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Hurra, die Tellerkappe!

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Am 23. November dieses Jahres fand eine Pressekonferenz in der Wiener Fasangartenkaserne statt, in welcher der Ressortminister „die neue Uniform des österreichischen Bundesheeres“ vorstellte.

Im April des heurigen Jahres hatte ein Diskussionsabend des Klubs der Wehrpublizisten an der selben Stelle das alte Streitgespräch über die Uniform des österreichischen Soldaten eine aktuelle Bedeutung gegeben. Hie „Fortschrittliche“ hieß es dabei, hie „Traditionalisten“ oder, auf einen einfachen Nenner gebracht, hie „Tellerkappe“ (oft auch „Schirmmütze“) und hie österreichische Kappe. Aber siehe da, die Fronten gingen bei dieser Diskussion mitten durch die beiden Koalitionsparteien, deren eine doch angeblich den Fortschritt gepachtet hat, und deren andere so gerne mit ihrem „Konservatismus“ liebäugelt. Noch Ende April fand dann die erste Sitzung der im Landesverteidigungsministerium gebildeten Uniformkommission, der neben den hohen Militärs auch Soldatenvertreter, Gewerkschaftsvertreter und sogar Experten, ein Modefachmann und zwei Uniformhistoriker angehörten, statt. Es soll und kann hier nicht untersucht werden, wie weit nun etwa die Empfehlungen dieser Kommission in die Tat umgesetzt wurden, oder mit welchem Erfolg sich die Nur-Experten in der Kommission Gehör verschaffen konnten. Hingegen scheint es Verpflichtung, darzulegen, was nun der österreichische Soldat als österreichische Uniform zu tragen haben wird, wie es mit dem Soll und Haben der neuesten Kreationen militärischer Bekleidung in Österreich aussieht. Wohl sagt Angelus Silesius 1675, „das Kleid macht nicht den Mann, der Sattel kein Pferd“, allein die Soldatenuniform repräsentiert vor allem anderen das Vaterland und ist darum Ausdruck gleichsam auch der Seele, die eine Armee beherrscht oder derer sie ermangelt.

Haben wir keine Uniformschneider mehr?

Einen sehr wesentlichen ästhetischen Fortschritt im österreichischen Uniformwesen stellt zweifellos die bessere Abstimmung der Farbnuancen von Rock und Hose aufeinander dar. Das alte Eisengrau der Hose ist einem ziemlich hellen Feldgrau gewichen. Der Rock selbst ist auf vier Knöpfe gearbeitet, hat zwei Brusttaschen — leider wieder eine Mittelfalte — und, der österreichischen Uniformtradition entsprechend, leicht geschwungene Patten. Im Rücken wurde leider der seinerzeit vorgeschlagene „Kaiserschnitt“ (Frackschnitt) nicht ausgeführt, wodurch der Taillensitz des neuen Rockes beeinträchtigt erscheint. Die Eleganz französischer, italienischer oder amerikanischer

Uniformröcke wurde wieder nicht erreicht. Haben wir keine Uniformschneider mehr? Recht gut wirken die beiden schräg eingeschnittenen Seitentaschen. Die Kragenaufschläge und die Achselspange sind gleichgeblieben. Als gelungene Neuerung darf das vorgeführte Hosenmodell bezeichnet werden. Es hat keine Bundfalten, ist etwas enger als die bisher getragene Hose, hat schräg eingeschnittene Taschen und ist am unteren Rand nach hinten abfallend

geschnitten, was eine vollkommene Paßform sichert. Materialmäßig wurden Rock und Hose verbessert. Der Passepoil ist vollkommen weggefallen.

