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Zweifelhafter Modernismus

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Die Erkenntnis der — man darf sagen absoluten — Eigenständigkeit und starken Strahlungskraft des österreichischen Uniformwesens der Vergangenheit aber läßt den Uniformkundler auch feinfühlig werden und Besorgnis tragen für Gegenwart und Zukunft. Schon die merkwürdige Verblendung der Zeit nach dem ersten Weltkrieg hat zur Aufpfropfung fremder Uniformdetails auf die in Schnitt und Ausführung unveränderte österreichische Montur gebracht. Die sehr steife und hohe Tellerkappe etwa mit dem verkümmerten Messingschiildchen, der preußische Stehumlegkragen und die Achseldistinktionen russischer Herkunft wirkten zur Bluse, zur gelben Feldbinde und dem Säbel eines Offi-ziers^gej,adeai.JgCP-teik. Eia^Auiatmea-ging durch alle interessierten Kreise, als man &#9632;*9**~en<Wich zur Itösterrei-chischen Tradition zurückfand. Fünf Jahre später aber erfüllte sich das tragische Geschick nicht nur der österreichischen Uniform. Der Name Österreich, den ein Abgeordneter zum Nationalrat im Jahre 1919 „die Livree einer verhaßten Dynastie“ genannt hatte, war von der Landkarte verschwunden, die Rinnsteine lagen voll rot-weiß-roter Rosetten ...

Tradition als Grundlage

Staatspolitisch gesehen ist Tradition geradezu die Grundlage jeglicher staatlichen Ordnung. Dort wo zum alleinigen Zwecke der Anpassung an möglicherweise sachgebundene Fortschritte, die Wahrung der Überlieferung und die Bindung an ihren Gehalt aufhört, muß jegliche Tradition zwangsläufig verkümmern! Wir haben Zweckmäßigkeit, Schlichtheit und Geschmack als Merkmale des österreichischen Uniformwesens erkannt. Wir wissen, daß die Zweckmäßigkeit in jedem Heer über die Tradition zu stellen ist; allerdings nur dann, soweit es sich um feldmäßige Bekleidung handelt. Diesem Grundsatz entsprechend, werden wir uns in der Folge eben auch nur mit der Ausgangs- bzw. Paradeadjustierung unseres Heeres zu beschäftigen haben.

Wie also hat das junge Heer der Zweiten Republik die Frage österreichischer Tradition im Uniformwesen bisher gelöst? Es darf hier vorweg genommen werden, daß nach dem Abzug der Besatzungstruppen allenthalben echtes und redliches Bemühen der maßgeblichen Stellen um österreichische Uniformtraditionen einsetzte. Zu den schönsten Errungenschaften dieser ersten Aufbaujahre darf vor allem die Wiedereinführung der überlieferten Distinktionen und einer wirklich österreichischen Kopfbedeckung gezählt werden. Diese Kappe wurde in ihrer heutigen Form zwar erst 1868 allgemein eingeführt, ihre Traditionen aber reichen bis in die Anfänge des österreichischen Heerwesens zurück. Ihre Stammeltern waren Tschakelhaube und Fouragier- oder Holzmütze des 17- und 18. Jahrhunderts. 1811 wurde sie (regimentsfarbig) für Husarenoffiziere, 1828 für alle Kavallerieoffiziere, 1836 für die Grenadiere vorgeschrieben. 1868 entstanden dann die

drei bis 1938 geläufigen Formen dieser Kappe: die schwarze steife Offizierskappe, die weiche Mannschaftskappe und die halbsteife hechtgraue Kappe zunächst nur der Landwehroffiziere. Die hecht-, dann feldgraue steife Offizierskappe entstand während des ersten Weltkrieges. Hier aber sind wir nun bei einer gewissen Inkonsequenz im gegenwärtigen österreichischen Uniformwesen angelangt. Während nämlich die weiche Mannschaftskappe für alle Dienstgrade des Bundesheeres eingeführt wurde, hat man bisher versäumt, auch die steife Offizierskappe zu reaktivieren.

