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Sanierung der Staatssymbole

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Mit der Ausarbeitung eines Gesetzentwurfes „zum Schutze der öffentlichen Wappen und Siegel sowie der Staatsfarben“ hat das Bundesministerium für Inneres eine zunächst durchaus begrüßenswerte Initiative ergriffen. Soll doch durch das bereits am Ende des Begutachtungsverfahrens stehende „Symbolschutzgesetz“ eine seit Jahrzehnten ungeklärte Rechtslage bereinigt werden.

Es geht dem Innenministerium hauptsächlich um rechtlich einwandfreie Bestimmungen hinsichtlich der Führung und Verwendung der öffentlichen Wappen und Siegel, der Verleihung derselben an private Bewerber und um Strafsanktionen im Falle von Mißbräuchen. Die Dringlichkeit einer Regelung ergibt sich vor allem aus dem Vorliegen zahlreicher Anträge um Bewilligung der Führung des Staatswappens, die mangels einer den heutigen Erfordernissen entsprechenden Rechtsgrundlage nicht erledigt werden können.

Die Staatssymbolik der Republik Österreich hat vier Hauptelemente. Es sind dies: das Wappen der Republik, die Staatsfarben, die Bundeshymne und der Nationalfeiertag. Für jedes dieser vier Elemente wechseln die Bezeichnungen (zum Beispiel „Staatshymne“ und „Volkshymne“ für „Bundeshymne“) — ein erstes Indiz für mangelnde Verankerung im Bewußtsein der Bevölkerung und mangelhafte rechtliche Basis. Aber stellen wir die Frage der richtigen Bezeichnung vorerst einmal zurück.

• Das Wappen der Republik Österreich wurde mit Gesetz vom 8. Mai 1919, StGBl. Nr. 257, eingeführt. Art. 1 dieses Gesetzes enthält eine genaue Beschreibung des Wappens, eine Zeichnung wurde als Anlage promulgiert. Durch das Wappengesetz vom 1. Mai 1945, StGBl. Nr. 7, ein einfaches Bundesgesetz, wurde das im Verfassungsrang stehende Wappengesetz 1919 interpretiert und novelliert — ein bis heute nicht saniertes Husarenstück der Gesetzgebung der Zweiten Republik. Der Art. 1 des Wappengesetzes 1945 gibt dabei eine sehr brauchbare Erklärung von Hammer, Sichel und Stadtmauerkrone und ergänzt das ursprüngliche Wappen um zwei gesprengte Ketten. Im StGBl. 22/1945 wurde die neue Zeichnung verlaut-bart.

• Die Staatsfarben wurden zuerst im Gesetz vom 21. Oktober 1919, StGBl. Nr. 484 („über die Staatsform“), geregelt. Dort heißt es in Art. 6: „Die Flagge der Republik besteht aus drei gleichbreiten waagrechten Streifen, von denen der mittlere weiß, der obere und der untere rot Ist“, und: „Durch Vollzugsweisung wird bestimmt, auf welchen Flaggen überdies das Staatswappen anzubringen ist.“ Im Wappengesetz 1945 (Art. 2) war man noch lakonischer und bestimmte: „Die Farben der Republik Österreich sind Rot-Weiß-Rot, die Flaggen und Banner, die von staatlichen Behörden, Einrichtungen und Anstalten geführt werden, zeigen Im Mittelfeld das Wappen der Republik.“ Folge dieser allgemeinen Regelung: kaum eine Behörde oder Einrichtung des Bundes, nicht einmal der Nationalrat, führt, wenn sie die Flagge zeigt, darin das Wappen (die Ausnahmen Präsident-echaftskanzlei und. Bundeskanzleramt bestätigen die Regel), Die Frage, was unter „Mittelfeld“ in der Proportion zum Flaggenformat zu verstehen sei, wurde nie geklärt (vergleiche Peter DIem: „Symbolkultur: mangelhaft“, „Furche“ Nr. 43/1983),

• Die Bundciht/mnc, „wild um-fehdet, heiß umstritten“ nach ihrer Einführung und erst in den letzten Jahren in der österreichischen Bevölkerung verankert, verdankt ihre Verbindlichkeit überhaupt nur einem Ministerratsbeschluß, dessen genaue zeltliche Fixierung im Dunkel der Frühgeschichte der Zweiten Republik gar nicht so einfach ist • Der Nationalfeiertag schließlich ist zum Zeitpunkt dieser Betrachtungen zwar durch Bundesgesetz vom 25. Oktober 1965 zeitlich und im Hinblick auf seine Bedeutung für das Selbstverständnis Österreichs determiniert, aber eine dauerhafte Lösung der Frage der Arbeitsruhe konnte noch nicht getroffen werden. Somit gilt auch hier der für alle Seiten der Problematik „nationaler Symbole“ anwendbare Satz Grillparzers: „Das ist der Fluch von unserem Hohen Haue...“

Wie schon angedeutet, zeigt sich die Verwirrung um die mit dem österreichischen Schicksal in diesem Jahrhundert so eng verflochtenen Symbolformen schon In der Bezeichnung. Dabei läßt sich eine deutliche Entwicklung vom rein staatsrechtlichen Begriff zu dem Im Volk emotionell verwurzelten Wort beobachten. Sprach man im Zeichen der Uberwindung der Monarchie vom „Wappen der Republik“ und der „Flagge der Republik“, so gelangte man über die „Bundeshymne“ zum Zeitpunkt der Großjährigkeit der Zweiten Republik zum Begriff des „Nationalfeiertages“. Kurzum, im losen Sprachgebrauch sind die Begriffe „Republik“, „Staat“, „Bund“ und „Nation“ beinahe synonym geworden. Es ist Aufgabe des Gesetzgebers, hier der Entwicklung Rechnung zu tragen, ohne die legistischen Regeln zu mißachten.