Ausgesprochen zu bejahen, und zwar sowohl vom modischen als auch vom patriotischen oder vom Standpunkt der Zweckmäßigkeit, ist auch das vorgeführte Modell der österreichischen Lagerkappe. Dieses soll an Stelle des „Schiffchens“ von den Panzertruppen, den Pionieren und den Tel-Truppen zum Felddienst getragen werden. Die Kappe ist nach bester altösterreichischer Tradition geschaffen worden und wirkt äußerst elegant. Mit Zustimmung werden viele Teilnehmer an der Pressekonferenz auch festgestellt haben, daß die vom Bundesheer bislang getragenen „Goldfasanknöpfe“ — zumindest auf der Ausgangsuniform und der eben genannten Lagerkappe — verschwunden sind. Sie wurden durch Knöpfe mit dem Staatswappen, für Offiziere in Gold, Unteroffiziere in Silber, für die Mannschaft in Aluminium, ersetzt. In Ausführung und Stilisie-

rung sind diese Knöpfe übrigens über jegliche Kritik erhaben.

Polohemd und Homburg-

Auch die Einführung einer Sommeruniform, bestehend aus Hemd und Hose, ist zu den positiven Ergebnissen dieser Uniformierungsreform zu rechnen. Das helle, feldgraue Hemd sieht auch ohne Rock recht gut aus und wird zweifellos dem Mann große Erleichterung bringen. Wenig vorteilhaft allerdings

wirkt es ohne Krawatte mit offenem Kragen. Vielleicht sollte hier an die Einführung eines Plastrons gedacht werden. Völlig unharmonisch aber wirkt diese Sommeruniform, wenn dazu eine Tellerkappe getragen wird. Schließlich trägt man ja auch in Zivil zum Polohemd keinen Homburg. Zur Sommeruniform würde hingegen die oben besprochene Lagerkappe ausgezeichnet passen.

Nun aber zur neuen Kopfbedek- kung des Bundesheeres, zur Tellerkappe, von der viele, die „es wissen müssen“, behaupten, sie sei der eigentliche Grund für die rege Uniformdiskussion gewesen, ihre Einführung aber glücklich erreichtes Endziel aller Bestrebungen. Es sei vorweggenommen: Man hat sich um

Und das „Epochale“ dieser Reform?

In der Diskussion um die Verzierung der neuen österreichischen Kappe ist ins Treffen geführt worden, gerade dieser „Pleonasmus“, der in dem gleichzeitigen Anbringen von Rosette — also Auszug aus dem Staatswappen — und diesem selber liege, sei altösterreichische Tradition. Als Beweis wurde der k. u. k. Infanterietschako her'angezogen. Allerdings wurde dabei vergessen, daß die altösterreichische Rosette eben auch den „Allerhöchsten Namenszug“ des jeweils regierenden Kaisers trug und so eben sehr wesentlich von den heutigen Rosetten unterschieden war!

Von gutem Zuschnitt und offenbar ebensolcher Qualität ist der im Raglanschnitt mit verdeckter Knopf-

eine „österreichische Lösung“ des hochgespielten „Problems“ bemüht, und man fand eine solche Lösung. Allein, es hätte auch eine österreichischere gegeben: eine zeitgemäße Modifizierung der alten charakteristischen österreichischen Kappe. In der Form -schließt das neue Tellerkappenmodell nur sehr entfernt an die Offizierskappe der k. u. k. Kriegsmarine an. Schon eher sind Anklänge an die Luftwaffenkappe des Ständestaates festzustellen. Die Marinekappe hätte — auch bei einiger zeitgemäßer Modifizierung — einen viel runderen Teller aufweisen müssen; der Schild hätte ebenfalls rund und nicht soweit vorspringend sein müssen. Gut österreichisch wirkt hingegen die Einfassung des Kappenschirmes. Elegant wirkt auch der in dunklem Feldgrau gehaltene samtene Steg der neuen Kappe.

