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Demnächst: zweiter Ortstafelsturm?

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Angenommen, in Kärnten kommt es zu einer Volkszählung besonderer Art und es wird anschließend gemäß einem eigenen Bundesgesetz Slowenisch zusätzlich zum Deutschen als Verwaltungsamtssprache in der Weise eingeführt, daß unter anderem auch zweisprachige Ortstafeln in jenen Gemeinden, Bezirken und Ortschaften aufgestellt werden, in welchen 25 Prozent der Bevölkerung sich als Sprachslowenen bekannt haben, ist trotz Vereinbarung der drei politischen Mehrheitsvolk-Parteien nicht gesichert, daß diesmal die zweisprachigen Ortstafeln Bestand haben werden.

Noch läßt sich nicht abschätzen, wo dann solche Ortstafeln aufgestellt werden müßten. Denn im Gegensatz zum letzten Ortstafelgesetz aus dem Jahre 1972, BGBl. Nr. 270, das für 205 Ortschaften (nicht: Gemeinden) zweisprachige Ortstafeln auf der Grundlage bestimmte, daß 20 Prozent der Bevölkerung sich bei der Volkszählung 1961 (die Ergebnisse der Zählung von 1971 lagen noch nicht vor) als Slowenen der Sprache nach bekannt hatten (Varianten: Slowenisch, Slowenisch und Deutsch, Deutsch und Slowenisch, Windisch und Slowenisch, Slowenisch und Windisch) soll ja bei der Sprachzählung „besonderer Art“ das Ergebnis eine Doppelsprachigkeit nur dort sein, wo sich mindestens 25 Prozent der Bevölkerung zur Minderheitssprache bekennen. Allerdings: das Ortstafelgesetz 1972, das von der SPÖ mit einer kaum glaublichen Leichtfertigkeit ohne Einvernehmen mit den anderen Parteien vom Zaun gebrochen wurde — ein Unterzeichner des Initiativantrages erklärte mir noch am Tag vor der Nationalratssitzung, er wisse gar nicht, was in dem Gesetz wirklich stehe, ich möge ihm dasselbe erklären — ging nur von den Sprachvarianten aus, in welchen das Wort „Slowenisch“ vorkam. Die damals noch größere Zahl von Varianten mit Windisch (Windisch, Windisch-Deutsch,

Deutsch-Windisch) wurde für die 20 Prozent nicht herangezogen. Es ist schwer zu sagen, was bei der Sprachzählung besonderer Art, bei der auf

die Familiensprache abgestellt wird (nicht wie bei Volkszählungen auf die Umgangssprache) und auch Windisch (Mundart) dem Slowenischen zugerechnet werden soll, ortschaftenweise herauskommen wird. Die Wahrscheinlichkeit ist mit Rücksicht auf die 25-Prozent-Klausel groß, daß ortschaftenweise erheblich weniger Ortschaften als 1951 zur offiziellen Zweisprachigkeit gelangen werden. Sollten, was noch ungeklärt ist, aber Ortschaften schlechthin nicht mehr zweisprachige Ortstafeln erhalten, sondern nur noch Gemeinden und jene Gemeindeteile, die früher eigene Gemeinden waren und mit anderen Gemeinden deutscher Mehrheit seither zusammengelegt wurden, so wird es nur sehr wenige Gemeinden und Ortschaften geben, in denen dann zweisprachige Ortstafeln aufzustellen sind. Man kann damit rechnen, daß es sich bei ganzen Gemeinden nur noch um Rottmannsdorf, Zell, St. Jakob im Rosental, Bleiburg, Eisenkappel-Vellach, Globasnitz, Ludmannsdorf, vielleicht auch Galli-zien, Sittersdorf und St. Kanzian am Klopeiner See handeln wird. Pessimisten rechnen sogar nur mit drei Gemeinden. An Altgemeinden unter den Ortschaften käme allerdings vermutlich eine größere Zahl in den Genuß zweisprachiger Ortstafeln.

Dennoch besteht offenbar die Wahrscheinlichkeit, daß auch diese wieder einem Ortstafelsturm zum Opfer fallen werden, der natürlich wie der letzte organisiert veranstaltet und von den Behörden wiederum toleriert werden wird. Das ergibt sich nämlich aus einem Interview, das in der im Verlag der deutschen Soldatenzeitung erscheinenden Wochenzeitung „Deutscher Anzeiger“ Nr. 10 vom 5. März 1976 abgedruckt ist und das der Pfarrer von Maria-Saal, Wilhelm Mucher, dieser rechtsextremistischen Zeitung gewährt hat. Wilhem Mucher hat, als er noch Pfarrer in Nötsch im Gailtal (früher: Nötsch am Dobratsch) war, unter dem Pseudonym Hermagoras Schri-bar eine Broschüre „Minderheit ohne Maske“ herausgebracht, in der den Slowenen der Kampf angesagt wurde, später hat er gegen die Slawenapostel Cyrill und Method geschrieben und noch ist es nicht lange her, daß er in Wernberg eine nationalpolitische Predigt hielt, die jedenfalls von den Slowenen wiederum als äußerst diskriminierend empfunden wurde. Im „Deutschen Anzeiger“ wird nun unter der Überschrift „Stehen Kärnten neue Unruhen bevor?“ der Pfarrer gefragt „Wird sich die deutsche Mehrheit damit abfinden, daß nach der geplanten Regelung zweisprachige Ortsschilder aufgestellt werden?“ Seine Antwort: „Das weiß ich nicht, möchte es aber stark bezweifeln. Die Stimmung ist dagegen.“ Und weiter, auf die Frage „Ist es möglich, daß sich die Auseinandersetzung bis zur Gewalttätigkeit eskaliert?“, sagt Mucher: „Das vermag ich nicht zu sagen. Doch ich bezweifle, daß die zweisprachigen Schilder stehen bleiben würden.“ Daß Mucher den Prozentsatz von 25 Prozent für zu niedrig ansieht, sei nebenher erwähnt.

Mucher sagt natürlich nicht, daß die Deutschkärntner Gewalttätigkeiten begehen sollen. Aber allein die Tatsache, daß er jetzt schon auch für den Fall nur ganz weniger zweisprachiger Ortstafeln mit solchen rechnet, ist bedrückend.

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