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Der sehröckliche Vogel

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Der österreichische Bundcsadler hat Furcht und Schrecken verbreitet. Nicht an Oesterreichs Grenzen, denn dort kennt man wohl die Zahmheit unseres Wappentieres, sondern tausende Meilen vom heimischen Horst entfernt, in Colombo, der Hauptstadt von Ceylon. Auch waren es nicht der drohend geöffnete Schnabel, der mächtige Flügelschlag, die beutegierigen Fänge, die den ceylonischen Handelsminister Böses ahnen ließen, aber der von eben diesen Krallen umklammerte Hammer auf der einen und die Sichel auf der anderen Seite mahnten zur Vorsicht.

Hammer und Sichel! Auf der ganzen Welt kennt man diese Symbole des Kommunismus — und liebt sie oder liebt sie nicht, je nach dem Breitegrad.

Der Fall schien klar: ein Land, das da drüben in der Mitte Europas liegt, auf dessen Boden dem Vernehmen nach Soldaten der östlichen Weltmacht stehen und das außerdem noch Hammer und Sichel im Staatswappen führt, kann doch nur eine Volksdemokratie, ein kommunistischer Satellitenstaat sein. Also dachte die Exzellenz im fernen Colombo und gab den Auftrag, alle Importe, die mit dem seltsamen hammerund sichelbewehrten Vogel versehen sind und als deren Absenderadrcsse: „Austria“ angegeben ist, der strengen, für Einfuhren aus kommunistischen Ländern vorgesehenen Kontrolle zu unterziehen.

Nun, der Irrtum wurde inzwischen restlos aufgeklärt, und die Regierung von Ceylon hat sogar in ihrem Amtsblatt durch eine Entschuldigung gleichsam eine Unbedenklichkeitserklärung für unser Wappentier abgegeben. Der Fall ist vorerst erledigt.

Es war übrigens nicht das erste Mißverständnis, das Oesterreichs „republikanischer Bundesadler“ im internationalen Verkehr hervorrief. Auch in verschiedenen südamerikanischen Staaten beäugte man ihn zunächst sehr mißtrauisch, und es bedurfte geraumer Zeit, vieler Erklärungen und Beweise, um alles Mißtrauen zu zerstreuen, der hammerund sichelbewehrte Aar werde dunkelrote Eier ausbrüten. Viele Fremde aber schließen

beim Anblick des Bundeswappens auf den Zollhäusern blitzschnell, im Lande, wo der Aar noch haust, könne der kommunistische Einfluß doch nicht so gering sein, wie man immer behauptete; wie könnten sich anders noch immer die sicher 1945 eingeführten Embleme des Weltkommunismus im österreichischen Staatswappen halten ...

Sie alle kennen nicht die Vorgeschichte. Diese ist eigentlich ziemlich traurig. Denn sie erzählt von einem kleinen Staat, Kern und zugleich Rest eines großen Vielvölkerreiches. Als dieses Reich zerfallen war, suchte der kleine Staat einen neuen Weg in die Zukunft. Einen neuen Weg, eine neue Fahne und ein neues Wappen. Ueber die Fahne gab und gibt es im Gegensatz zu anderen Ländern — in Deutschland ringt noch immer Schwarzrotgold mit Schwarzweißrot — keine Diskussion. Die rotweißrote Fahne, gehißt, von brutaler Gewalt herabgeholt und nach langen Jahren wieder aufgezogen, ist allen die dieses Land lieben, teuer. Anders ist es mit dem Bundeswappen. Es konnte sich bis heute nicht die Herzen erobern. Kein Wunder, ist doch unser Bundesadler eine reine Schreibtischkonstruktion des Jahres 1918, die einem Heraldiker nur Schrecken einjagen kann. Der historische Doppeladler war verfemt, die Frage des Anschlusses an die Republik von Weimar noch offen Also herbei mit einem Adler, der seinem deutschen Nachbarn ähnlich sieht. Ein an sich gutgemeinter Gedanke: die Zusammenarbeit der drei Stände — Bürger, Bauern und Arbeiter — als Fundament der Republik zu symbolisieren, lud dem neuen Wappentier eine Mauerkrone auf das Haupt, drückte ihm Hammer und Sichel in die Fänge. Der Bundesadler war geboren. Das Jahr 1945 fügte die gesprengten Ketten hinzu.

Es hätte nicht des Mißtrauens des ceylonischen Ministers für Handel und Verkehr bedurft, um einmal die Frage des Bunde s Wappens zur Diskussion zu stellen. Jetzt, mitten in den Parlamentsfericn, ist zwar nicht die Zeit, sie auch gleich durchzufechten. Aber bestimmt ist zu gegebener Zeit noch Anlaß dazu.

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