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IM SPIEGEL DER PRESSE

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Zum ideologischen Existenzminimum der SPÖ gehört auch dei Kampf für die wirtschaftlich Schwachen und Entrechteten. Wann wird sich einmal ein sozialistischer Abgeordneter finden, der etwa in der Sozialdebatte im Parlament offen und eindringlich auf die menschenunwürdige Behandlung vieler Dritteklassepatien- fen in den österreichischen Spitälern hinweist? Allgemeine Bemerkungen genügen nicht. Millionen Kranken- kassenmifglieder sind praktisch ohne Vertretung im Parlament. Die Krankenkassenmitglieder werden durch die Krankenkassendirekforen vertreten. Die Direktoren stehen abei meist auf seifen der Institute und nicht der Patienten. Die Not der Drifteklassepatienten ist eines der größten Tabus in Österreich.

Es gibt die Not jener Arbeitnehmer, die durch schwache oder laxe Gewerkschaften vertreten werden.

Es gibt die Not der Konsumenten. Wo blieb in all den Jahren die Empörung der sozialistischen Presse angesichts der ungeheuerlichen Dinge, die in den vielen Lebens- miffelprozessen bekannt wurden?

Nicht wenige unserer Mitbürger leben am Rande der Gesellschaft. Diese „aus dem Nest Gefallenen" bildeten zum Teil das Publikum Olahs. Die SPÖ sollte sich um diese Leute kümmern …

„Sozialismus ist Menschlichkeit", heißt es in der Theorie. In der SPO scheint es aber bemerkenswert viel Herzenskälte zu geben. Intellektuelle Sozialisten reden zwar gern vom Einkommensgefälle in Österreich, aber nehmen keinen inneren Anteil am Schicksal der zu kurz Gekommenen. Ich hörte einmal das harte Wort vom „Gefühlssozialismus". Sollte darunter die soziale Gesinnung gemeint sein, dann frage ich mich, was vom Sozialismus noch übrigbleibt, wenn man den Gefühlssozialismus wegsfreichf.

(Kurt Vorhafen „Oberprüfung der linken Ideale”)

Eine bemerkenswerte Kontakfauf- na'bme fand Mitte Juli in einer Linzer Privatwohnung statt: Dorf fral sich Burger mit dem Freiheitlichen Bundesobmann Friedrich Peter. Das Gespräch galt der National-Demokratischen Partei, die vor kurzem in Innsbruck für ganz Österreich ange- meldef worden war und hinter der Burger und seine Leute stehen. Die bei den jüngsten Wahlen dezimierte FPÖ hat begreifliches Interesse daran, daß ihr durch die NDP nicht national-gesinnte Wähler abspenstig gemacht werden. Wie man hört, habe Burger versichert, daß bis auf weiteres keine Landesfrlialen der NDP gegründet werden würden und daß das innenpolitische Feld in den Bundesländern den Freiheitlichen überlassen bleibe. Peter lief sich außerdem über den Stand der Verhandlungen über Südtirol informieren. Er soll zu verstehen gegeben haben, daß er mehr als bisher nationale Saiten anklingen lassen würde. Das Thema Südtirol sei in dieser Beziehung nicht undankbar, weil es der Opposition Angriffe auf beide Großparfeien biete. Der FPÖ gebe es Gelegenheit, nationale Wählerkreise besser als bisher anzusprechen, ohne ins „nationalistische" Fahrwasser zu gleiten.

(„Burger verstärkt politische Aktivität")

Das Spektrum des Extremismus ist sehr breit. Es reicht vom falsch verstandenen Idealismus und Patriotismus bis zu schierem Abenteurertum und unverdauten politischen Affekten des Rechfsexfremismus. Es darf schließlich nicht vergessen werden, daß der Extremismus eine diffuse Atmosphäre schafft, die es möglich macht, in ihm Elemente wirksam werden zu lassen, die aus politischen

Gründen, die mit dem Problem gar nichts zu tun haben, nur an der Unruhestiftung interessiert sind.

Selbst wenn man versucht, den Extremismus aus seiner Gefühlslage und Geisteshaltung zu verstehen, muß man zu dem Schluß kommen, daß er abzulehnen ist. Zypern und Irland werden gerne als Beispiele dafür genannt, daß nur durch Gewalt eine Minderheit ihr natürliches Recht erkämpfen könne. Das Mißverständnis liegt auf der Hand. Der irische Freiheitskampf wäre undenkbar ohne die fiefe Kluft des religiösen Bekenntnisses, das die katholischen Iren von den protestantischen Briten trennt. Das Zypernproblem ist nur zu verstehen, wenn man die soziale Lage eines unterentwickelten Landes und das südländische Temperament ins Kalkül zieht.

(Waller Pollak: „Nochmals Südtirol")

über das Heeresbudgef zu sprechen, ist nicht populär und auch wenig erwünscht. Man tut es als unbequemes, notwendiges oder gar unnotwendiges Übel ab, basta. Der Finanzminisfer selbst nannte alle Ausgaben für die Landesverteidigung eine Fehlinvestition (natürlich nur volkswirtschaftlich gesehen), und im „Forum" konnte man lesen, daß das Heerwesen keinen den Aufwand einigermaßen lohnenden Zweck erfüllt. Nun, für 1966 sind es knappe 3,2 Milliarden Schilling …

Mit den 3,2 Milliarden nämlich so zu manipulieren, daß effektiv die Verteidigungskraft der gesamten Streitkräfte eine Steigerung erfährt, bedeutet wahrhaftig keine leichte Aufgabe. Denn das Mißverhältnis zwischen der Größe und der Vielfalt des Heereskörpers und den minimalen budgetären Möglichkeiten ist ja erschreckend kraß. Gerade dieses entscheidende Faktum hat auch die „Furche" aufgezeigt. Sie stellte fest, daß es den militärischen Beratern bis heute nicht gelungen sei, ein Opera- fionskonzepf zu finden, das den österreichischen Gegebenheiten angepaßt ist und keine nur maßstabgerechte verkleinerte Großmachtstrategie zum Inhalt hat. Mit dieser Mahnung traf das Blatt ins Schwarze.

(Walther Urbanek: „Rüstung als ,NeutralI- tätsexempel't )

Doch bleibt eine der faszinierendsten Besonderheiten des heutigen Österreich in der Regel außerhalb des Blickfelds der meisten Ausländer: Die beispiellose Steigerung des Nationalbewußtseins. Gewiß ist der Begriff Nation sehr kompliziert, gewiß läßt sich nationales Selbstbewußtsein weder statistisch erfassen noch knipsen, wie empfindlich der eingelegte Film auch sein mag. Graf Stadion erklärte bekanntlich bereits 1807: „Wir sind als Nation konstituiert", aber nach Ansicht vieler denkender Österreicher hat sich das Nationalbewußfsein des Volkes erst nach 1945 endgültig gefestigt.

AH das mag auf den ersten Blick sonderbar wirken. Bestand die Republik Österreich nicht bereits nach dem ersten Weltkrieg? Jawohl. Aber die Erste Republik, erklärt der bekannte Wiener Publizist Dr. Kurt S'kalnik, war für die herrschenden Kreise eher ein „Wartesaal": Erwartung des Anschlusses an die Weimarer Republik, Erwartung einer Wiederherstellung der Donaumonarchie oder einer Donauföderafion. Das Ende von all dem ist bekannt. 1938 hörte die Republik Österreich auf, zu existieren.

(Ilja Konstantinowski: „österreichische Impressionen" in „Neue Zeit")

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