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Ein „festlich gestimmter Werktag“

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Der schon von den Pfadfindern vor dem Krieg propagierte staatsbürgerliche Festtag wurde 1955 als „festlich gestimmter Werktag" zum Termin des endgültigen Abzuges der Besatzungsmächte und der Beschlußfassung über die immerwährende Neutralität Österreichs eingeführt. Obwohl der 26. Oktober jahreszeitlich sehr günstig liegt

— sozusagen symmetrisch zum traditionellen Feiertag der Arbeiterschaft

— ist der Tag der Fahne bis heute eine halbe Sache geblieben. Hauptursache hierfür dürfte (neben der mehr instinktiven als sachlichen Opposition der österreichischen Linken) der Wider- standder Wirtschaft gegen eineniarbeits- freien Tag sein. Leider haben auch die verantwortlichen Stellen bisher gemeint, die Begehung des „stillen Staadfeiertages" auf Schuljugend und Bundesheer beschränken zu dürfen. Daß ein den Erwachsenen unbekannter oder von ihnen ignorierter Staatsfeiertag auch bei der Jugend nicht Wurzel fassen kann, liegt auf der Hand.

Eine elegant-österreichische Kompromißlösung wäre die gesetzliche Einführung eines halbtägigen Staatsfeiertages. Könnten Schulen und Bundesheer die Feiern vormittags abhalten, würde in den Betrieben bis zu Mittag gearbeitet werden.

Daß es an der Zeit wäre, auch die österreichische Bundeshymne (eingeführt durch bloßen Ministerrats beschluß vom 22. Oktober 1946) gesetzlich zu verankern, und sich so mit ihrer Realität und Verbreitung endgültig abzufinden, mag am Rande erwähnt werden …

Die Republik Österreich ist wohl der einzige Staat der Welt, in dem die Staatsflagge in allen möglichen Formaten — von der endlos langen Hausfahne bis zur fast quadratischen Flagge am Wagen des Bundespräsidenten — verwendet wird. Diese Praxis müssen sich auch ausländische Besucher bei den zu ihrer Begrüßung verwendeten Flaggen gefallen lassen — man denke nur an den bei uns oft wie in einem Spiegelkabinett in die Länge gezogenen Union Jack! Es sei ah dieser Stelle ausdrücklich festgestellt: das richtige Format von Flagge und Fahne ist zwei zu dre i !

Artikel 2, Wappengesetz 1945, schreibt allen Dienststellen der staatlichen Hoheitsverwaltung vor, im Mittelfeld der Flagge das Bundeswappen zu führen.

Diese Bestimmung ist bisher so gut wie gar nicht durchgeführt worden, fehlen doch selbst den Flaggen vor Österreichs repräsentativstem öffentlichen Gebäude, dem Parlament, die Bundeswappen! Umgekehrt führen die Fahrzeuge der Strompolizei entgegen dem geltenden Gesetzestext das Staatswappen nicht im Mittelfeld ihrer Flaggen, sondern — nach den diesbezüglichen Bestimmungen aus der Zwi schenkriegszeit — im linken oberen Eck. Daneben sieht man die österreichische Dienstflagge in den abenteuerlichsten Zeichnungen, von denen nur jene erwähnt seien, bei denen das Wappen nicht, den internationalen Gepflogenheiten entsprechend, mit Mauerkrone und Schwanzfedern in die roten, horizontalen Streifen reicht, sondern bei denen die roten Streifen lotrecht angeordnet sind oder die für das Wappen einen weißen Mittelkreis ä la Hakenkreuzfahne aussparen.

Es besteht somit ein echtes Bedürfnis, die genaue Zeichnung von National- (= Handels-) und Dienstflagge allgemein-verbindlich, das heißt, durch Publikation im Bundesgesetzblatt, festzulegen. Diesbezügliche Entwürfe, wie auch der Entwurf für eine repräsentative Dienstflagge des Staatsoberhauptes, wurden bereits erstellt.

