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Zum Thema „Deutsches Eigentum“

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Wir empfangen von Herrn Staatssekretär Dr. Hermann Wit Halm nachstehende Ausführungen, die, wie „Die Furche" mit besonderer Genugtuung hervorheben kann, in derselben grundsätzlichen Stellungnahme gipfeln, die von uns für die Behandlung des Gegenstandes immer wieder mit den Sätzen festgelegt wurde: „Der wirkliche Grundsatz wird lauten müssen: Gegenüber dem deutschen Freunde rücksichtsvolles Entgegenkommen in Sachen des Deutschen Eigentums bis zur Grenze des Gerechten und Tragbaren und vom Staatsvertrag Erlaubten.“ „Die Furche“

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Wir empfangen von Herrn Staatssekretär Dr. Hermann Wit Halm nachstehende Ausführungen, die, wie „Die Furche" mit besonderer Genugtuung hervorheben kann, in derselben grundsätzlichen Stellungnahme gipfeln, die von uns für die Behandlung des Gegenstandes immer wieder mit den Sätzen festgelegt wurde: „Der wirkliche Grundsatz wird lauten müssen: Gegenüber dem deutschen Freunde rücksichtsvolles Entgegenkommen in Sachen des Deutschen Eigentums bis zur Grenze des Gerechten und Tragbaren und vom Staatsvertrag Erlaubten.“ „Die Furche“

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Es mag schwer, ja vielleicht sogar unmöglich sein, zum Problem des Deutschen Eigentums wirklich objektiv Stellung zu nehmen. Dies wird dem Oesterreicher ebenso schwer fallen wie dem Deutschen.

Wer mit dem Deutschen Eigentum zu tun hat — sei es als unmittelbar Betroffener, sei es als Beamter oder Politiker — muß von vornherein versuchen, sich nicht von Gefühlen leiten zu lassen, sondern einzig und allein die Vernunft und die nüchternen Tatsachen sprechen zu lassen.

Nachstehend soll nun versucht werden, leidenschaftslos und nur gestützt auf diese Tatsachen, zum Problem des Deutschen Eigentums Stellung zu nehmen.

Gemäß Art. 22, §§ 6 und 11 des Staatsvertrages vom 15. Mai 195 5 übertragen die Sowjetunion, das Vereinigte Königreich, die Vereinigten Staaten von Amerika und Frankreich an Oesterreich Vermögenschaften, Rechte und Interessen, die sie als deutsche Vermögenswerte innehatten oder beanspruchten.

Oesterreich wurde gemäß Art. 22, § 6 die Verpflichtung auferlegt, der Sowjetunion 150,000.000 USA-Dollar in frei konvertierbarer Währung innerhalb eines Zeitraumes von sechs Jahren zu zahlen.

Zu dieser Tatsache der Eigentumsübertragung seitens der vier Alliierten an Oesterreich gegen Zahlung des Betrages von 150,000.000 Dollar an die Sowjetunion kommt nun das weitere Faktum des Art. 22, § 13 des Staatsvertrages. In diesem Paragraphen wird festgelegt, daß Oesterreich mit Ausnahme der erzieherischen, kulturellen, karitativen und religiösen Zwecken dienenden Vermögenschaften keine der ihm als ehemalige deutsche Vermögenswerte übertragenen Vermögenschaften, Rechte und Interessen in das Eigentum deutscher juristischer Personen oder — sofern der Wert der Vermögenschaften, Rechte oder Interessen 260.000 S übersteigt — in das Eigentum deutscher physischer Personen übertragen darf. An deutsche juristische Personen ist somit die Rückübertragung prinzipiell ausgeschlossen, an deutsche physische Personen kann und darf nur rückübertragen werden, sofern der Wert unter 260.000 S liegt.

Damit ist für den Juristen der Rahmen abgesteckt, innerhalb dessen er die Fragen zu klären hat:

Was versteht man unter Deutschem Eigentum, unter deutscher juristischer und physischer Person, was, wieviel und an wen darf übertragen werden?

Während die Begriffsbestimmungen „Deutsches Eigentum, deutsche juristische und physische Person" bereits erfolgten, bereitet die Auslegung der Bestimmungen des Art. 22, § 13 manche Schwierigkeiten.

