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Emsige Experten

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An und für sich war es zwar von vornherein klar, daß der Bundeskanzler in der Kärntner Slowenenfrage vor dem 5. Oktober keine Entscheidung in der Frage der Durchführung des Artikels 7 des Staatsvertrages treffen würde. Auch das von uns erwähnte Gesetz zur Novei-lierung des Volkszählungsgesetzes mit Ermöglichung einer Sprachzählung besonderer Art, dessen Entwurf zwar den politischen Parteien zuging (die sich dazu in vorwiegend wenig glücklicher Weise geäußert haben), im übrigen als top secret behandelt wird, bleibt ein Anlauf, ohne daß vor Herbst daraus etwas Konkretes werden kann. Auch wenn es nach dem 5. Oktober wiederum zu einer Regierung Kreisky kommen sollte, werden ein Verwaltung»- und Gerichtssamtssprachengesetz und ein Ortstafelgesetz gewiß nicht sehr rasch verabschiedet werden können, so daß man wohl frühestens im Jahre 1976 damit rechnen kann.

Aber auch in diesen Hoffnungsbecher Weines hat der Bundeskanzler sehr viel Wasser gegossen, als die Studienkomission für Probleme der slowenischen Volksgruppe in Kärnten („Ortstafelkommission“) am 8. Juli 1975 bei durch Urlaube und Hitze reduzierter Expertenteilnahme noch einmal tagte, um den Schlußbericht über die Sitzung beziehungsweise die Ergebnisse vom 7. Mai 1975 zu beraten. Dieser Schlußbericht war mit sehr starker Verspätung so knapp vor der Sitzung des 8. Mai, auf welcher der Bundeskanzler grundsätzlich abschließende Erklärungen abzugeben wünschte, ausgesendet worden, daß weniger emsigen Experten unter den Kommissionsmitgliedern leicht Zeit und Lust fehlen mochte, sich zum Entwurf des Schlußberichtes noch fristgerecht zu äußern. Tatsächlich haben aber jene Experten, die nun durch so lange Zeit sich um definitive Entwürfe einer Durchführung von Artikel 7 Absatz 3 des Staatsvertrages bemüht hatten, keine Mühe gescheut, auch den Schlußbericht mit Synopse des Bundeskanzleramtes, Verfassungsdienst, zu den vorliegenden, im wesentlichhen aus zwei Hauptentwürfen bestehenden, Regelungsentwürfen Stellung zu nehmen.

Es zeigte sich, daß Schlußberichtsentwurf und Synopse vor allem dem Anliegen jener Kommissionsmitglieder und Experten nicht klar genug Rechnung getragen hatten, die den Entwurf einer Regelung auf der Basis einer geheimen Minderheitenfeststellung (als „Sprachzählung besonderer Art“ bemäntelt) ablehnten, weil ihn die volksbewußten Slowenen als minderheitenfeindlich ansehen und daher auf die Volkszählungsergebnisse 1951 zurückgreifen wollen.

Es muß der auch diesmal wieder bewunderungswürdigen Geschicklichkeit des Vorsitzenden Edwin Loebenstein mit seiner äußerst konzilianten, in der Sache aber stets geradlinigen Verhandlungsführung zugeschrieben werden, daß in den offengebliebenen Fragen eine Übereinstimmung erzielt wurde, und die Kommission ihre Arbeiten nun in diesem Nachzüglerverfahren endgültig binnen kurzer Zeit abschloß. Sohin besteht weithin Übereinstimmung innerhalb der Kommission (auch der Politiker) zum wesentlichen Inhalt eines Verwaltungsamtssprache- und Gerichtssprachegesetzes und zur Technik zweisprachiger topographischer Aufschriften in Kärnten, bei Ausklammerung jeglicher gemeinsamer Feststellung zum Prozentsatz gemischter oder slowenischer Bevölkerung als Voraussetzung für die Zweisprachigkeit vor Amt, Gericht und bei Ortstafeln, während zur Grundfrage der Ermittlung des gemischtsprachigen Gebietes die beiden einander diametral und unüberbrückbar gegenüberstehenden Varianten übrig bleiben: entweder Sprachzählung besonderer Art oder Volkszählungsergebnisse 1951 (als den letzten vor dem Staatsvertrag). Wie schon einmal erwähnt, wird der Bundeskanzler zu gegebener Zeit sich in irgendeiner Weise entscheiden müssen.

Der Bundeskanzler erklärte, er mache immer wieder im Ausland die Beobachtung, daß das Ansehen und der Ruf Österreichs schweren Schaden genommen haben, weil sich Österreich in der Minderheitenfrage bisher als nicht vertragstreu erwiesen habe. Die Vertragspartner verlangten aber, daß Österreich seine Verpflichtungen einhalte. Er, der Bundeskanzler, könne einer solchen Entwicklung nicht untätig zusehen und werde, je nach dem Ausgang der Oktoberwahlen, dafür sorgen, daß die unerfüllten Teile des Artikels auch tatsächlich erfüllt würden. Wie diese Erfüllung aussehen soll, sagte er natürlich nicht, da er sich vor den Wahlen gewiß nicht festlegen wird. Immerhin besteht Grund zur Annahme, daß, wenn es überhaupt zu einer umfassenden Durchführung des Artikels 7 kommen sollte, eine Sprachzählung besonderer Art, obwohl sie vom

Bundeskanzler Kreisky selbst als mögliches Modell zu studieren aufgegeben war, nicht durchgeführt werden wird. Das ergibt sich aus der Erklärung, daß Österreich sein hinsichtlich seiner Minderheitenpolitik angeschlagenes Ansehen in der Welt wieder herstellen und festigen muß. Das wäre aber mit einer geheimen Minderheitenfeststellung unmöglich, solange die davon betroffene und gegen ihren Willen von amtswegen zu zählende Volksgruppe dem einen erbitterten und absolut einmütigen Widerstand entgegensetzt. Sonst wären die letzten Dinge ärger als die ersten.

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