Disees- Versäumnis wurde vor kurzem in der Zeitung „Der Soldat“ durch einen Artikel mit dem bezie-huagsvoilen Titel „Kämpfer, Kappen und Komplexe“ mit nachfolgender Diskussion • in &#9632; zwei weiteren Nummern der genannten Zeitung beleuchtet. An dieser Dikussion haben sich bisher dreizehn Persönlichkeiten — darunter ein General, aktive Offiziere, aber auch Personen des Zivilstandes — beteiligt. Die Mehrzahl derselben hat sich — es ist fast als erschreckend zu bezeichnen — für die Einführung der Tellerkappe ausgesprochen. Die Tellerkappe kommt von der Schlafhaube her, von der preußischen „Spille“. Um 1800 erhält sie einen andersfarbigen Rand. 1 807 hat sie bereits die typische Form des „Krätz-

chens“. Durch die preußische Landwehr von 1813 wird diese Kappenform, nunmehr mit Schild, sosehr popularisiert, daß auch die Offiziere der Armee dieselbe annehmen. Zur selben

Zeit wie in Preußen, trat die Teller-kappe auch in Rußland auf und wurde dort während des 19- Jahrhunderts überhaupt zur dominierenden militärischen Kopfbedeckung. Dem österreichischen Uniformwesen aber war die Tellerkappe bis ins erste Viertel unseres Jahrhunderts absolut fremd. Es blieb der ersten Republik vorbehalten, gerade mit dieser Kopfbedeckung ihren „teutschen“ Charakter zu dokumentieren, beim Heer, der Exekutive, den Eisenbahnern usw. Gerade dieses Faktum aber zeigt sehr deutlich, wie sehr noch im 20. Jahrhundert Kopfbedek-kungen ganze Weltanschauungen auszudrücken im Stande sind.

Die Kappe — echtes Symbol

Wir sind selbstverständlich weit davon entfernt, etwa einen Gendarmen, weil er nun eine Tellerkappe trägt, für einen schlechten Österrei-

eher zu halten, aber wir bedauern, daß sich keine andere Kopfbedeckung für ihn finden ließ. Das Tragen der preußisch-russischen Tellerkappe zu einer österreichischen Uniform ist nämlich — ganz abgesehen von politischen und sentimentalen Ressentiments — ein Bruch eigenständiger Tradition und gewachsenen Uniformstiles. Darüber hinaus wäre, infolge des Symbolwertes von Kopfbedeckungen, eben auch ein

staatspolitisches Problem in der befürworteten Einführung der Tellerkappe zu sehen, welches nur noch durch die Wiedereinführung der russisch-preußischen Achseldistinktionen zu übertreffen wäre. Die militärische Uniform wird in aller Welt immer noch als die eigentliche Uniform eines Staates angesehen. Unsere kleine Armee ist nicht nur ein Heer des Volkes, sondern naturgemäß auch ein Heer Österreichs. Trench-Coat und Tellerkappe mögen modern sein, österreichisch sind sie nicht! Gerade jene Armee aber, die wohl die umfassendsten und nachhaltigsten Rüstungsanstrengungen auf unserem Kontinent unternimmt, hat nie auch nur daran gedacht, ihre gleichfalls aus dem Tschako hervorgegangene Kappe gegen eine „Schirmmütze“ umzutauschen: im modernen, republikanischen Frankreich trägt man französische Kappen.

Die Uniform von heute

Mit dem Uniformrock M59 besitzt das Bundesheer zum ersten Male seit 1914 wieder einen aerarischen Ausgansrock. Dieser ist formal stark vom sogenannten Eisenhower-Jacket abhängig und schlägt sich daher im Stil in gewisser Weise mit dem dazugehörigen Uniformmantel M 57. Insbesondere die sichtbaren Knöpfe (die österreichische Feldbluse 1868 bis 1938 hatte eine verdeckte, sehr elegant wirkende Knopfleiste), die Taschen mit der Mittelfalte und durchgeknöpfter Patte sowie der Stoffgürtel verursachen diesen Eindruck. Die goldgekörnten Knöpfe aber erwecken makabre Erinnerungen an die Zeit der „Goldfasane“. Während man bei der Schaffung der Distinktionen — von einigen Abweichungen abgesehen — altösterreichischen Traditionen folgte, erhielt der Kragenaufschlag durch die gewählte franco-belgische Fünfeckform ein total verändertes Aussehen.

Dabei wäre durch eine entsprechende Anpassung des Kragenschnittes auch beim Umlegkragen die Beibehaltung der viereckigen Aufschläge möglich gewesen.

