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Nach dem zweiten Weltkrieg stellten sich •— ähnlich wie nach 1918 — Probleme ein, die zunächst unlösbar schienen und doch schließlich gemeistert wurden.

In die wirtschaftliche Enge Oesterreichs strömten 1945 Flüchtlinge aus dem Sudetenland herein, die die „heimberufenen“ und dann so schmählich verlassenen Deutschen aus dem Südwesten und Südosten vermehrten und unsere Heimat zu Übervölkern drohten. Man verzeihe uns, wenn wir diesem Ansturm geistig zunächst nicht gewachsen waren und in diesem Einbruch in unseren schmalen Lebensraum eine neue Bedrohung in unserer Hilflosigkeit sahen. Ein wenig Eigennutz, da und dort mit Ressentiments vermengt, schuf die vorübergehende „Abwehrstellung“; ganz werden das nur die verstehen können, die die bitteren Jahre von 1918 bis etwa 1925 miterlebt haben…

Schon bald nach 1946 ließ der erfolgreiche Abwehrkampf gegen die neue Lebensnot das Interesse für die „Brüder in Not“ wachsen, bis schließlich Wege gefunden wurden, um viele aus dem Flüchtlingsstrom bei uns zu beheimaten. Besonders die Tüchtigen unter ihnen konnten sich alsbald in Wirtschaft, Gewerbe und Industrie achtbare Positionen erringen. Hart aber blieb noch das Schicksal der Pensionisten, die ihr Leben lang der Altersversorgung ihren Tribut gezollt hatten und nun plötzlich ganz unverdient zu Bettlern geworden waren und als Flüchtlinge allerorts zur Last fielen.

Das Bonner Abkommen vom 1. Jänner 1953 sollte hier Wandel schaffen. Dieses Abkommen sichert allen volksdeutschen Personen, die in den ehemaligen Nationalstaaten in öffentlichen Diensten gestanden waren und in den Jahren 1938 bis 1945 — außer durch den „Anschluß“ — Reichsbürger geworden waren und deutsche Pension bezogen, nach österreichischem Recht aber auch pensionsberechtigt wären, einen außerordentlichen Ruhegenuß entsprechend jenem Rang zu, den sie bis zur Pensionierung im ehemaligen Nationalstaat oder im Deutschen Reich, nach österreichischen Vorrückungsverhältnissen, erreicht hätten. Westdeutschland übernahm zwei Drittel des Gesamtaufwandes dieser Aktion, der. Rest entfiel auf Oesterreich. (

Tausenden Flüchtlingen aus dem. Südosten und Osten, die nicht unter das Bonner Abkommen fallen — 'weil sie niemals zum Deutschen Reich in einem Dienst- oder Pensionsverhältnis standen —, will Oesterreich gleichfalls gerecht werden und bis zum Abschluß der Aussprachen mit Westdeutschland — nach Maßgabe seines ohnehin schwer belasteten Pensionsetats — die Kosten selbst übernehmen. Ein Anfang ist in den Budgetvorsorgen für 1954 bereits gemacht, so daß nun auch diese Schwergetroffenen auf ein Ende ihrer bitteren Notlage hoffen dürfen.

Das Bonner Abkommen war zweifellos eine Tat; sie hätte ihre Krönung gefunden, wenn eine Bereinigung auch in allen übrigen noch ungelösten Fragen — die sich speziell auf Oesterreicher beziehen — möglich wäre. Durch den Ausfall des Staatsvertrages blieb leider bisher eine befriedigende Regelung mancher Versorgungsfragen der Berufsmilitärpersonen aus. Erst ein Wehrgesetz wird den Wiedereintritt der Berufehen in ihre frühere Laufbahn und den Abgang der übrigen in den Ruhestand unter tunlichster Ausgleichung der seit 1945 bestehenden vielfachen Härten regeln können. Es werden daher vorerst andere Wege zu suchen sein, um bestehende Härten zu glätten, auf die besonders aufmerksam gemacht w-erden soll. Nadi- folgend seien die wesentlichsten herausgegriffen.