Diese Problematik sieht auch der Gesetzesentwurf des Innenministeriums, der mittels Verfassungsbestimmung das „Wappen der Republik“ im Hinblick auf die zahlreichen gesetzlichen Bestimmungen, in denen das „Bundeswappen“ bereits vorkommt, auch als solches offiziell bezeichnen möchte. Das ist im übrigen die einzige Bestimmung, die nach Ansicht der Herrengasse Verfassungsrang erhalten sollte. Damit aber sind wir bei der zentralen Frage der gesamten Staatssymbolik angekommen: Geht es an, durch ein einzelnes Bundesgesetz die Generalsanierung einer Materie zu präju-dizieren, die im grundsätzlichen verfassungsrechtlicher Verankerung, im Durchführungsbereich aber einheitlicher bundesgesetzlicher Regelung bedarf? Wie paßt das in die Pläne zur Reform und Kodifizierung der Bundesverfassung?

Nicht von ungefähr haben die europäischen Staaten mit ausgeprägtem Staats- und Nationalbewußtsein, so etwa Belgien, Frankreich, Großbritannien, Irland und Italien, die nationalen Symbole, zumindest aber die Staatsfarben, in den Verfassungstext selbst aufgenommen. Auch die Verfassung der Bundesrepublik Deutschland, das Bonner Grundgesetz, bestimmt in seinem Artikel 22: „Die Bundesflagge ist Schwarz-Rot-Gold.“ Hierzu wurden dann die entsprechenden AusfUhrungsgesetze oder Verordnungen erlassen. In Österreich versucht man aus unerklärlichen Gründen, den umgekehrten Weg zu gehen: (einfaches) Wappengesetz 1946, Kraftfahrgesetz 1955 (Paragraphen 45, 49),' Seeflaggengesetz 1957 und jetzt womöglich Wappenschutzgesetz 1967. Überhaupt ist es vom Standpunkt der staatsbürgerlichen Erziehung völlig verkehrt, das Hauptgewicht auf Schutz- und Strafbestimmungen statt auf die richtige Anwendung der Symbole zu legen, wie dies etwa durch das Strafrechtsänderungsgesetz 1965 geschah: „Wer vorsätzlich... eine... Fahne der Republik Österreich oder eines ihrer Bundesländer, ein von einer österreichischen Behörde angebrachtes Hoheitszeichen, die Bundeshymne oder eine Landeshymne ... herabwürdigt, wird wegen Vergehens mit strengem Arrest von einem bis zu sechs Monaten bestraft“ (Paragraph 299 a StG.). Auch hier gibt es terminologische Diskrepanzen —der im Wappengesetz und im Seeflaggengesetz verwendete Ausdruck „Flagge“ ist dem Strafrecht unbekannt! Man kann sich des Eindrucks nicht erwehren, daß ein Begriff als „reichsdeutsch“ ausgemerzt werden soll, der seit Bestehen der k. u. k. Marine und darüber hinaus im Sprachgebrauch des Protokolls gang und gäbe ist.

Worum es dem Gesetzgeber und der doch auf die Sanierung unserer Rechts- und Verfassungsordnung festgelegten Bundesregierung gehen sollte, Wäre dies:

• Schaffung eines im Verfassungsrang stehenden Symbolgesetzes, das die wesentlichsten Bestimmungen über Wappen, Flagge und Hymne enthält.

• Beschlußfassung über ein Ausführungsgesetz (es wäre auch eine Trennung in ein Wappen- und ein Flaggengesetz denkbarl), das folgende Materien regelt:

1. Führung, Verwendung und Verleihung des Staatswappens. Führung des Staatssiegels der Republik Österreich. Recht zur Verwendung von Farbstempeln mit dem Wappen. Strafbestimmungen.

2. Einführung des Begriffes „Bun-desdienstflagge“ und genaue Beschreibung derselben unter Beifügung einer Zeichnung. Festlegung des Personenkreises, dem das Recht zur Führung der Dienstflagge zukommt. Einführung einer einfachen „Standarte des Bundespräsidenten“. Darstellung der „National- und Handelsflagge“ als Gegenstück zur „Seeflagge“, die ja bereits ausführlich geregelt ist. Allgemeine Rechte und Pflichten in bezug auf Flagge und Fahne. Strafbestimmungen.

3. Genauer Text und genaue Melodie der österreichischen Bundeshymne.

4. Regelung von Sonderformen der Staatssymbolik, wie zum Beispiel das Postwappen, die Flagge der DDSG, das Wappen der Tabak-verschleißer.

Eine Stufe unter dieser bundesgesetzlichen Regelung wäre auf dem Verordnungsweg ein allgemein verbindliches „Symbolprotokoll“ mit Detailregelungen über die Verwendung der staatlichen Zeichen zu-erlassen.

Vielfach wird eingewendet: Alles, was an derlei „Grundsatzprobleme“ der österreichischen Eigenstaatlichkeit rühre, sei zu „emotionsgeladen“, um insbesondere auf der Ebene der Verfassungsbestimmungen die einhellige Zustimmung des Parlaments zu finden. Diese Auffassung ist nicht mehr als eine unbewiesene Vermutung. Niemand zweifelt an der republikanischen Gesinnung der Regierungspartei — auf der anderen Seite hat sich die große Oppositionspartei seit Jahren für die Stärkung des Nationalbewußtseins und der demokratischen Gesinnung eingesetzt. Sie wäre schlecht beraten, wenn sie einer Initiative der Bundesregierung auf diesem Sektor aus parteitaktischen Erwägungen nicht beiträte. Österreich muß endlich aufhören, in Fragen der Symbol-kultur international ein Sonderfall zu sein!

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