Kein „Farbkast!“

Bei der Einführung der heutigen Aufschlagfarben hat man auf das alte „Farbkastel“ gänzlich verzichten müssen. Es gibt nur noch „Waffenfarben“. Jäger, Pioniere, Artillerie, Militärakademie, Gardebataillon haben Aufschläge altösterreichischer Tradition. Ohne ersichtlichen Grund wurde (wie schon in der ersten Republik) das Krapprot der Sanität durch Lichtblau ersetzt, die Versor-

gungstruppe (noch im ersten Bundesheer Lichtblau) dunkelblau und die Kraftfahrtruppe in derselben Farbe (in der ersten Republik schwarz) egalisiert. Reichsdeutsch-preußischer Tradition aber folgte man mit dem ..Goldgelb“ der Aufklärungstruppe, dem Rosa der Panzerjäger und dem Rostbraun der Telegraphentruppe.

An Abzeichen und Auszeichnungen ist unser Bundesheer verhältnismäßig arm. Die so überaus kleidsame Schützenauszeichnung von 1868 (Preußen 1894) soll wieder zur Einführung gelangen, außerdem gibt es im Bundesheer heute eine ganze Reihe von Tätigkeitsabzeichen (Schilehrer, Kraftfahr- und Wasserfahrlehrer usw.), die leider wegen der oft falschen Darstellung des Bundeswappens einer Kritik unterzogen werden müssen. Das Bundeswappen besteht nun einmal in einem freischwebenden Adler und darf nicht in einen (noch dazu silbernen) Schild gestellt werden.

Traditionsfahnen und Feldzeichen

Das Gardebataillon führt wieder Fangschnüre (Lombardisch-venezianische Gendarmerie 1815) und weiß vorgestoßene Aufschläge. In der Achselrosette der goldenen Fangschnüre hat sich übrigens, ganz versteckt aber doch, ein kleines Stückchen Schwarz-Gold erhalten. Bei den Mannschaften, Chargen und Unteroffizieren ist die Rosette gold-weiß. Garde und Militärakademie sind auch die einzigen Truppenkörper, die altösterreichische Traditionsfahnen besitzen. Im übrigen wird das Fahnenwesen des Bundesheeres nach dem Merkblatt des Bundesministeriums für Landesverteidigung von 1961 in traditionsgerechter, geschmackvoller und doch den modernen bundesstaatlichen Verhältnissen unseres Vaterlandes entsprechenderweise geregelt. Ein gewisser Schönheitsfehler des Merkblattes liegt allein

— auch das gehört zum Kapitel österreichischer Soldatensprache — darin, daß in seinem Titel der Begriff Feldzeichen umgedeutet wird. Unter Feldzeichen sind seit eh und je Unterscheidungszeichen im Felde, ursprünglich etwa ein Strohwjsch oder eine Armbinde; seit dem 16. Jahrhundert im kaiserlichen Heere die ursprünglich scharlachrote Feldbinde und mindestens seit dem 17. Jahrhundert das altbekannte Eichenlaub (im Winter Tannenreisig) zu verstehen. Als Sammelbegriff für Fahnen, Standarten und Ehrensignalhörner bzw. -trompeten wurde dieser Begriff erst im inoffiziellen Jargon der deutschen Wehrmacht üblich. Offiziell hieß es auch damals „Fahnen und Feldzeichen“. Bedauerlich ist weiter, daß seit der Einführung des sogenannten NATO-Stahlhelms das Eichenlaub auch als Festzeichen zu verschwinden scheint-. Es sollte doch möglich sein, dieses Symbol, das so alt wie die österreichische Armee selbst ist, wenigstens bei ParadefoTma-tionen — etwa beim Gardebataillon

— zu konservieren.

Vor kurzem hat man beim Bundes-heer auch wieder eine Feldbinde eingeführt. Leider entspricht dieselbe weder in Farbe, noch in Material oder Ausführung ihrer ehrwürdigen Vorgängerin.

Die Quintessenz der Ausführungen soll nicht, dies sei ausdrücklich betont, in der vorgebrachten Kritik, noch auch in einer Propagierung erstarrten Traditionalismus liegen, sondern vielmehr in einer, aus jahrelanger Beschäftigung mit der Materie erwachsenen Bitte an die Führung unseres Bundesheeres: Denken Sie bitte immer daran, daß das österreichische Bundesheer auch in seiner Uniform eine ehrwürdige Tradition zu erhalten hat, erhalten Sie unseren Soldaten eine österreichische Uniform!

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