Nach dem auch für die Berufsmilitärpersonen geltenden „Beamtenüberleitungsgesetz“ werden die in der deutschen Armee erreichten Chargengrade in Oesterreich nicht anerkannt. Die Ruhegenüsse werden daher nach dem Dienstgrad vom 13. März 1938 bemessen, wobei die Dienstjahre in der Deutsdien Wehrmacht wohl für die Vorrückung in höhere Bezüge und für die Pensionsbemessung angerechnet werden können und auch im allgemeinen angerechnet werden. Die Berufsmilitärpersonen sind dadurch gegenüber den Beamten der zivilen Ressorts, die nicht nur wieder in den aktiven Dienst treten, sondern auch alle deutschen Dienstjahre für die Beförderung in höhere Dienstgrade verwerten konnten, empfindlich benachteiligt.

Ein anderes Beispiel: Gegenüber dem im Bonner Abkommen befriedigten Personenkreis sind auch jene österreichischen Pensionisten zurückgesetzt, die schon vor 1938 bei erzwungenem Verzicht auf jede Versorgung wieder Oesterreicher geworden waren und nunmehr nach dem Bonner Abkommen keinen Pensionsanspruch haben.

Oder die Gruppe der beim großen Offiziersabbau nach dem Zusammenbruch 1918 abgefertigten jüngeren Offiziere, denen die bescheidene Abfertigung in der Inflation in den Händen zerrann. Ihre damals in die Nationalstaaten abgewanderten Kameraden waren glücklicher; sie wurden dort nicht abgefertigt, sondern pensioniert, und gelangen so heute zu österreichischen Pensionen, die den gleichartigen österreichischen Fällen verwehrt bleiben. Dabei wäre diese kleine Gruppe, die seit Jahren um Abänderung ihres harten Schicksals kämpft, besonders leicht zu befriedigen.

Ein weiteres Beispiel: Die nach 1918 in Oesterreich abgebauten Offiziere — es waren fast 10.000, da die große Mehrzahl des alten Offizierskorps in Oesterreich verblieb — wurden vielfach in der deutsdien Wehrmadit zu Kriegsdiensten herangezogen. Diese Jahre bleiben bisher für sie ohne Auswirkung auf die Pension, denn es sind nach dem österreichischen Gesetz im Ruhestand verbrachte Jahre. Dagegen werden diese Jahre den aus den ehemaligen Nationalstaaten kommenden „volksdeutschen“ Offizieren, wenn sie ohne Unterbrechung in der deutschen Wehrmadit aktiv weiterdienten, angerechnet!

Besonders schwer betroffen ist eine kleine Gruppe unter den zuletzt genannten österreichischen Militärpensionisten, die schon vor 1938 bereits wieder im Dienste des ehemaligen Bundesheeres standen, aber als Vertragsangestellte am 13. März 1938 noch nicht die ihnen in Aussicht gestellte „Pragmatisierung“ (Reaktivierung) erlangt hatten. Sie sind durch die Ereignisse des März 1938 nicht nur um diese Reaktivierung gekommen, sondern werden nun ebenso behandelt wie die erst von der deutsdien Heeresverwaltung wiedereinberufenen Kameraden, d. h. auch sie verlieren die Dienstjahre zwischen 1938 und 1945 für ihre Pensionsbemessung, obwohl sie bereits der Ersten Republik in ihrer größten Notzeit wieder gedient hatten.

Auch die Berufsunteroffiziere unseres Bundesheeres gehören hierher, die 1938 insgesamt zwangsweise ausgeschieden wurden, weil.die deutsche Wehrmacht pragmatisierte Unteroffiziere nicht kannte. Sie kamen um weitere Beförderungen und Vorrückungen und verloren die Anrechnung der Dienstjahre bis 1945 — zweifellos eine große Schädigung.

Es ließen sich noch mehr Beispiele anführen, Fälle, die verdiente, nun älter und alt gewordene Männer betreffen, die Vom Schicksal trotz aller Tüchtigkeit schwer mitgenommen wurden. Es ist zu hoffen, daß auch für diese Gruppen nunmehr, da durch das Bonner Abkommen das Eis gebrochen scheint, wenigstens die drückendsten Härten gemildert werden können.

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