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Volkszählung ist Volkstod

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Mit dem (neuerlichen) Abkommen zwischen den drei dem Mehrheitsvolk Kärntnes angehörenden Parteien, wonach in jenen Bezirken, Gemeinden und „Orten“, in welchen bei der vorgesehenen Volks- und Sprachzählung besonderer Art mindestens 25 Prozent Angehörige der Sprachminderheit ermittelt werden, doppelsprachige Ortstafeln aufgestellt werden müssen und die Angehörigen der betreffenden Volksgruppen auch im Verkehr mit den Behörden ihre Sprache neben der deutschen gebrauchen dürfen und ein Recht auf Erledigung ihrer Anliegen in auch dieser Sprache haben werden, scheint der Sieg der ethnischen Mehrheit jedenfalls in Kärnten über die ethnische Minderheit festzustehen.

Noch unmittelbar vor dem anscheinend definitiven Beschluß der drei Parteien vom 20. Februar 1976 haben die slowenischen Dachverbände erneut vor der Anordnung einer geheimen Sprachzählung besonderer Art gewarnt und sie, weil sie einer amtlichen Minderheitenfeststellung gleichkäme, wie bisher entschieden abgelehnt.

Wenn aber der Gesetzgeber und das Mehrheitsvolk sich entschließen würden, nach Durchführung einer solchen Zählung besonderer Art gegenüber der Minderheit großzügig zu sein, ließe sich vielleicht doch für diese Zählung plädieren. Aber der 25-Prozent-Beschluß der politischen Parteien zeigt, daß mit der Volks-(Sprach-)Zählung besonderer Art der slowenischen Volksgruppe der Volkstod bereitet würde, auch wenn die Initiatoren der Maßnahme das nicht beabsichtigen. Volkstod heißt natürlich nicht Völkermord (Geno-cid) im Sinne des österreichischen wie des Welt-Strafrechts, vielmehr kultureller Völkermord (Cultural ge-nocide) im Sinne der nach dem Zweiten Weltkrieg seitens der UNO vergeblich vorgeschlagenen Resolution, ja sogar Konvention. Heute spricht man bei solchen Maßnahmen gegen die Sprache einer Minderheit eher von Ethnocid, weil ja nicht natürliche Personen vernichtet werden sollen, sondern nur die ethnische Volkssubstanz (ens sociale). Es steht eindeutig auf Grund der letzten Volkszählung als Sprachzählung fest, daß die Volkszählung besonderer Art dann zum Volkstod der Minderheit in Kärnten führen würd.e, wenn ein so hoher Prozentsatz Voraussetzung für Minderheitenrechte bildet. Nur mindestens drei, höchstens sieben Gemeinden im gemischtsprachigen Gebiet hätten dann noch einen Anteil an Bevölkerung der zu schützenden Minderheit. Von den politischen wie von den Gerichtsbezirken wäre kein einziger mehr gemischtsprachig. Das ohnehin dürftige Kärntner Gerichtssprachengesetz müßte aufgehoben statt ausgedehnt werden. Gewiß, es gäbe dann gegenüber dem heutigen zwar nicht rechtlichen, wohl aber faktischen Zustand einige Gemeinden und eine gewisse Anzahl von Ortschaften (Ortsteilen, Gemeindefraktionen) mit doppeltsprachigen Ortstafeln, und dem Symbolcharakter einer solchen Tatsache kann nicht widersprochen werden. Aber im Endergebnis wäre das doch ein sehr kleines, in keiner Weise mehr auch nur als gemischtsprachiges Gebiet zusammenhängendes Territorium. Der ohnehin seit langem zu beobachtende Volkstod der slowenischen Volksgruppen würde aufs äußerste beschleunigt werden. Daran wird auch ein Volksgruppenförderungsgesetz nichts ändern. Denn fördern kann man nur Volksgruppen, die sowohl tatsächlich wie auch rechtlich existieren. Ist eine Volksgruppe via Volkszählung, weil sich an diese Zählung besonderer Art bestimmte Ansprüche der Volksgruppe knüpfen, erstorben, so nützt ihr auch keine finanzielle Förderung mehr etwas.

Die geplante Regelung kann vielleicht für die Burgenlandkroaten dann, wenn Eingemeindungen zum Nachteil der Volksgruppe aus der Zeit nach 1945 unberücksichtigt bleiben, noch tolerierbar sein, weil die Siedlungsverhältnisse andere sind. Für Kärnten bedeutet die geplante Regelung das Ende des Bestandes der Volksgruppe, sofern sich diese nicht mit allen ihr rechtlich zu Gebote stehenden Mitteln zur Wehr setzt.

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