In engem Zusammenhang mit dem Problem der richtigen Darstellung der Dienstflagge steht die Frage der ständigen Beflaggung gewisser Gebäude der Hoheitsverwaltung. In einem Staat, der halbwegs auf sich, hält, sollte man wenigstens die Ministerien und Gerichte während der Dienststunden mit einem nach außen sichtbaren Hoheitszeichen versehen. Auch die Gebäude der Bezirkshauptmannschaften und Gendarmerieposten könnten nur gewinnen, wenn sie durch eine geschmackvoll gehißte Dienstflagge als dem Symbol der Wachsamkeit und Sorge für die Gemeinschaft etwas Le-

ben erhielten. Freilich kostet eine ständige Beflaggung Geld. Dennoch müßte man sich, auch in Österreich zu einem Minimum an Symbolkultur entschließen. Man beobachte nur die Sorgfalt und Achtung, mit der Schwei-

zer und Skandinavier, Amerikaner und Franzosen ihre staatlichen Symbole behandeln. Formatrichtige Nationalflaggen sind in diesen Ländern überall erhältlich, bei Neubauten wird der Platz für die Fahne architektonisch eingeplant.

Aufklärung der Bevölkerung

Die notwendigen gesetzgeberischen Maßnahmen und die Aufklärung der Bevölkerung über das genau Aussehen, die Bedeutung undiridhtige Verwendung der staatlichen Hoheitszeichen hat nichts mit Obrigkeitsfimmel zu tun und entspringt auch nicht einem billigen Hurrapatriotismus. Für unser freiheitlich-demokratisches Staatswesen sind diese Dinge vor allem eine Frage der Form und des guten Geschmackes — vergleichbar etwa der jedem kultivierten Österreicher selbstverständlichen Verpflichtung, einer repräsentativen Veranstaltung, einer Opernaufführung oder einem Empfang, in entsprechender Kleidung beizuwohnen. Daneben aber bedeutet die Weckung des Verständnisses für die staatlichen Symbole und ihre Achtung die Erziehung zu gesundem Staatsbewußtsein und staatsbürgerlicher Mitverantwortung. Aus diesem Grunde sollten auch die Wahllokale am Wahltag rotweißrot beflaggt sein. So berechtigt und wünschenswert die Verwendung der Farben der Bundesländer bei allen Anlässen ist, so verfehlt ist ihre Verwendung ohne die Nationalfarben eingerissen.

Der Schuljugend sollte die Liebe zu den österreichischen Farben auf schönere Art als durch Papierfähnchen eingegeben werden — vielleicht durch eine vom Elternverein gestiftete Tragfahne im Klassenzimmer, wie dies in den Vereinigten Staaten allgemein üblich ist.

Bestimmungen über die Rangordnung hätten die Präzedenz der Hoheitszeichen internationaler Organisationen (UNO, Europarat, Olympisches Komitee, Rotes Kreuz) vor nationalen zu betonen; umgekehrt sollte man manchen Beherbergungsbetrieben klar machen, daß das Hissen einer ausländischen Flagge ohne das gleichzeitige Zeigen der rotweißroten Farben, zumindest eine Geschmacklosigkeit ist.

Schließlich wäre die richtige Verwendung von Fahne und Flagge bei Trauerfällen festzulegen und darauf zu sehen, daß der Gebrauch der österreichischen Farben für bloß dekorative Zwecke möglichst unterbleibt. Wann wird man etwa einsehen, daß es falsch ist, ein Rednerpult mit einem Flaggen- tuch zu bespannen — noch dazu in den Farben Perus! (Peru führt Rotweißrot quergestreift als Fahne.) Ein Wappen oder eine Tragfahne zur Rechten de" Redners sind ein ebenso schöne Schmuck wie Grünpflanzen.

Es würde den Rahmen dieser kriti sehen Auseinandersetzung mit der ge genwärtigen Praxis in der Verwenduni der staatlichen Symbole sprengen, au weitere Einzelheiten einzugehen. Zu sammenfassend sei festgestellt, daß e nach fast zwei Jahrzehnten Österreich! sehen Wiederaufbaues, Pflicht alle staatsbejahenden Kräfte ist, dafür z sorgen, daß die nach dem wechselvol len Schicksal unseres Vaterlandes npj endlich ganz uns gehörigen, traditięj. nellen Hoheitszeichen Österreichs den ihnen gebührenden Rang erhalten.

Ein Kulturstaat soll auch eine Symbolkultur besitzen.

(1:1,618); der Hauptunterschied zwischen Flagge und Fahne, liegt- darin, daß die erstere gehißt, die letzere getragen wird.

1" Entsprechend dem Goldenen Schnitt

* Bedauerlicherweise opferte man das alte Symbol des Doppeladlers, dem durchaus auch eine „republikanische Fassung“ zu geben ist. Ein Treppenwitz der Weltgeschichte: das kommunistische Albanien führt auch heute noch einen Doppeladler im Wappen.

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