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Nicht noch mehr anheizen

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T/~< JJ[ bin der Meinung, es ist in Kärnten im Zusammenhang mit der bevorstehenden Spraßhzäihlunig schon zu viel Porzellan überflüssig zerschlagen worden. Nun haben sich die drei Parteien darauf „geuneinigt“, nicht gemeinsam „aufzuklären“, worum es bei dieser sonderbaren Zählung geht. Sie werden es getrennt tun, jede für sich — und jede gegen die andern. Und jede mit dem Black auf die Mehrheit, die sie ja auch bei den nächsten Waihlen wieder ansprechen will. Egal, was für die Minderheit dabei herausschaut.

Natürlich muß informiert werden, intensiv sogar — über Sinn und Zweck dieser Aktion, wenn man sich schon so weit verrannt hat, nicht mehr zurück zu können. Aber das wäre Aufgabe der Regierung, nicht der Parteien. Darüber zunächst zu iniformieren, warum diese Zählung sein soll — auch wenn die Stimmen, die ihren Sinn in Frage stellen, immer mehr werden —, daß sie rechtlich unangreifbar ist (auch wenn sie der psychologischen Situation wohl nichts Gutes antut), und schließlich, wie sie abläuft und daß weder der, der seinen Fragebogen ausgefüllt abgibt, davon einen Schaden zu erwarten hat (weder für sich noch für seine Volksgruppe) noch auch der, der sich weigert, dies zu tun. (Denn die Anigst vor möglicher Diskriminierung ist ebenso psychologische Tatsache wie auf der andern Seite die „Urangst“ vor südlicher Begehrlichkeit.)

Wohlgemerkt — am Recht aller beteiligten oder betroffenen Organisationen, sich in die Pro-pagandawelle einzuschalten, pro oder kontra Stimmenabgabe, soll keineswegs gerüttelt werden. Aber wohl jedes Freiheitsrecht würde ad absurdum geführt, wollte es jeder und an jedem Ort und ohne Rücksicht auf die Folgen auch aaisnützen. Zum Gemeinwohl gelhört auch der zeitweilige Verzicht, ein unbestrittenes Recht in Anspruch zu nehmen. Freiwillig.

Verzichten sollten die Parteien darauf, mit der Zählutngsinforma-tion einen Zwischehwahlkampf abzuführen und die Konkurrenten im Buhlen um den Wähler auszustechen. Verzichten sollte der Heimatdienst auf Aktionen wie jene Denkmalwedhe in St. Kanzian, der Slowenen auf jene wie die Ordensverleihung an Ex-Partisanen in Klagenfuxt. Alle solche Aktionen (wohlgemerkt: rechtlich im Sinn der Versammlungsfreiheit unangreifbar) müssen den Gegner provozieren — sollen sie es vielleicht sogar? — und führen immer wieder neu zur Aufschaukelung der Leidenschaften.

Alle jene, die — auf welcher Seite immer — betonen, daß ihnen der Friede in der gemeinsamen Heimat am Herzen liegt (ich ziehe ihre Beteuerungen keineswegs in Zweifel), sollten sich bewußt sein, daß dieser Friede nur mit Geduld, mit Toleranz, mit Verständnis für den andern erhalten oder wiederhergestellt werden kann. Daß Justamentreaktionen, Stärkedemonstrationen vom jeweils anderen als Provokation empfunden werden müssen (die Atmosphäre in Kärnten äst eben bereits so neurotisch geworden,daß man nicht mehr ruhig reagieren kann) und daß durch alle diese Aktionen jeweils die Extremisten dm anderen Lager das willkommene Zündmaterial erhalten, auf dem der Zwist am Kochen gehalten wird.

Die politische Maschinierie ist angelaufen, es ist nicht zu erwarten, daß Vernunftgründe noch wirken könnten, diese völlig überflüssige Zählung vorher abzublasen. Bundes- und Landesregierung dürften sich täuschen, wenn sie erwarten, nach Durchführung alle Probleme beseitigt zu haben. Denn nach den vorausgegangenen Aktionen kann jedes Ergebnis von denen in Frage gestellt werden, die mit ihm nicht einverstanden sind. Und nach den Zählungsergebnissen aufgestellte Ortstafeln (ganz abgesehen von der 25-Prozent-Marke) werden den einen zu viel, den andern zu wenig sein. In einer Atmosphäre ständig am Gären gehaltener Emotionen kann kein friedliches Neben- und Miteinander gelingen. Man sollte sich hüten, dieses Gären durch als „Information“ getarnte Wahlpropaganda noch weiter anzuheizen.

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