Alles andere als glücklich dagegen ist der Schmuck der Kappe gewählt worden. Offiziere sollen auf dem Steg ein Bundeswappen in Gold, Unteroffiziere ein solches in Silber und Mannschaften ein metallfarbenes Staatswappen tragen. Dazu gehört dann eine entsprechende geflochtene (Marine-) Kordel als Sturmband. Außerdem sind am Kappensteg die Distinktionsstreifen, wie sie schon jetzt bei den Luftstreitkräften üblich sind, angebracht. Von vorne gesehen, stören die materialbedingt verschiedenen Gold- beziehungsweise Silber- oder Metalltöne das harmonische Bild sehr. Das Bundeswappen selbst ist bestimmt nicht von einem Wappenkünstler entworfen, sondern offenbar von irgend einer Stempelfirma. Es ist durch späten und mißverstandenen Jugendstil und durch einen es umgebenden, oben offenen klobigen Eichenkranz charakterisiert. Das Wappen entspricht den gesetzlichen Bestimmungen, mehr aber nicht! Der Eichenkranz erinnert stark an einen ebensolchen Kranz, der seinerzeit die Länderwappen auf den Kappen des ersten Bundesheeres umgeben hat, und allenthalben noch als Stocknagel verkauft wird. Überhöht ist das Wappen von einer Rosette in den Staatsfarben. (Im Zusammenhang damit ist es nicht uninteressant, festzustellen, daß von den 14 NATO-Staaten — jeder verfügt über Armee, Luftflotte und Marine, wodurch sich 42 verschiedene militärische Kappen ergeben — nicht ein einziger Staatswappen und Kokarde auf den Militärkappen führt.)

leiste gearbeitete neue Regenmantel. Dieser hat Achselklappen — sie wirken etwas breit, steif, im „rus- sian look“ —, mit direkt darauf angebrachten Distinktionen. Die für die Hemden vorgesehenen Achseldistinktionen hingegen haben die Form von Kragenaufschlägen und zeigen auch die Waffenfarben. Ob bei der geplanten Kennzeichnung von Mantel und Hemd durch Achseldistinktionen unbedingt auch noch die Distinktionsstreifen an den Kappen angebracht wenden müssen, bleibt mehr als fraglich. Ein Zuviel tut nirgends gut, auch nicht bei einer Uniform.

Wo aber liegt denn nun das wirklich „Epochale“ dieser Uniformreform? Tatsächlich nicht darin, daß man die dem österreichischen Soldaten im eigentlichen Sinn doch fremde Tellerkappe eingeführt hat, sondern vielmehr in der Tatsache, daß die schon im 18. Jahrhundert vollzogene Trennung von Uniform und Zivilkleidung im österreichischen Bundesheer von heute aufgehoben erscheint. Zum offenen Kragen mit Krawatte ist also nun ein Rock von stark zivilistischem Zuschnitt — und dieser Eindruck wird durch die stark mit militärischem Beiwerk versehene zeitgenössische Herrenmode noch verstärkt — gekommen. Der österreichische Soldat Wird zudem zum ersten Male seit mehr als dreihundert Jahren ohne Leibriemen ausgehen! Für die Entwicklung des österreichischen Uniformbildes stellt die eben vorgestellte Garnitur zunächst einen Endpunkt dar, mehr als etwa die Einführung der Pantalons im 19. Jahr-

hundert, ja mehr selbst als der Wechsel von Weiß zu Blau, von Blau zu Hecht- beziehungsweise Feldgrau!

Mit aller Deutlichkeit zeigte die kurze Diskussion am Ende der Konferenz übrigens, wie sehr manche Zeitgenossen immer noch in Kategorien von gestern zu denken pfle

Abgelehnt: Entwurf Liewehr

Modern und doch traditionell

gen. Von dem leider üblich gewordenen häßlichen Begriff „Schirmmütze“ abgesehen, wurde doch zum Beispiel vorgeschlagen, man solle bei der Ausgabe der Tellerkappe das Flachland bevorzugen, da den Gebirgstruppen ohnehin die „Gebirgsjägermütze“ zustehe Ein anderer Neugieriger wollte gerne wissen, ob das Staatswappen auf der neuen Kappe auch die — offenbar verdächtigen — Symbole „Sichel und Hammer“ aufweise, und ein dritter Diskussionsredner sprach euphemistisch stets von „Kappen, wie sie zwischen 1939 und 1945 getragen wurden“, als ob es in jener Zeit des zwölfjährigen Reiches ein österreichisches Heer gegeben hätte.

Das Ergebnis der Diskussion? Nicht nur manche Angehörige des Bundesheeres, sondern auch Zivilisten haben eine gewisse Vergangenheit bewußt oder unbewußt noch nicht bewältigt.

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