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Die reichste Waffensammlung der Welt

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zogen wird, die — sicherlich besser — aber nicht himmelweit besser als die unsrigen sind. Außerdem sagt sie, daß man für dasselbe Geld früher zwei und jetzt infolge des vermehrten Aufwands nur eine Klasse baut. Die zweite Statistik ist bedeutsamer noch: sie zeigt, in zwei Diagrammlinien die Zahl der Schulkinder und die Zahl der Neubauten. Diese letztere sank in den Kriegsjahren gewaltig. Es entstand aber, wie bei uns, an Kindern ein Plus, an Schulen ein Minus, welches heute — indes die Kriegsgefahr bereits wieder steigt — noch lange nicht eingebracht ist. In dürren Worten heißt dies: wenn die für Schulbauten verfügbare Rate des nationalen Einkommens durch irgendeinen Notstand kleiner würde, dann bleibt das Minus an Schulklassen bestehen oder wird sogar noch größer. Selbst im reichen Amerika könnte dies geschehen und wahrscheinlich würde man die nicht loben, die statt zwei nur eine Klasse gebaut haben. Damit hätten wir also endlich den Sinn der Schlagzeile: „stehen vor einer Krisis“ begriffen.

Wenn man Lust hat, das Bauwesen als schicksalhaft anzusehen, wenn man der Meinung ist, daß jedes Versagen in ihm zu einem großen Teil selbstverschuldet ist, so kann man noch eine tiefere Schicht des Problems bloßlegen: man braucht nur die Frage stellen, ob es • wichtiger ist, schöne Schulen zu bauen oder lebenstüchtige Kinder zu erziehen. Auf einmal wird es jedem verständigen Menschen klar, daß das unzweifelhaft wichtigere, die Kinder, möglicherweise durch die Traumlandschulen nicht so sehr gefördert werden, als die Mehrausgabe rechtfertigt. Es ist nicht notwendig, gleich das Spartanische: Taygetos und schwarze Suppe eu wollen. Es gibt zu denken, daß dieses spartanische Erziehungsideal durch zweieinhalb Jahrtausende in den Büchern hohen Respekt genoß. Und ebenso, daß die Habsburger und andere große Häuser ihre Kinder oft außerordentlich streng, karg erzogen. Das Jahrhundert des Kindes hat uns auf die Hochschulen nicht tüchtigere, sondern minder ausgebildete Intelligenzen geschickt. Ich glaube nicht, daß irgendein befragter Pädagoge anderer Meinung ist. Wie es auch sei: die Möglichkeit, daß das Schulklassenminus in Amerika bestehen bleibt, verbunden mit der Wahrscheinlichkeit, daß die Wunderlandkinder nicht tüchtiger sind als die auf gewöhnliche Weise erzogenen, läßt es als klüger und verantwortungsbewußter erscheinen, erst den Notstand zu beseitigen und dann den Luxus zu schaffen. Dies zu konstatieren, ist für Amerika gewiß nicht, für uns — vielleicht, kann sein — überaus wichtig.

Denn: man muß bei uns das Schulbauproblem ebenso wie das Wohnbauproblem noch von einer ganz anderen Seite betrachten, welche für Amerika keine Bedeutung hat. In Amerika sind viele dieser großartigen Schulen nicht aus öffentlichen, sondern aus privaten Mitteln (Religionsgemeinschaften usw.) geschaffen worden. Bei uns aber wird beides aus dem gleichen Säckel, dem des Staates, bezahlt. Ergibt sich nun irgendwo ein Minus, so erscheinen die, die auf der Plusseite sind, als die „Bevorzugten“. Das Problem spielt auf einmal in das des sozialen Friedens hinüber. In der Notzeit ist dies gefährlich, noch schlimmer: es- ist dumm, ohne daß Zwang vorläge, den Boden weiter zu unterhöhlen. So besehen, behalten selbst die unrecht, die sonst recht hätten, das Maximum des Schönen ohne große Rücksicht auf die Kosten zu verlangen. Außerdem ist die Lage der Architektur auf der ganzen Welt so, daß In einer Ubergangszeit keineswegs „ewige“ Werte, sondern eben nur Ubergangswerte geschaffen werden. Selbst die amerikanischen Schulen bezaubern ja weniger durch die Formgebung, sondern vielmehr durch die Luftigkeit, Wasser-und Baumeinbeziehung, durch manches frappant Neuartige des Materials. Dies ist sehr viel. Aber die Baukunst zielt auf Größeres, in welchem die S t r e n g e, die Entsagung — der große Charakter — Platz hat. Der ist vielleicht in den amerikanischen Beglückungs-schulen ein wenig kurz geraten. Ihr „Stil“ ist vorderhand noch kunterbunt.

Zwei Abteilungen des Kunsthistorischen Museums in der Neuen Burg, die Waffensammlung und die Sammlung alter Musikinstrumente, jede in ihrer Art einzig, haben in der Osterwoche dem Publikum neue Säle zugänglich gemacht, die diesmal im Gegensatz zu früheren Ausstellungen bereits in bleibender Form geboten werden.

