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Am toten Punkt der Inflation

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Am Montag der Karwoche kündigte Handelsminister Stari-bacher in seinem allwöchentlichen Journalistengespräch den Entwurf für ein verschärftes Preisregelungsgesetz an. Mit diesem Gesetz, so Staribacher, sollte es möglich sein, einen nahezu generellen Preisstopp für alle Waren und Dienstleistungen mit Ausnahme von Luxusgütern zu verhängen. Damit der Minister aber nicht als „Preisstoppminister“ abgestempelt werden kann, baute er in den Entwurf gleich eine Erweiterung der Kompetenzen der Landeshauptleute auf dem Preisüberwachungsgebiet ein.

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Am Montag der Karwoche kündigte Handelsminister Stari-bacher in seinem allwöchentlichen Journalistengespräch den Entwurf für ein verschärftes Preisregelungsgesetz an. Mit diesem Gesetz, so Staribacher, sollte es möglich sein, einen nahezu generellen Preisstopp für alle Waren und Dienstleistungen mit Ausnahme von Luxusgütern zu verhängen. Damit der Minister aber nicht als „Preisstoppminister“ abgestempelt werden kann, baute er in den Entwurf gleich eine Erweiterung der Kompetenzen der Landeshauptleute auf dem Preisüberwachungsgebiet ein.

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Die Reaktion der durch das Gesetz Angesprochenen war, wie sie vorausehbar sein mußte: bei der Wirtschaft stieß es in der vorliegenden Form auf eisige Ablehnung, Arbeiterkammerpräsident Hrdlicka verkündete laut, das Gesetz sei noch viel zuwenig radikal und die Landeshauptleute waren auch nicht so ohne weiteres bereit, die ihnen vorgeschlagenen Kompetenzen zu schlukken. So rasch, wie es sich Berufs-optimist Staribacher vorgestellt hat (mit zwei Wochen Begutachtungsfrist — einschließlich der Osterfeiertage), ist es schon einmal nicht gegangen.

Daß der Kern des Gesetzentwurfes eigentlich ein totaler Preisstopp ist, hat viele Experten, nicht nur die Sprecher der Wirtschaft, verwundert. Denn die Erfahrungen, die im Ausland mit solchen Maßnahmen gemacht wurden, sind wirklich alles andere als gut. Aber bei allen bisherigen Überlegungen zu den Vorschlägen des Ministers schwang doch die bange Frage mit: Kann die vielgerühmte Sozialpartnerschaft ein solches Gesetz aushalten? Oder wird es letztlich, wie in der letzten Zeit so oft, darauf hinauslaufen, daß gerade die Spitzenvertreter von Arbeitgeber- und Arbeitnehmerorgani-sationen das wieder kitten müssen, was durch parteipolitisches Tauziehen auseinanderzufallen droht?

Daß man im Falle der dringend notwendigen Inflationsbekämpfung nicht so ohne weiteres Trennungsstriche zwischen Regierung und Volk, zwischen ÖVP, SPÖ und FPÖ und zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer ziehen kann, darüber sind sich ja offenbar alle Beteiligten klar. Welche Strategie sie in den Verhandlungen wählen sollen, um möglichst wenig von ihrem Gesicht zu verlieren, ist allerdings ungeklärt.

Anders gestellt, könnte die Frage lauten: sind Kreisky und Schleinzer in diesem Falle die legitimierten Verhandlungspartner oder werden es wieder die Sozialpartnervertreter sein, die letztlich die ganze Sache im außerparlamentarischen Raum erledigen? Fest steht aus dem Text des Gesetzesentwurfes eines: der Sinn der Paritätischen Kommission wird in jedem Falle in Frage gestellt. Denn es würde in Hinkunft dem Minister möglich sein, einen Preis auch dann noch amtlich festzusetzen, wenn die Paritätische Kommission bereits von sich aus eine gegenteilige Entscheidung — oder aber wegen mangelnder Übereinstimmung der Standpunkte überhaupt keine Entscheidung — getroffen hat.

Damit wäre natürlich jede Sitzung der Paritätischen Kommission zu einem Roulettespiel geworden: hält die Entscheidung oder wird sie vom Minister nicht respektiert? Wie lange sich die Sozialpartnervertreter ein solches Spiel gefallen lassen werden, kann sich selbst der Laie spielend ausrechnen.

Ein Detail am Rande ist der sogenannte „volkswirtschaftlich gerechtfertigte Preis“, der sich nach den Konsumenteninteressen richtet, und bisher als Entscheidungsgrundlage für die Preise bei marktbeherrschenden Unternehmungen oder ganzen Branchen verwendet wurde. Diese Me'Tfhode soll nun auf alle Preise von Waren und Dienstleistungen, mit Ausnahme der Luxusgüter, angewendet werden. Welcher biedere Unternehmer in einem Klein- oder Mittelbetrieb kann aber bei seiner Kallkulation schon wissen, was ihm dann wirklich als „volkswirtschaftlich gerechtfertigter Preis“ anerkannt wird? Die ohnehin schon sehr gedämpfte Freude am Unternehmer-risiko wird auf diese Weise um einen weiteren Schritt reduziert. Einen rein administrativen Haken hat der Staribacher-Entwurf noch zusätzlich: die Ausdehnung der amtlichen Preisregelungsmöglichkeiten im vorher beschriebenen Sinn hätte einen großen Mehraufwand für die Überwachung zur Folge.

Die Landeshauptleute haben den ungestümen Handelsminister jedenfalls wieder ein wenig auf den Boden der Realität zurückgeführt: Sie forderten, daß gleichzeitig mit einem wirksamen Mittel zur Preisstabili-sierung, das sie gar nicht a priori ablehnten, auch andere Maßnahmen kommen müßten: ein Einfrieren der öffentlichen Tarife etwa oder eine echte Steuerreform.

Jeder der Beteiligten ist also auch jetzt, wie bei allen Stabilisierungsrunden vorher, zunächst daran interessiert, das kleinste Opfer zu bringen und zu trachten, daß alle anderen mehr tun müssen. Dazu kommt auch noch das Bestreben, heikle Aufgaben, wie die Kompetenzen zur Preisüberwachung möglichst der anderen Partei zuzuschieben. Dies wird jetzt gerade in Salzburg durchgeführt, wo die siegreiche ÖVP diese Kompetenz großzügierweise den Sozialisten überlassen hat, die sich aus begreiflichen Gründen außerstande sahen, abzulehnen.

Auf Bundesebene wird es vor allem die ÖVP sehr schwer haben, eine geradlinige Strategie in den kammenden Verhandlungen zu verfolgen: sie will und muß vermeiden, als „Unternehmerpartei“ abgestempelt zu werden, muß aber in ihrer Argumentation doch weitgehend auf die Interessen der Wirtschaftstrei-benden eingehen

Denkbar ist jedenfalls, daß man sich letzten Endes doch auf allen Seiten dankbar der segensreichen Tätigkeit der Sozialpartner in der Vergangenheit erinnert — und der Tatsache, daß in Gesprächen zwischen Benya und Sallinger schon so mancher tote Punkt überwunden wurde.

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