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Mit Eichenlaub...?

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Heute heißt es ein „heißes Eisen” anfassen.

Wir drängen uns keineswegs darnach. Ganz im Gegenteil: Schon vor mehreren Jahren wurde in diesem Blatt dafür plädiert, die Frage des Tragens der deutschen Kriegsauszeichnungen, die wir während des zweiten Weltkrieges in der deutschen Wehrmacht dienenden Oesterreicher verliehen bekommen haben, für alle Zeiten ruhen zu lassen. Auch die Behörden und der Gesetzgeber ließen . sich bisher von dieser Ueberlegung leiten. Und diese Praxis hat sich im großen und ganzen auch bewährt.

Das soll nun anders werden. Wenn verschiedene Pressemeldungen recht behalten, so sind in letzter Zeit massive Bestrebungen am Werk, die vom Innenministerium im Herbst eine gesetzliche Regelung — das heißt Anerkennung — der Orden und Ehrenzeichen der- ehemaligen Großdeutschen Wehrmacht durch die österreichische Bundesregierung erwarten. Die Regelung, wie sie die Deutsche Bundesrepublik traf, wo das Hakenkreuz auf den Originalorden durch ein harmloses Eichenlaub ersetzt wurde, wird dabei als Vorbild empfohlen.

Doch wenn zwei dasselbe tun, ist es bekanntlich nicht immer dasselbe.

Zugegeben: der Vorschlag der Deutschen Bundesrepublik ist einfach. Er ist aber zu einfach, um in Oesterreich übernommen und gar für dessen Heer angewendet zu werden.

Warum eigentlich?

Eine kurze historische Erinnerung macht den grundlegenden Unterschied deutlich. Die Ereignisse des Jahres 193 8 sind bekannt. Damals hörte Oesterreich auf, ein eigener Staat zu sein. Es gab also auch im zweiten Weltkrieg keine österreichischen Soldaten, von österreichischen Truppen oder auch nur Truppenteilen ganz zu schweigen. Wohl aber ging unser ganzes Volk und vor allem seine männliche Jugend — teils von einem irregeleiteten Idealismus beseelt, zum Großteil aber unter hartem Zwang — in einen Krieg, der nicht der des österreichischen Vaterlandes war. Ja, immer klarer wurde es schließlich, daß der Weg zu einem freien Oesterreich nur über die Niederlage eben jener Wehrmacht führen konnte, in der die Masse der Oester- ‘ reicher diente. Welche Konflikte hier in der Brust jedes einzelnen entstehen mußten, liegt klar auf der Hand. Der überwiegende Teil der Oesterreicher in der Deutschen Wehrmacht hat — das sei ausdrücklich festgehalten — seine wegen persönlicher Tapferkeit erhaltenen Auszeichnungen in Ehren erworben. Ebenso nachdrücklich aber darf angemerkt werden, daß diese Ehrungen natürlich nichts mit Verdiensten für Oesterreich zu tun hatten — haben konnten.

Deshalb haben wir auch Verständnis für die Lösung, die die Deutsche Bundesrepublik in der Frage der Orden und Ehrenzeichen des zweiten Weltkrieges getroffen hat. Der Kommentar der diesbezüglichen Gesetzesvorlage allein aber müßte allen Verantwortlichen in Oesterreich aufzeigen, daß gleichlautende Entscheidungen hierzulande ausgeschlossen sind: In der Begründung des Bonner Gesetzes heißt es: „Durch die Entfernung des Hakenkreuzes soll auch zum Ausdruck gebracht werden, daß die Verdienste der Taten, für die die Auszeichnungen verliehen wurden, nicht für das nationalsozialistische Regime, sondern fürdas deutsche Vaterland geleistet worden sind.”

Welche Folgerungen ergeben sich daher für Oesterreich?

Wer immer im zweiten Weltkrieg als Soldat der Deutschen Wehrmacht Orden erworben hat — und welcher Frontsoldat hat das nicht —, möge sie als Erinnerung an schwere Zeiten und auch als Mahnung zu Hause verwahren. Es sei ferner dem guten Geschmack und der politischen Bildung jedes einzelnen überlassen, ob er, wenn in irgendeinem Marktflecken Schützenfest ist und der Großvater die „Große Silberne” am Rock befestigt, auch sein EK I an den Steireranzug steckt. Dabei scheint es uns wirklich schon eine Frage zweiten Ranges, ob er sich des Eichenlaubes als „Feigenblatt” bedient oder nicht.

Wenn keine Provokation damit verbunden wird, erblicken wir also durchaus keine Staatsgefahr, wenn irgendwo in der Obersteiermark oder im Salzburgischen an einem Sonntag einmal ein Original-EK auftaucht.

Etwas ganz anderes aber ist es mit den offiziellen Waffenträgern des österreichischen Staates. Ein Bundesheer, dessen Offiziere und Unteroffiziere sich im schwarzweißroten Ordensschmuck einer fremden Armee vorstellen, wäre kein österreichisches Heer, sondern eine Traditionstruppe der Wehrkreise XVII und XVIII der weiland großdeutschen Wehrmacht.

Und das ist untragbar.

Wir denken hier nicht sosehr in erster Linie an die ungünstige Aufnahme, die ein solcher Schritt im Ausland finden müßte, oder an die heftigen Auseinandersetzungen im Inland. Wie uns in diesen Erwägungen überhaupt weniger Fragen der Opportunität als der Grundsätze bewegen. Gewiß, die heutige Zeit ist trotz mancher Lippenbekenntnisse einer Grundsatzpolitik nicht sehr günstig gesinnt. Aber es muß dennoch Grenzen geben. Orden und Fahnen gehören zu den unveräußerlichen Symbolen eines Staates und seiner Armee. So wie niemand auch nur im Schlaf auf die Idee kommt, österreichische Bataillone mit den Fahnen und Standarten der Wehrmacht des Dritten Reiches zu belehnen, ebenso untragbar ist die Uebernahme der deutschen Kriegsauszeichnungen aus dem zweiten Weltkrieg, in welcher Form immer, in das österreichische Bundesheer.

Wir geben gerne zu: Manchem Offizier wird eine solche rein vernunftmäßige Ueber- legung schwerfallen. Auch mag ihm das persönliche Opfer groß erscheinen. Aber nach klarer Ueberlegung wird er sieh diesen Konsequenzen bestimmt nicht verschließen. Wenn ja — dann allerdings, so scheint uns, hätte er besser getan, keine österreichische Uniform arizuziehen …

Die Situation ist eindeutig. Spürt man an verantwortlicher Stelle nicht, daß jeder der lieben Eitelkeit oder des Wählerfanges willen getroffene „Kompromiß” eine Durchlöcherung des Fundaments wäre, auf das wir alle 1945 und in den harten Jahren darnach diesen Staat gebaut haben?

Um dies — und um nichts weniger geht es nämlich.

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