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Volkszählung und Familie

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In allen Ländern werden in der Regel alle Jahrzehnte Volkszählungen vorgenommen. So auch in Österreich. Der bei uns im Jahre 1880 begonnene Turnus wurde durch die beiden Weltkriege gestört. Die Zählungen in den Jahren 1920, 1923, 1934 upd 1939 fallen irgendwie sachlich oder zeitlich heraus. Nach dem Wiedererstehen Österreichs wurde durch das Volkszählungsgesetz vom 5. Juli 1950 die Ordnung wiederhergestellt und am 1. Juni 1951 wieder eine „ordentliche Volkszählung“ durchgeführt. Die nächste nun fällige ist für den 21. März d. J. angesetzt.

Diese Zählungen sind Bestandsautr nahmen der Bevölkerung nach bestimmten, durch das Gesetz festgesetzten Merkmalen. Ihre Ergebnisse sind für Verwaltung, Wirtschaft und Wissenschaft von großer Bedeutung. Sie geben die Möglichkeit zu statistisch gesicherten Urteilsbildungen über den Stand und die Entwicklung der Bevölkerung und zu zeitlichen und regionalen Vergleichen. Da die Wohnbevölkerung die gesetzliche Grundlage für die Verteilung der Mandate in den gesetzgebenden Körperschaften ist, sehen die politischen Parteien in ihrer Feststellung die wichtigste Aufgabe der Volkszählung, während die Gemeinden an den Ergebnissen wegen des Finanzausgleiches besonders interessiert sind.

Die Zählpapiere für die bevorstehende Zählung liegen in der Staatsdruckerei schon auf. Sie wurden auch bereits zur Verteilung an die Gemeinden versendet, und in wenigen Tagen werden die Haushaltsvorstände ihre „Haushaltsliste“ zur vollständigen und wahrheitsgetreuen Ausfüllung in Händen haben. So wie überall, hat auch der Österreicher im allgemeinen am Ausfüllen von Fragebogen keine Freude, was ja durchaus verständlich ist. Der Zweck der genauen Ausfüllung ist vielleicht nicht für jeden sofort einleuchtend und die Arbeit für manchen mitunter schwierig und wegen an fremde Personen . (Hausbesorgerin, und sp weiteö möglicherweise unangenehm. Trotzdem ist anzunehmen, daß jeder dazu aufgeforderte Staatsbürger wegen der großen Bedeutung der Angaben für die Zwecke der Volkszählung auch ohne Hinweis auf die gesetzliche Verpflichtung die Liste richtig und leserlich ausfüllen wird. Wie ausdrücklich vermerkt ist, dienen die Angaben nur statistischen Zwecken. Sie werden im Statistischen Zentralamt von Bundesbediensteten verarbeitet, welche bei Strafe zur Geheimhaltung gegen jedermann verpflichtet sind.

Wer ist zu Hause?

