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Kirche und Volksgruppenförderung

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Das Volksgruppengesetz 1976 enthält neben ganz ausgezeichneten Allgemeinen Bestimmungen und heftig umstrittenen Regelungen für topographische Bezeichnungen, für die Amtssprache und die Volksgruppenbeiräte auch einen eigenen Abschnitt über die Volksgruppenförderung. Ohne unbescheiden zu sein, dürfen die Kirchenvertreter in der seinerzeitigen „Ortstafelkommission“ wohl für sich in Anspruch nehmen, hiefür die wesentlichen Anstöße gegeben zu haben. Sie haben als einzige in dieser Kommission immer wieder darauf hingewiesen, daß auch noch so hervorragende gesetzliche Regelungen für die Erfüllung der Staatsvertragsverpflichtungen die ethnischen Probleme nicht lösen können, wenn nicht gleichzeitig auf anderen Gebieten etwas für die Beheimatung der Volksgruppen, für ihre Bestandssicherung und für ein gutes Verhältnis zwischen Mehrheitsund Minderheitsvolk getan wird.

Förderungsmittel aus dem Volksgruppengesetz können Vereine, Stiftungen, Fonds einer Volkgsgruppe für solche Zwecke ansprechen. Diesen Volksgruppenorganisationen sind vom Gesetz her die Kirchen und Religionsgemeinschaften gleichzuhalten. Keine politischen Parteien, keine Organisationen des Merheitsvolkes, keine Berufsvertretungen und keine Gebietskörperschaften (letztere allenfalls, wenn sie den Mehraufwand aus der Amtssprachen- und Ortstafelregelung nicht tragen können) sind anspruchsberechtigt.

Da angenommen werden kann, daß die Volksgruppenorganisationen die ihnen zur Verfügung stehenden Mittel vor allem für die eigene Bestandssicherung einsetzen, ergibt sich hieraus für die Kirchen eine klare Aufgaben-

stellung: Sie werden die Förderungsmittel im innerkirchlichen Bereich zur Bestandssicherung der Volksgruppen, aber vor allem auch weit darüber hinaus für eine Verständigung im nationalen Spannungsfeld einzusetzen haben. Damit werden den Kirchen über ihre eigenen Möglichkeiten hinaus seitens des Staates Wirkchancen im gesellschaftlichen Bereich eingeräumt; aber es werden damit auch Erwartungen verknüpft, die von der Tatsache ausgehen, daß für die nächsten zwei Jahre eine permanente Welle von Wahlkämpfen zu erwarten ist, was es den politischen Parteien offensichtlich sehr schwer machen wird, gleichzeitig auf dem Gebiet der Volksgruppenverständigung vorwärtszukommen.

Was hat nun die Katholische Kirche in Kärnten mit den schon erhaltenen und den hoffentlich noch zu erwartenden Förderungsmitteln vor? Hier nur einige Beispiele:

Bestandssicherung innerhalb der Kirche

a) Es ist ein erheblicher Mehraufwand dafür abzudecken, daß slowenische oder zweisprachige Druckerzeugnisse nur in kleinen Auflagen (kirchliches Schrifttum, Formulare) erscheinen können oder bei größerer Auflage (Liederbücher, Religionsbücher u. a.) sehr lange auf Lager liegen müssen, bis sie abverkauft sind.

b) Die Kirche unterhält Schülerheime, weil es für slowenische Schüler sonst kaum möglich wäre, Klagenfur-ter Schulen zu besuchen. Diese Heime müssen kostendeckend geführt werden. Für minderbemittelte Eltern werden solche Heimbeträge subventioniert werden müssen.

c) Zweisprachige Kindergärten als Lehrstätten des Zusammenlebens von

Kind an sind nicht nur Anliegen der Kirche sondern auch des Landes; hier wird erhebliche finanzielle Hilfe nötig sein, die die Kirche nicht allein tragen kann.

Allgemeine

Verständigungsförderung

a) In Studientagungen, Seminaren, Symposien werden Fragen zu behandeln sein, die immer wieder zu Kontroversen führen, und Ansatzpunkte zur Lösung von Problemen gesucht werden.

Da geht es etwa um die unterschiedliche Wertung und Interpretation geschichtlicher Vorgänge; dazu sollen Fachhistoriker aller Gruppierungen zur Historikergesprächen eingeladen werden.

Da geht es auch um Grundfragen wie etwa darum, wie stark menschliche Identität und Sprach- bzw. Volkszugehörigkeit verknüpft sind: Was sind etwa Ursachen oder Folgen des Lösens aus einer bisherigen Sprachgruppe -sowohl beim einzelnen Menschen wie bei der Gruppe? Inwieweit wirken dabei wirtschaftlicher, sozialer, ideologischer Druck haltungsändernd?

Da wird es auch um die Frage nach Rolle und Zukunft nationaler Gruppen in überstaatlichen Zusammenschlüssen gehen.

b) Die Veröffentlichung von Studienergebnissen, die Information über gleichartige Vorgänge anderswo, die Mitwirkung an der Meinungsbildung durch die Mittel der Publizistik gehören zum Ertrag solcher Arb,eit und sind auch einzubeziehen.

c) Neben theoretischen Erörterungen und deren Publizierung ist die geübte Praxis persönlicher Begegnungen zwischen den Völkern ein sehr we-

sentlicher Teil aller Verständigungsbemühungen.

Hier wird die Begegnung deutscher und slowenischer Schüler, ja ganzer Schulklassen und Schulen zu fördern sein, beginnend mit gemeinsamen kulturellen Veranstaltungen über Aufsatz- und Rede Wettbewerbe bis hin zu gemeinsamen Festen. Hier wird es auch um das Initiieren und Fördern gemeinsamer Veranstaltungen gehen. Gegenseitige Besuche und Partnerschaften ganzer Orte scheinen heute noch utopisch, könnten aber auch in nicht allzuferner Zeit möglich werden.

d) Für besondere Studienvorhaben sollen Stipendien für Dissertanden und Diplomanden geboten werden.

e) Für herausragende Leistungen um eine Völkerverständigung in Kärnten, etwa im Bereich von Literatur,

Bildender Kunst, Publizistik oder Politik sollen Preise gestiftet werden.

Als Ort einer institutionellen Konzentration dieser kirchlichen Bemühungen ist - derzeit allerdings noch sehr undeutlich umrissen - ein kirchliches Institut gedacht, das die oben skizzenhaft angedeuteten Aufgaben übernehmen soll. Ein solches Insitut soll natürlich für eine Kooperation mit allen diesen Aufgabenstellungen positiv gegenüberstehenden Kräften offen sein.

Wir sind überzeugt, daß Lösungen im nationalen Spannungsfeld nur möglich sind, wenn man die Probleme auf ihre Wurzeln zurück verfolgt und wenn vielfältige persönliche Begegnungen den Menschen hinter dem Vorurteil wieder sichtbar werden lassen.

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