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Modell für Untergang

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Nach mehrjährigen Arbeiten hat die österreichische Rektorenkonferenz unter dem Vorsitz des Rektors der Universität für Bildungswissenschaften in Klagenfurt, Günther Hödl, ihren Bericht über „Lage und Perspektiven der österreichischen Volksgruppen“ fertiggestellt. An den Arbeiten haben auch international bekannte Experten für Minderheitenfragen teilgenommen, wie Guy Heraud aus Frankreich, Rudolf Vüetta, Fachmann für die Rätoromanen aus Graubünden, und Georg Auernheimer aus Marburg/Lahn.

Ursprünglich war diese Arbeitsgruppe dazu ausersehen, zu

dem sehr umstrittenen „Pädagogenmodell“ der drei Kärntner Landtagsparteien bezüglich einer Novellierung des Kärntner Minderheitenschulgesetzes Stellung zu nehmen. Dieses „Pädagogenmodell“ (FURCHE 48/1987) soll aufgrund eines von der FPÖ in Kärnten durch deren Obmann Jörg Haider und des Kärntner Heimatdienstes veranstalteten Volksbegehrens, das nur bescheidene Erfolge erzielte, die Minderheitenschule für die Kärntner Slowenen mehr oder weniger abschaffen und würde eine „Apartheid“ für die Slowenen im Schulbereich einführen. Die Kärntner

Slowenen haben sich entschieden gegen eine solche Demontage der zweisprachigen Schule in Süd-kärnten ausgesprochen, sind allerdings im Frühjahr 1988 wenigstens gesprächsbereit geworden, um wenigstens ansatzweise die zweisprachigeMinderheitenschu-le (derzeit 64 Elementarschulen) zu retten.

Der Bericht der Rektorenkonferenz geht zwar in breitem Ausmaß auf das „Pädagogenmodell“ und die Minderheitenschule in Kärnten ein, wobei offenkundig die Formulierungen des Innsbruk-ker Rechtslehrers Peter Perntha-ler weitgehend eingeflossen sind, und lehnt das „Pädagogenmodell“ eindeutig ab, da es der slowenischen Volksgruppe in Kärnten große Nachteile brächte — bis hin zum völligen Untergang dieser Minderheit. Und es ist jetzt wohl zu erwarten, daß diese Apartheidpolitik nicht mehr verwirklicht wird.

Der Bericht geht aber weit über den Anlaßfall hinaus und gibt in einem ersten Abschnitt eine Ubersicht über die Lage aller Volksgruppen in Österreich — mit

Ausnahme der Roma und Sinti („Zigeuner“) -, also für Slowenen, Kroaten, Magyaren („Ungarn“), Tschechen und Slowaken, wobei auch historische Ubersichten geboten werden. Mit Recht hebt der Bericht hervor, daß die Identität Österreichs nicht nur auf den deutschsprachigen Österreichern beruht, sondern seit jeher auch auf den hier beheimateten Angehörigen anderer Völker, die hier ethnische und sprachliche Minderheiten darstellen und zu Österreichs Kultur ungeheuer viel beigetragen haben. Hiebei wird auch der Regionalismus und Föderalismus miteinbezogen, allerdings die vom übrigen Österreich sehr verschiedene regionale Identität Vorarlbergs und der Vorarlberger nicht behandelt.

Auf die Sprache als Identitätsund Kommunikationsmittel geht der Bericht sehr detailliert ein. Das Schulwesen der einzelnen Volksgruppen in Österreich wird sorgsam dargestellt. In weiterer Folge behandelt der Bericht die Staats- und verf assungsrechtliche Lage der Volksgruppen in Österreich, geht dann auf den völkerrechtlichen Schutz der ethnischen Minderheiten über, der für Österreich immerhin durch eine ganze

Reihe von Menschenrechtskonventionen und durch Staatsverträge, die freilich kaum eingehalten werden, Rechtsnorm geworden ist.

Und er zieht dann einen mehr als lehrreichen Vergleich zwischen dem Minderheitenschutz in Österreich und jenem in anderen europäischen Staaten, jedenfalls solchen in Westeuropa. Teilweise sind die dortigen Bestimmungen zum Schutz von Volksgruppen und Minderheiten - der Bericht arbeitet auch den Unterschied

zwischen Minderheiten und Volksgruppen heraus — für die ethnischen und sprachlichen Minderheiten umfassender als jene in Österreich und die vor allem von Seiten der Kärntner Landesregierung immer wieder aufgestellte Behauptung, daß die Kärntner Slowenen die bestgeschützte Volksgruppe in Europa seien, wird eindeutig widerlegt.

Andere Minderheiten sind allerdings auch erheblich schlechter gestellt (in Frankreich vor allem). Der hier ausgearbeitete Vergleich wird für den internationalen Minderheitenschutz noch wertvolle Ergebnisse bringen können.

Der Bericht ist aber durchaus geeignet, Österreichs Ansehen im übrigen Europa sehr zu stärken. Der Bericht bringt auch eine Vielfalt an Definitionen und Untersuchungen zu Grundfragen einer modernen Sprachen- und Volksgruppenpolitik, lehnt jeden Nationalismus — welcher Art auch immer—ab und ist daher auch humanitär im besten Wortsinn, weil er das harmonische Zusammenleben von Völkern und Volksgruppen, auch grenzüberschreitend, als internationale Aufgabe hinstellt

Mehr noch: Konkret werden für Österreich, indirekt aber auch für andere Staaten in Europa, ja in der ganzen Welt, Empfehlungen angeboten, wie das politische Klima im Zusammenleben der Mehrheitsvölker mit den Minderheitenvölkern verbessert werden kann. Dabei wird auf so wichtige Fragen wie die Volkszählungen eingegangen, die heute auch in Osterreich wenig volksgruppen-freundlich sind. Der Bericht verdient auch als Zukunftsperspektive große Beachtung.

Der Autor ist Experte für Nationalitätenrecht und Regionalismus.

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