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„Durchaus eine Grundlage“

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Am 11. März 1976 wurde der Entwurf eines Bundesgesetzes „über die Rechtsstellung der Volksgruppen nichtdeutscher Sprachzugehörigkeit (Volksgruppengesetz)“ abgeschlossen.

Der Entwurf umfaßt 27 Paragraphen. Er stellt die Verwirklichung des schon lange angekündigten Volksgruppenförderungsgesetzes dar. Es handelt sich zweifellos um einen sehr bedeutsamen Entwurf, der in vieler Hinsicht als bahnbrechend bezeichnet werden kann. Erstmals anerkennt damit die Republik Österreich die Existenz und die Existenzberechtigung von Volksgruppen, was bisher nie der Fall war, außer im altösterreichischen Artikel 19 des Staatsgrundgesetzes über die allgemeinen Rechte der Staatsbürger von 1867 und in den beiden Friedensverträgen bzw. Staatsverträgen (von St. Germain bzw. von Wien) nach den beiden Weltkriegen. Nur sehen die Staatsverträge die Existenz nicht von Volksgruppen, sondern von nationalen Minderheiten voraus, was nicht befriedigen kann. Der Artikel 19 spricht allerdings von Volksgruppen, damals „Nationalitäten“ genannt. Sein Fortgelten in der Republik Österreich ist umstritten. Er war eine vorbildliche Regelung zum Schutz und zur Entfaltung von ethnischen Gemeinschaften, wurde aber faktisch kaum noch angewendet, obwohl die Mehrzahl der Wissenschaftler sein Fortgelten bejaht (nur der Verfassungsgerichtshof, auf den es aber entscheidend ankommt, lehnte das Fortgelten ab).

Der Gesetzentwurf nimmt erstmals die Volksgruppen in Schutz, spricht ihnen den Schutz der Gesetze zu, gewährleistet ihre Erhaltung und die Sicherung ihres Bestandes, allerdings nicht auch ihre Entfaltung und materielle Förderung.

Der Entwurf sieht die Errichtung eines Volksgruppenbeirates vor, ferner bestimmt die Bundesregierung durch Verordnung die Ortschaften (die Worte „oder Teile von Gemeindegebieten“ wurden im letzten

Am Dienstag, dem 6. April 1976, findet in der Politischen Akademie der ÖVP, 1130 Wien, Tivoligasse 73, ein Kamingespräch mit Walter Ko-schatzky, Direktor der Albertina, über seine Monographie über Rudolf von Alt statt. Beginn 19 Uhr.

Augenblick gestrichen) „in denen wegen der beträchtlichen Anzahl (etwa ein Viertel) der dort wohnhaften Volksgruppenangehörigen mehrsprachige topographische Bezeichnungen in Betracht kommen und die Behörden und Dienststellen, bei denen zusätzlich zur deutschen Amtssprache die Verwendung der Sprache einer Volksgruppe zugelassen wird“.

Diese Formulierungen sind allerdings problematisch, wenn von „etwa einem Viertel“ die Rede ist. Das könnte auch etwas weniger oder etwas mehr als 25 Prozent sein. Die Phrase „beträchtliche Anzahl“ geht auf den Staatsvertrag von St. Germain und andere Minderheitenbestimmungen der Völkerbundära zurück. Nur: damals galten international 20 Prozent als „beträchtliche Anzahl“ (proportion considerable). Man war also minderheitenfreundlicher als dies der jetzige Entwurf ist.

In 2 Abs. 2 ist festgelegt, daß die erwähnten Verordnungen bestehende völkerrechtliche Verpflichtungen zu berücksichtigen haben. Das haben vor allem der Vorsitzende der Studienkommission (Präsident Edwin Loebenstein) wie der Leiter der Völkerrechtsabteilung (Botschafter Erik Nettel) in der Kommission immer wieder als unerläßlich bezeichnet und muß von dort her in den Entwurf eingeflossen sein. Aber was kann man aus den völkerrechtlichen Verpflichtungen wirklich ablesen? Doch wohl nur eine möglichst minderheitenfreundliche Regelung ohne Kasuistik.

Wie will der Entwurf das verwirklichen? Vor allem durch die Schaffung von Volksgruppenbeiräten (Abschnitt II). Die Zusammensetzung dieser Beiräte, die — was sehr erfreulich ist — die Regierung (nur der Bundesregierung und der Bundesminister, die Landesregierung nur auf deren Anfordern) zu beraten haben, ist recht klug gestaltet, indem nämlich nicht nur Volksgruppenangehörige entsandt werden können, sondern auch andere Personen, wenn sie von einer Vereinigung vorgeschlagen wurden, die ihrem satzungsgemäßen Zweck nach Volksgruppeninteressen vertritt (man könnte da an den Minoritätenbeirat der österreichischen Liga für Menschenrechte denken).

In Abschnitt III ist die vielberufene Volksgruppenförderung enthalten. Sie ist im Entwurf durchaus

akzeptabel geregelt, da diese (finanzielle) Förderung sich auch auf Herausgabe von Druckwerken, kulturelle Veranstaltungen, die Sammlung von Musealgut bezieht. Grundlegend ist, daß Volksgruppenorganisationen hinsichtlich ihrer Förderung Kirchen und Religionsgemeinschaften sowie deren Einrichtungen gleichzuhalten sind (wofür „Consciense et Laberte“ weltweit eintritt).

Abschnitt IV behandelt die topographischen Bezeichnungen, wobei auf 2 Abs. 1 Z. 2 („ungefähr ein Viertel“ der Bevölkerung von Ortschaften muß der Sprachgruppe angehören) hingewiesen sei. Diese Bestimmung ist, wie schon oft genug ausreichend begründet worden ist, für die Volksgruppen völlig unannehmbar.

Abschnitt V behandelt die Amtssprache, dies mit einigen Neuformulierungen gegenüber dem Februar-Entwurf 1976 (z. B. öffentliche Kundmaohungen, amtliche Vordrucke usw., was eine Verbesserung zugunsten der Volksgruppen darstellt). Auch die Gerichtssprache wird entsprechend neu geregelt. Auf diese Bestimmungen, die zum Teil eine Verbesserung gegenüber etwa dem Kärntner Gerichtssprachengesetz darstellen, wird noch eingehend einzugehen sein, da sie einigermaßen komplex und mit vielen Irrealitäten behaftet sind.

Der Gesetzentwurf stellt in der zuletzt noch geänderten Fassung durchaus eine Grundlage für das erstrebte Ziel eines Schutzes der Volksgruppen dar. Wenn man von dem Abschnitt über die Förderungsmaßnahmen absieht, enthält er aber eigentlich mehr ein Diskriminierungsverbot und somit formelle Gleichheitsnormen und weniger ein umfassendes Entfaltungsgebot an das Mehrheitsvolk im Interesse der Volksgruppen. Immerhin ist aber doch eine echte finanzielle Förderung enthalten, wie sie im Staatsvertrag vorgesehen ist, bisher aber nicht verwirklicht wurde.

Für die Burgenlandkroaten (und wohl auch die Magyaren) stellt das Gesetz eine echte Verbesserung dar, da im Burgenland mit Ausnahme des Schulrechts der Staatsvertrag auf keinem Gebiet verwirklicht ist. Für Kärnten wird man aber vor allem wegen der 25-Prozent-Grenze die ernstesten Vorbehalte anmelden müssen.

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