereits vorhandene Vorbilder und Vorlagen. Oft genug entwickelte sich ein Wappenbild organisch aus dem anderen. Dazu kam die klare, allgemein verstandene Sprache der Farben und Figuren, die ein förmliches Programm der Familie gaben und Glaube, Hoffnung und Liebe, Kühnheit, Mut und Klugheit bezeichnen sollten.

Hier zeigt sich deutlich, daß man ein Wappen nicht mit einer schwachen Annäherung an das Geschichtliche „erfinden“ kann, wie es bei unserem Bundeswappen geschah. Zum wenigsten das mitteleuropäische Traditionsbewußtsein verlangt, daß ein Wappen, das psychologisch wirken und das Staatsgefühl lebendig erhalten soll, trotz aller staatsrechtlichen Veränderungen gewissermaßen historisch echt sein soll. Es gibt keine demokratisch-republikanische Symbolsprache als Gegensatz zur monarchischen und aristokratischen, sondern nur ein Festhalten am heraldischen Erbgut — oder den Bruch damit!

Das heutige österreichische Wappen ist, so betrachtet, keine glückliche Lösung. Der Bin-denschüd ist daran das einzige, das an die österreichische Geschichte erinnert. Sonst wurde mit voller Absicht Zug um Zug ein Gegensatz zu dem kaiserlichen Adler der Monarchie geschaffen, der übrigens wohl aus Byzanz stammt und mit seinen zwei Köpfen das Weströmische und Oströmische Reich andeuten sollte: statt der zwei Köpfe einer — statt der stolz gebreiteten Flügel bescheiden geschlossene — statt Krone, Schwert, Zepter und Reichsapfel: Mauerkrone, Hammer und Sichel als Symbol der Zusammenarbeit von Arbeiter, Bauern und Bürger. Die letzteren Zutaten wären auch dann heraldisch untragbar, wenn sie keine Nebengedanken an Kommunismus und Revolution auslösen würden. Die Mauerkrone hat wohl ihren Platz in der spanischen, nicht aber in der österreichischen Heraldik, und Hammer und Sichel sind Arbeitswerkzeuge, keine Herrschaftssymbole, und gehören daher nicht in ein richtig entworfenes Wappen.

Eine Acnderung ist um so leichter möglich, als die österreichische Geschichte lang und

wechselvoll ist und daher verschiedene heraldisch und geschichtlich richtige Wappenlösungen ermöglicht. Nicht zu empfehlen ist da nur der einköpfige Adler der ersten Herzöge. Wir kennen seine Farben nicht, da er nur auf Siegeln überliefert ist, und er scheint nur geführt worden zu sein, solange die Babenberger auf Niederösterreich und Teile Oberösterreichs beschränkt waren.

Ganz anders ist es mit dem Bindenschild. Dieser deckte zweifellos das gesamte Gebiet des sich fortwährend vergrößernden mittelalterlichen Oesterreich — er wird seit der Linienteilung des habsbur-gischen Hauses zu Neuberg (1379) von beiden Linien, der albertinischen und der leopol-dinischen, gemeinsam geführt und erscheint auf dem aufschlußreichen Siegel des letzten Albertiners Ladislaus Posthumus (1452 bis 1457) gewissermaßen als Schnittpunkt, um den sich die Länderwappen gruppieren. Auch später ist dieser Schild, der Reinheit und Liebe symbolisiert und die Farben der Lehenfahne des Heiligen Reiches (seit etwa 1190 weißes Kreuz in Rot) wiederholt, während der ganzen langen Dauer unserer Geschichte in irgendeiner Form geführt worden. Der Bindenschild ist wirklich das österreichische Wappen schlechthin, seit es um 1200 zuerst erscheint. Es wäre daher durchaus berechtigt, auf den Adler überhaupt zu verzichten und den Bindeschild entweder allein oder umgeben von den Wappen der Bundesländer als Abzeichen zu verwenden.

Bis zum Jahre 1804, der Bildung des Kaisertums Oesterreich, kennt also das österreichische Wappen überhaupt keinen Adler. Wohl aber führen die Habsburger den königlichen Vogel als Kaiser des Heiligen Römischen Reiches, das kein deutscher Nationalstaat, sondern eine übernationalkatholische Staatenvereinigung war und daher mit der übernationalen österreichischen

Idee keineswegs im Widerspruch steht. Dieser Kaiseradler ist vom Anfang des 13. bis zum Anfang des 15. Jahrhunderts einköpfig, von da an ein schwarzer Doppeladler, der bis zum 17. Jahrhundert wohl Kopfscheine, da das Reich ein heiliges ist, aber weder die Krone noch irgendein anderes Symbol trägt. Der Uebergang zum Doppeladler hängt wahrscheinlich mit der Eroberung des Byzantinischen Reiches durch die Türken zusammen. Bisher hatte der abendländische Kaiser die römische Weltherrschaft mit dem byzantinischen teilen müssen, nun war er allein übrig. Seit dem 16. Jahrhundert erscheint dieser Kaiseradler oft mit dem österreichischen Bindenschild auf der Brust, seit dem 17. mit Krone, Zepter und Apfel. Der Bindenschild wird seit dem 19. Jahrhundert durch ein österreichisch-habsburgisch-lothringisches Gemeinschaftswappen auf der Brust des Adlers verdrängt, erscheint aber 1917 bei der letzten Wappenänderung der Monarchie nochmals.