Vorweg sei festgestellt, daß Art. 22, § 13 des Staatsvertrages keineswegs eine prägnante Fassung aufweist, im Gegenteil, er läßt die verschiedensten Auslegungsmöglichkeiten zu. Dies trifft für die Frage, was unter Vermögenschaften, die etwa erzieherischen, kulturellen oder karitativen Zwecken dienen, zu verstehen ist, ebenso zu wie für die Wertgrenze von 260.000 S.

Haben nun, wie man in letzter Zeit lesen und hören konnte, die Mitglieder der österreichischen Kommission bei den Verhandlungen in München von den Auslegungsmöglichkeiten, die die unklare Fassung des Art. 22, § 13 erlaubt, einen derart weitgehenden Gebrauch gemacht, daß von einer Verletzung der Bestimmungen des Staatsvertrages gesprochen werden kann?

Ich möchte versuchen, diese Frage unter Hinweis auf zwei Tatsachen und Gegebenheiten zu beantworten:

Wir Oesterreicfjer bekennen uns zum Prinzip der absoluten Vertragstreue. Wir stehen zum

Staatsvertrag vom 15. Mai 1955, der uns die langentbehrte und heißersehnte Freiheit gebracht hat, mit allen seinen Bestimmungen, mögen sie uns gerecht und klug erscheinen oder nicht, mit allen Konsequenzen, die sich daraus ergeben. Wir haben den Vertrag freiwillig und ohne Vorbehalt unterschrieben und wir gedenken ihn auch ehrlich und loyal einzuhalten.

Wir Oesterreicher bekennen uns aber auch mit der gleichen inneren Ueberzeugung zum Prinzip der Unantastbarkeit des redlich erworbenen privaten Eigentums.

Vielleicht mag es dem einen oder anderen scheinen, daß diese beiden Grundsätze im speziellen Fall des Deutschen Eigentums einander au'sschlössen. Ich kann dieser Auffassung keineswegs beipflichten, ich bin im Gegenteil der Ueberzeugung, daß ein Weg gesucht und auch gefunden werden wird, der beiden Prinzipien weitgehend Rechnung trägt.

Gerade der vieldiskutierte Artikel 22, § 13 bietet hierzu die Möglichkeit. Wie schon oben erwähnt, läßt er infolge seiner unklaren Diktion die verschiedensten Auslegungsmöglichkeiten offen, großzügige ebenso wie engherzige und kleinliche. Es widerspräche unserer Auffassung von der Unverletzlichkeit des Privateigentums, wollten wir uns der letzteren bedienen.

Die Formel kann daher nur lauten: In der Frage des Deutschen Eigentums wollen wir Oesterreicher den ehemaligen deutschen Eigentümern das größtmögliche Entgegenkommen zeigen, wobei jedoch dieses Entgegenkommen seine Begrenzung in den Bestimmungen des S t a a t s v e r t r a g es zu findenhat.

Wir nehmen es mit dem einen genau so ernst wie mit dem anderen.

Es ist wohl keine Frage, daß es uns Oesterreichern am liebsten gewesen wäre, wenn wir niemals mit dem Deutschen Eigentum etwas zu tun gehabt hätten.

Doch nicht von Wünschen und Elypothesen soll hier die Rede sein, sondern einzig und allein von nüchternen Tatsachen und Grundsätzen, wie ich eingangs ausdrücklich betonte. Unter Anerkennung dieser Tatsachen — des österreichischen Staatsvertrages — und der Grundsätze —, der Achtung vor Verträgen und der Unantastbarkeit des Privateigentums — wird eine Lösung gefunden werden, die des Kulturstaates Oesterreich würdig ist.

Von dem Organ der FPOe wurde kürzlich die Frage gestellt, ob es richtig sei, daß Staatssekretär Df. Withalm dem von der „Furche“ veröffentlichten Artikel „Achtung — Staatsvertrag!“ nahegestanden ist. Staatssekretär Dr. Withalm hat dieser Unterstellung die gebührende Antwort sofort und unmißverständlich erteilt.

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