Die „Haushaltsliste’ 1961 weist gegen das Zählpapier der Zählung im Jahre 1951 erhebliche Verbesserungen auf. Sie ist handlicher geworden, und von besonderem Vorteil wird sich die klare Fassung der Köpfe in den Fragespalten erweisen, die unrichtige Eintragungen nahezu ausschließt. Dadurch konnte auch das Blatt mit zusätzlichen „Erläuterungen“ kürzer und handlicher werden. Die Fragepunkte sind die gleichen wie bei der Volkszählung 1951 geblieben, lediglich vier Zusatzfragen sind auf der letzten Seite hinzugekommen. Wie bereits angeführt, sind die Fragen so verständlich gestellt, daß auf sie im einzelnen nicht eingegangen zu werden braucht. So wird die Ausfüllung der Listen kaum Mühe verursachen, bis auf jene Fälle, in denen Zweifel über die Zugehörigkeit zum Haushalt und über die „vorübergehende M- oder Anwesenheit" auf- treten. Von der richtigen Beantwortung dieser Fragen hängt letzten Endes die Ermittlung der Wohnbevölkerung ab. Haushalt und Wohnbevölkerung stehen in gewissem Sinne in Wechselbeziehung. Ihre Begriffsinhalte sind von Land zu Land etwas verschieden. ln Österreich sind sie wegen fehlender oder durch die Zeit überholter gesetzlicher Definitionen nicht scharf umrissen, wozu noch die unterschiedlichen Auffassungen der politischen Parteien und der Gemeindevertretungen über diese Begriffe kommen. Trotz vieler Bemühungen bestehen die, wenn auch nicht sehr erheblichen Unterschiede weiter. Da ein objektiver Tatbestand in dieser Hinsicht nicht sicherzustellen ist und nur die subjektiven Eintragungen in den Liste gewertet werden können, wäre die Einhaltung eines Vorganges wünschenswert, der die Wirklichkeit vermutlich am besten wiedergibt. Dies würde erreicht, wenn erst überlegt wird, wer zum Zu-Hause-Sein in einem Haushalt gehört. Als „vorübergehend abwesend“ wäre jede zur Zählungszeit von zu Hause abwesende Person einzutragen, diese müßte sich selbstverständlich an ihrem Aufenthaltsort nur als „vorübergehend , anwesend“ eintragen oder eintragen lassen. Andere Auffassungen würden den Tatsachen weniger gut entsprechen. Nach den Erläuterungen könnten auch hinsichtlich der zum Wehrdienst eingezogenen Wehrpflichtigen Zweifel über das richtige Einträgen auftauchen, die aber wohl durch amtliche Weisungen auszuschalten wären.

Die Frage nach der abgeschlossenen Schulbildung beschränkt sich auf die Erfassung der Absolventen der berufsbildenden Fachschulen, der Mittelschulen und der Hochschulen mit möglichst genauer Angabe der Fachrichtung. Es sollen wohl Vergleichsunterlagen zur Bildungsentwicklung in den Oststaaten besonders für die technischen Gebiete gewonnen werden. Der Wert der Frage nach dem erlernten Beruf erscheint im Rahmen einer Volkszählung und bei Vollbeschäftigung zweifelhaft.

Die mit der Berufstätigkeit zusammenhängenden Fragen zeichnen sich durch Übersichtlichkeit und Verständlichkeit besonders aus, was der Sicherheit der Ergebnisse sehr zunutze kommen müßte.

Neue Fragen

Neu ist gegenüber der Volkszählung 1951 die Aufnahme von Zusatzfragen auf der vierten Bogenseite. Eine von diesen wird interessante Aufschlüsse über die Binnenwanderung (Stichtag Juni 1956) geben. Auch die Ausgliederung der Selbständigen nach der Anzahl der mithelfenden Familienangehörigen — soweit der Befragte darüber klar ist, wer zu den Familienangehörigen zu zählen ist — und nach der Zahl der bei ihm beschäftigten Arbeitnehmer soll wünschenswerte sozio-ökonomische Einblicke gewähren. Von großer Wichtigkeit ist das Pendlerproblem. Durch eine der Zusatzfragen wird wenigstens die Teilfrage nach den Zeitabständen des Pendelns einer Beantwortung zugeführt. Aus der Zusatzfrage nach der bezugsan- weisenden Stelle für Rentner und Pensionisten wird leider die Zahl der berufstätigen Rentner (Pensionisten) und die der Pension (Rente) empfangenden Berufstätigen weder ausgeglichen noch zu erfahren sein. Die Frage an zivil- versehrte Körperbehinderte nach der Art des Gebrechens kann nur grobe Ergebnisse zeitigen.