Wenn wir also auf den Adler als Staatswappen nicht verzichten wollen, so steht durchaus nichts im Wege, daß wir den Kaiseradler des 16. Jahrhunderts ohne Krone und sonstige monarchische Symbole, aber mit Kopfscheinen und Bindenschild übernehmen und in seinen Flügeln die Wappen der Bundesländer anbringen, deren heraldische Berücksichtigung ohnehin notwendig ist. Wenn irgendein Staat das Recht hat, den Kaiseradler des Heiligen Reiches auch heute zu führen, so ist es Oesterreich, der Verteidiger des Abendlandes seit einem Jahrtausend, der Träger des Kaisertums durch fast vier Jahrhunderte! Sinnfällig würde uns dieses ehrwürdige Bild an unsere abendländische Mission erinnern.

Ganz nebenbei sei noch eine Lösung angedeutet, die zwar nicht geschichtlich, wohl aber heraldisch zu vertreten wäre: Man könnte den gegenwärtigen Adler belassen und ihm nur Mauerkrone, Hammer und Sichel nehmen. Das wäre dann wenigstens noch tragbar. Dr. Wilhelm Böhm

Weder schön noch sinnvoll

Auch auf die Gefahr hin, heftigen Widerspruch auszulösen, sei hier der Versuch gewagt, Kritik an Oesterreichs Wappentier zu üben, dessen Ausstattung oder Ausrüstung wahrhaftig nichts weniger denn schön ist und selbst schon zu unliebsamen Verwechslungen geführt hat. Dabei bemüht man sich noch, den Vogel möglichst dürftig und zerzaust zu zeigen, das feindselig rollende Auge blutunterlaufen: ein unerfreulicher Anblick.

An ein Wappen sind zwei Hauptforderungen zu stellen: es soll schön sein und sinnvoll. Schön, daß es das Auge erfreue, schön, daß es wie heiliger Schauer über die Menschen flutet, wenn des Vaterlandes Symbol zu festlicher Stunde am Fahnenmast in das Blau des Firmamentes steigt. Aber schön ist unser Wappen nicht. Denn so ■ ehrsam und wertvoll Sichel und Hammer als Werkzeuge sein mögen, so nützlich manchmal selbst Ketten: als Attribute eines Wappentieres verstoßen sie gegen alle Gesetze der Aesthetik. Der öldurchtränkte Schlosseranzug, die blutbefleckte Fleischerschürze, der rußige Dreß des Rauchfangkehrers sind ehrbare Kleidungsstücke, aber zum Sonntag und zu jeder festlichen Gelegenheit legt sie der Arbeiter ab und holt aus dem Schrank sein Bestes und Schönstes.

Man mag einwenden, daß auch andere Staaten, Städte oder Geschlechter häßliche Wappen führen, Wappen, verunschönt durch für Wappen nicht geeignete Attribute. So etwa die erst 1903 zum zweitenmal selbständig gewordene Republik Panama, die neben anderen Symbolen auch eine mit einer Krampe (Beilpicke) gekreuzte Schaufel im Wappen hat (Bau des Panamakanals). Audi das Wappen der Stadt Schärding zeigt neben anderen Dingen ein profanes Werkzeug: eine Schere, und auf dem Wappen der Grafen Ueberackep von Sieghartstein muß man gar die zwei Hälften eines zerbrochenen Wagenrades wahrnehmen.

In diesen Fällen paralysiert aber der tiefere Sinn der Symbole, ihr Bezug auf die spezifische Geschichte des Staates, der Stadt oder

des Geschlechtes wenigstens zum Teil deren Unschönheit.

Und wie ist es um den Sinn unseres Wappens bestellt? Deutet es an, was dem Lande im besonderen eignet?

Mauerkrone, Sichel und Hammer weisen auf die drei großen Stände: Bürger, Bauer und Arbeiter. Sichel und Hammer sind die Werkzeuge, mit denen ein Großteil des Volkes sein Brot verdient. Ist das jedoch etwas für Oesterreich Charakteristisches oder könnten Sichel und Hammer nicht fast alle Staaten der Welt im Wappen führen? Müßten da die Oesterreicher ihrem Vogel nicht auch noch eine Schreibfeder ins Gefieder stecken und ein Tintenfläschchen um den Hals hängen, damit auf das Heer jener unserer Landsleute hinweisend, die in den Kanzleien sitzen?

Doch Spaß beiseite: Es ist klar, daß unser Wappen auch der Forderung nach dem „Sinnvollsein“ nicht entspricht.

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