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Berechtigte Befürchtungen

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Es gehört zu den Kuriositäten österreichischer Innenpolitik, daß der endgültige Entwurf eines „Bundesgesetzes, mit dem das Volkszählungsgesetz geändert wird“, wohl beispielsweise dem österreichischen Landarbeiterkammertag, der Dentistenkammer oder der Bundessportorganisation zwecks Stellungnahme zugeleitet wurde, nicht aber auch den Mitgliedern der seinerzeitigen Studienkommission für Probleme der slowenischen Volksgruppe in Kärnten („Ortstafelkommission“).

Der Gesetzentwurf sieht eine geheime Ermittlung der Familiensprache in ganz Österreich vor, doch kann dies durch Verordnung der Bundesregierung auf einzelne Bundesländer beschränkt werden. Daß kleinere Zählgebiete nicht zugelassen sind, hat seinen Grund darin, daß man auch nicht den entferntesten Anschein erwecken will, als gebe es in Kärnten ein gemischtsprachiges Teilgebiet („Slowenisch-Kärn-ten“ im Sinne einer zweifellos weit übers Ziel schießenden slowenischen Behauptung), obwohl ja in den Oberkärntner politischen Bezirken (ausgenommen den Bezirk Her-magor) gar keine bodenständigen Slowenen leben.

Noch am 25. Oktober 1972 erklärte der Bundeskanzler auf eine parlamentarische Anfrage, er spreche sich entschieden gegen eine Minderheitenfeststellung aus, wenn diese von der Minderheit abgelehnt werde, und setzte noch hinzu, daß er „die auch von Herrn Prof. Dr. Veiter in dieser Frage geäußerte Ansicht seit jeher geteilt habe“. Weicht er also jetzt etwa hievon ab? Rein formell gewiß nicht, da eine amtliche Minderheitenfeststellung nicht dasselbe ist wie die amtliche Ermittlung der Minder-heitensprachzugehörigkeit. Dennoch empfinden die Kärntner Slowenen die geplante Novelle zum Volkszählungsgesetz so, denn die geheime Sprachzählung kann ja nur einem einzigen Ziel dienen: die Zahl derer zu ermitteln, die der Sprachminderheit und der Volksgruppe angehören und sodann nach einem Schlüssel (laut Parteibeschluß 25 Prozent) Gemeinden und Bezirke als gemischtsprachig zu erklären. Prof. Matscher erklärte dazu, daß es dann nur ganz wenige Gemeinden (sieben) sein werden, in denen das Slowenische neben dem Deutschen zugelassen sein wird.

Nun kommt auch der Kroatische Kulturverein im Burgenland mit einem einstimmigen Beschluß seines Leitungsausschusses vom 23. Jänner 1976 vor die Öffentlichkeit, wonach auch die volksbewußten Burgenland-kroaten jede Art einer Minderheitenfeststellung, die den Charakter einer außergewöhnlichen Maßnahme trägt, entschieden ablehnen und eine Reihe von Erklärungen der Bundeskanzler Klaus und Kreisky und des heutigen Bundespräsidenten zitieren, in denen deutlich jede Minderheitenfeststellung abgelehnt wurde.

Auch die Vermutung, daß Jugoslawien als Quasi-Schutzmacht einer solchen österreichischen Sprachzählung besonderer Art zugestimmt hätte, erweist sich nach den neuesten Erklärungen der Belgrader Regier rung sowie auf Grund von Fernsehinterviews des jugoslawischen Fernsehens mit vielen österreichischen Persönlichkeiten (auch dem Verfasser dieser Zeilen) von Ende Jänner 1976 als sehr fraglich. Die Vorwürfe in der Kärntner ÖVP-Zeitung „Volks-

zeitung“ gegen Bundeskanzler Kreisky, daß dieser sich gewissermaßen mit Jugoslawien gegen die Interessen Kärntens abgesprochen habe, sind aber zweifellos nicht berechtigt. Der Bundeskanzler ist sich offenbar darüber klar geworden, daß es am besten ist, nichts zu übereilen und das wird jetzt erst recht aus den Protesten nun auch der kroatischen Volksgruppe deutlich.

Es ist vielleicht verständlich, aber keineswegs gerechtfertigt, wenn die Bundesparteileitungen der deutsch-kärntnerischen Parteien, vor allem der ÖVP und der FPÖ, meinen, sie müßten auf ihre Kärntner Landesparteien Rücksicht nehmen und daher etwas durchziehen, was die slowenische Minderheit völlig ablehnt. Kein Dreiparteienübereinkommen kann aber über die Lebensinteressen Dritter absprechen. Das ohnehin schon fragwürdige demokratische Mehrheitsprinzip wird unanwendbar, wenn es zu Lasten einer Minderheit in Anspruch genommen wird, die niemals Mehrheit werden kann. Gerade die ÖVP sollte seit Eintritt in ihre Minderheitsrolle im Nationalrat wissen, was die Diktatur einer knappen Mehrheit oder überhaupt einer Mehrheit an Unrechtsgehalt mit sich bringt und nicht mit denselben Diktaturmethoden gegen eine institutionelle Minderheit vorgehen, wenn diese durch ein solches Vorgehen ihrer Menschenrechte beraubt und in die Gefahr gedrängt wird, überhaupt aus dem Gesellschaftsgefüge Österreichs zu verschwinden.

Noch ein Kuriosum: das Volkszählungswesen gehört zum Ressort des Bundesministeriums für Inneres, also nicht des Bundeskanzleramtes oder des Bundesministeriums für Auswärtige Angelegenheiten. Für Volkszählungsfragen sind im Innenministerium auch die wirklichen Fachleute, auch zu ethnischen Problemen. Es sei nur an Professor Helczmanovszki erinnert, der der Ortstafelkommission sehr gute Dienste geleistet hat. Der Entwurf einer Novelle zum Volkszählungsgesetz ist aber im Bundeskanzleramt ausgearbeitet worden, mit der dienstinternen Begründung, es handle sich um die Durchführung eines Staatsvertrags und daher sei das Bundeskanzleramt (Verfassungsdienst) zuständig. Das ist eine etwas oberflächliche Begründung, denn nach offizieller Version des Bundeskanzleramtes hat das Gesetz über die Sprachzählung besonderer Art mit dem Artikel 7 Staatsvertrag gar nichts zu tun. Allerdings wird im Motivenbericht mehrfach auf Artikel 7 hingewiesen, dies freilich mit dem mehr als bedenklichen Text auf Seite 1 der Erläuterungen, daß das novellierte Volkszählungsgesetz gar nicht einer Ermittlung objektiver Merkmale (Sprachzählung) dienen solle, sondern ihr Ziel sei „die objektive und unbeeinflußte Feststellung der in Österreich lebenden Volksgruppen nichtdeutscher Sprachzugehörigkeit“. Da man Volksgruppen, die im Staatsvertrag geschützt und als solche namentlich angeführt sind, nicht mehr Objektiv festzustellen braucht, bedeutet dieser Passus, sprachlich übrigens wie das ganze Gesetz außerordentlich mangehaft (unsere Gesetzessprache verschludert immer mehr), daß das Gesetz eine Minder-heitenfeststellung (der Minderheitsangehörigen) bezweckt. Die Slowenen haben also mit ihren Befürchtungen recht gehabt.

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