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Das österreichische Vermögen im Ausland

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Bei der Behandlung des Kapitels „Aeußeres“ richtete der Schreiber dieser Zeilen im Finanz- und Budgetausschuß des Nationalrates an den Außenminister die Frage, was die Bundesregierung zu tun gedenke, um den Komplex des österreichischen Vermögens im Ausland, namentlich in den Staaten des europäischen Ostens und Südostens, zu klären. Dabei ergab sich die interessante Tatsache, daß die offiziellen Stellen die Verluste an europäischen Vermögenswerten allein in der Tschechoslowakei mit vier Milliarden Schilling beziffern, während nach inoffiziellen Berechnungen die Verluste mindestens acht bis zehn Milliarden Schilling betragen.

Es ist notwendig, die ganze Frage einmal zur öffentlichen Diskussion zu stellen. Es besteht nämlich die Gefahr, daß nicht nur materielle, sondern auch ideelle Werte endgültig verlorengehen, kann man doch von den aus den Volksdemokratien heimgekehrten Auslandsösterreichern immer wieder kritische Stimmen darüber vernehmen, daß sich das offizielle Oesterreich nicht energisch genug dafür einsetzt, um eine Rückerstattung redlich erworbenen Besitzes zu erreichen oder durchzusetzen, daß zumindest eine angemessene Entschädigung gewährt wird. Wer allerdings die heutigen Verhältnisse in Prag, Budapest, Bukarest und leider auch in Belgrad kennt, wird sich kaum darüber wundern, daß die österreichischen Vertreter gerade in dieser Frage nicht vorwärtskommen.

In weiten Kreisen der österreichischen Bevölkerung ist viel zuwenig bekannt, daß man nach 1945 in den Volksdemokratien mit den Oesterreichern nicht um ein Haar milder verfuhr als mit den Deutschen. Auch den Oesterreichern nahm man ihre Habe weg, beschlagnahmte ihren Besitz und gestattete ihnen dann großmütig, mit einem bescheidenen Koffer in das Vaterland auszuwandern. Bei den Auslandsösterreichern handelte es sich in den meisten Fällen um ganz besondere Fachkräfte, die es durch schwere Arbeit und Fleiß zu einem mehr oder weniger großen Besitz gebracht hatten. Ueber Nacht waren auch sie zu Bettlern geworden, und viele der von diesem harten Schicksal Betroffenen leben heute von einer bescheidenen Fürsorgerente unter zum Teil drückenden Verhältnissen.

Hatten nun die neuen Machthaber im Osten und Südosten ein Recht zur Konfiskation des österreichischen Besitzes? Zunächst muß festgestellt werden, daß das Potsdamer Abkommen nur von „Deutschem Eigentum“ sprach. In Prag, Budapest und Belgrad ging man aber einen Schritt weiter und stellte einfach fest, daß die Oesterreicher im Jahre 1938 deutsche Staatsbürger geworden seien, Oesterreicher als deutsche Soldaten gedient haben und daß deshalb die Beschlagnahme österreichischen Eigentums eine gerechte Sache sei.

Dazu ist zu sagen, daß Oesterreich im Frühjahr 1938 von Hitler okkupiert wurde und daher als selbständiger Staat seine Handlungsfreiheit eingebüßt hatte. Daher ist auch in der Moskauer Deklaration ein rechtlich nicht haltbarer Passus enthalten, der von der „Teilnahme Oesterreichs am Kriege“ spricht. Einen Krieg erklären und führen kann aber immer nur ein in seinen Entscheidungen und Entschlüssen souveräner Staat. Diese Souve- renität aber wurde dem Staat Oesterreich im Jahre 1938 genommen und in vollem Umfang bis heute nicht wieder hergestellt.

Wenn also Oesterreich kein kriegführender Staat war, besteht nach den Regeln des Völkerrechtes für die Siegerstaaten keine Handhabe, österreichisches Eigentum als Feindvermögen zu behandeln. Man hat sich einfach jenseits des Eisernen Vorhangs über das Recht hinweggesetzt und die Oesterreicher den Angehörigen einer feindlichen Macht gleichgestellt.

Es mag schon stimmen, daß man sich in Prag und anderswo taub stellt, wenn die österreichischen Diplomaten Verhandlungen über die Regelung des österreichischen Eigentums fordern. Trotzdem aber bleibt die Frage offen, ob immer und überall von den zuständigen Stellen mit dem notwendigen Nachdruck eine Klärung gefordert wurde. Vielleicht fehlt es auch bei den Wiener Zentralstellen an einer notwendigen Koordinierung, denn Oesterreich hat mit den meisten der in Frage kommenden Ländern Handels- und Wirtschaftsverträge abgeschlossen. Daher müßte die Frage des österreichischen Auslandsvermögens mit wirtschaftlichen Problemen verknüpft und bei Handels Vertragsverhandlungen immer wieder zur Debatte gestellt werden. Wenn man Oesterreich durch den Staatsvertrag empfindliche materielle Verpflichtungen aufbürden will, dann sollte die Bundesregierung die Weltöffentlichkeit rechtzeitig durch ein Weißbuch davon in Kenntnis setzen, daß unser Land im Osten und Südosten viele Milliardeh an wertvollster Substanz verloren hat.

Die Frage des Auslandsbesitzes ist aber zutiefst auch ein sozialpolitisches Problem, standen und stehen doch viele Oesterreicher plötzlich vor dem Nichts. Ihnen ihr hartes Los zu erleichtern, ist einfach menschliche und sittliche Verpflichtung, denn schließlich sind es doch die Söhne und Töchter der gemeinsamen Heimat, die man in keiner Weise anders behandelte als die Millionen Vertriebenen.

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