Die Waffensammlung zeigt einen Schauraum mit orientalischen Gegenständen, denen höchstens Konstantinopel, Moskau und Karlsruhe an Bedeutung ähnliches zur Seite stellen kann. Gleich beim Eintritt in den Saal begrüßt den Besucher das große Staatszelt eines türkischen Heerführers aus weinrotem Goldbrokat mit grünem Dessin, wie ja der ganze farbige Eindruck des Raumes durch den Zusammenklang von Rot und Grün, den heiligen Farben des Islam, beherrscht wird. Freilich muß sich die Phantasie des Beschauers die kostbaren Wandbehänge des Zeltinneren und die Teppiche und Polster hinzu denken, da von der Ausstattung nur ein niedriger Tisch mit Ledermosaikplatte eine Vorstellung vermittelt. Rot und Grün leuchtet der Sandschak-Scherif, die Blutfahne des türkischen Heerführers und seine Würdezeichen, die Roßschweife, flankieren das Zelt; neben dem indischen geraden Hiebschwert stehen türkische und ungarische Prunksäbel und späte korallen- und perlmutterbesetzte Hieb- und Feuerwaffen. Bogen und Pfeile mit ihren Köchern stellen an Bemalung und Lederapplikation wohl das Schönste dar, was auf dem Gebiet des Ornaments je ersonnen wurde. Freilich sehen wir die Bogen nicht mehr so wie einst, denn sie sind entspannt und mußten zur Spannung von dem sich niederkauernden Mann im Gegensinne umgebogen werden, an welche Stellung noch die Tanzfiguren vieler östlicher Volkstänze bis zum ungarischen Csardas erinnern. Ringe aus Halbedelstein oder Bronze schützten den Daumen des Kriegers vor der Sehne. Aber nicht nur die anonyme Waffe findet sich im Saal: viele Stücke gemahnen an bekannte Persönlichkeiten jener langewährenden Auseinandersetzung mit dem Osten. Hier liegt der Panzerhandschuh Suleimans des Großen, der Wien 1529 belagerte; nicht weit davon stehen die Streitbeile mamelukischer Fürsten und der Panzerstecher, den man dem 1532 bei Baden gefallenen Streifscharenführer KasdianBeg abnahm, oder der Helm des Renegaten Mohammed Sokolowitsch. Hermelinpelz, Sturmhaube und Säbel sind Reliquien des heldenhaften Verteidigers von Sziget, Nikolaus Zriny, und mehrere Stücke gemahnen an den Großfürsten von Siebenbürgen, Michael II. Apaffy. Noch ist auf seinem Streitkolben in verblaßter Schrift zu lesen, daß es sich um Huldigungsgeschenke an den Kaiser Leopold I. handelt, dessen Heere den Fürsten auf die Seite des Abendlandes zwangen.

Aber nicht nur jene ernsten Zeugen der Geschichte gibt es hier, auch Zeugen des tiefen Eindrucks, den die aufs höchste verfeinerte Kultur des orientalischen Ornaments, den das Exotische und Fremdartige schlechthin auf den abendländischen Menschen der Spätrenaissance gemacht hat, sind vertreten. Ungarische und polnische, auch Wiener und süddeutsche Goldschmiede nahmen sich die Kunst des Orients zum Vorbild, wie das mittlere der Pferdezeuge Erzherzog Ferdinands von Tirol vom Wiener Goldschmied Nikolaus Groß und die .Silberne Husarische Rüstung“ desselben Besitzers — wohl von der Hand eines Augsburgers — beweisen. Erzherzog Ferdinand hielt als Jüngling auf den Burghöfen von Prag und Wien 6eine husarischen Turniere ab und ließ diese im Bild festhalten. Und fast alles, was zu solchen Turnieren gehörte: Pferdezeug, Säbel, Sporen, eiserne Türken- und Mohrenkopfmasken, Lanzen und Schilde, gruppieren sich rings um jene Bilder und geben einen lebendigen Eindruck vom Treiben an der Grenze zweier Kulturkreise.

Die Sammlung alter Musikinstrumente bringt in drei neuen Sälen eine Übersicht über die Arten der europäischen Blas-, Zupt- und Streichinstrumente in erlesenen Stücken, die bis ins 16. Jahrhundert, in die Ambraser Sammlung Erzherzog Ferdinands von Tirol zurückreichen. Gemälde alter Meister mit der Darstellung von Musizierenden machen die Aufstellung lebendig. Von den Lauten, Cistern, Theorben, Gamben und Drehleiern bis zur Viola und den Miniaturgeigen der Tanzmeister und den Modellen von Musikinstrumenten fehlt nichts in der Reihe europäischer Geschichte des Musizierens. Herrliche silberne Trompeten des 16. bis 18. Jahrhunderts und Musikautomaten der Spätrenaissance folgen in dem prunkvollen Marmorsaal, der auch für musikalische Ver-anstaltunqen vorgesehen ist. Diese Neuaufstellung bildet die Ergänzung zu dem schon lange geöffneten Saal mit Cembali und Klavieren,'an denen oftmals der Name eines der Großen aus dem Reiche unserer Musik haftet: Beethoven, Haydn, Mozart spielten auf diesen Instrumenten ... Dr. Ortwin Gamber

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