Es fehlt etwas

Leider sind wieder drei für eine biologische Familienstatistik unerläßliche Fragen unterblieben, für die schon bei der Volkszählung 1934 Ansätze vorhanden waren und um deren Aufnahme man sich bereits 1950 vergeblich bemühte. Dij Gründe für die Ablehnung sind nicht bekannt, es können gesetzliche Schwierigkeiten, die Kostenfrage für die Aufarbeitung, aber auch nur Unverständnis sein. Es sind dies die Fragen nach dem Eheschließungsdatum der bestehenden Ehe, ob sie beiderseits die erste ist und wieviele Kinder der Ehe entstammen. Diese Fragen werden in Frankreich seit 80 Jahren bei jeder Volkszählung gestellt und waren in fast allen Ländern des Westens und Ostens in das Frageprogramm der Volkszählung 195051 aufgenommen. Sie werden dort auch wieder bei der Zählung 196061 gestellt. Die Ermittlung von Ziffern der ehelichen Fruchtbarkeit, nach der Ehedauer, von Längsschnitt- ziffern der Bevölkerungserneuerung ist nur auf Grund ihrer Beantwortung möglich. Ihr Fehlen verhindert die Möglichkeit einer genaueren Vorausberechnung der Bevölkerungszahl wie sie für eigene bevölkerungs- und familienpolitische Überlegungen nötig wäre und auch von der UNO gefordert wird. D. h. es wird auch nicht die Anzahl der ehelichen Mütter nach der Zahl der von ihnen geborenen Kinder festgestellt werden können. Es ist schon eigenartig, daß man einerseits von der nur individualistischen Betrachtungsweise der Zusammensetzung der Bevölkerung abrückt und wieder die Bedeutung der Familie erkennt un.wtfijtrejcht, „Vorsorgen,

für einen Familiehlastenausgleich getroffen hat und trifft und anderseits irgendwie kurzsichtig kein Interesse für die Beschaffung sicherer statistischer Unterlagen für Kostenberechnungen aufbringt. Dies bestätigt nur die seit jeher festzustellende Abneigung der Verwaltung gegen bevölkerungs- und schon gar familienstatistische Erhebungen. Menschen werden geboren, Menschen sterben, das genügt!

Unterstrichen wird dieser Zustand durch lineare Sparmaßnahmen. Wie einer Zeitungsnachricht zu entnehmen war, ist die vom Statistischen Zentralamt für notwendig gehaltene Zahl der für die Aufarbeitung erforderlichen 350 Hilfskräfte auf 150 beschränkt worden, d. h. aber entweder Streichung von beabsichtigten Aufarbeitungen oder ihre Hinausschiebung in folgende Jahre. Beide Auswirkungen sind für eine Volkszählung und für den Wert zu spät gelieferter statistischer Ergebnisse zumindest unzweckmäßig.

In den Aufarbeitungsplan gehört auch noch die zum gleichen Zeitpunkt erfolgende Häuser- und Wohnungszählung, auf deren Ergebnisse Verwaltung und politische Parteien brennend warten.

So ist es leicht auszurechnen, daß nicht viel Zeit und Geld für die soziologische Familienstatistik übrigbleiben wird — die biologische Familienstatistik oder Fruchtbarkeitsstatistik ist ohnehin nicht möglich. Im besten Fall sind ihre sicher nicht unwichtigen Ergebnisse an letzter Stelle, das ist nicht vor 1964 im Ausmaß der drei kleinen Tabellen der Volkszählung 1951 zu erwarten. Es handelt sich um die Darstellung der im gemeinsamen Haushalt lebenden Ehepaare nach der Zahl der unversorgten Kinder, hoffentlich nicht nur für die städtische sondern auch für die Landbevölkerung, welcher auch ein Bild der Verhältnisse bei den Restfamilien anzufügen wäre.

Im allgemeinen Interesse muß man bitten und hoffen, daß die Haushaltsvorstände die Haushaltslisten nach bestem Wissen und Gewissen ausfüllen und dadurch dem Statistischen Zentralamt die Arbeit erleichtern und durch ihre kleine Mühe dem Staat Kosten ersparen.

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