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Feldgrau ?

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Feldgrau ist nicht nur eine Uniformfarbe. „Feldgrau“ ist auch der Titel der in Burgdorf/Hannover erscheinenden Mitteilungen einer Arbeitsgemeinschaft, die sich in der Regel mit militärwissenschaftlichen Fragen befaßt. In Fachkreisen hatte sie bisher auch in Oesterreich einen guten Ruf. Hatte — denn inzwischen wurde hier einem Herrn Helmuth K. G. Rönnefarth das Wort gegeben (4. Jahrgang, Heft 4/Juli 1956). Dieser meditiert über die „Reichs-Grenadierdivision Hoch-und Deutschmeister 1938 bis 1945“. Wäre Herr Rönnefarth nur bei seinen „Reichsgrenadieren“ geblieben, hätte wenig passieren können. Aber er fühlt sich auch berufen, „klärende Worte“ über Oesterreich, seine Geschichte und Soldaten zu sagen. Und das mußte eben schiefgehen. Gründlich auch noch dazu. Schon die Ouvertüre, in der sich Herr Rönnefarth als Historiker versucht, läßt aufhorchen. Von ihm bekommen wir folgende im Widerspruch zu den allseits bekannten Dokumenten über die Vorgeschichte des März 1938 stehende Version zu hören:

„1938: Waren die für den Anschluß verantwortlichen Männer in Berlin noch in den entscheidenden Märztagen über den zukünftigen politischen Status Oesterreichs im unklaren und tendierte man dahin, beide deutschen Staaten durch eine Personalunion zu vereinen, so gaben die Kundgebungen von Linz den Ausschlag für eine Realunion, d. h. die politische Eingliederung in den deutschen Staatsver-band, das nunmehrige .Großdeutsche Reich'.“

Aber weiter im Text:

„Die politische Eingliederung Oesterreichs zog aber auch das Aufgehen des Bundesheeres in der Deutschen Wehrmacht nach sich. Bis auf bestimmte Generale (z. B. Jansa), Oberste (z. B. Libitzky) bzw. jüngere Dienstgrade (z. B. die von Hohenberg), wurden alle Offiziere des Bundesheeres und die Offiziersanwärter der Maria-Theresia-Militär-akademie übernommen. Es ist eine vollkommene Verdrehung der Tatsachen, wenn in dem von offizieller österreichischer Seite 1946 herausgegebenen ,.Rot-Weiß-Rot-Buch“ (n. S. 113) behauptet wird, daß der Dienst in der Wehrmacht für Oesterreicher ..nicht Wehr-, sondern Frondienst“ gewesen sei. Wie aber ist es dann möglich, daß es in der Wehrmacht über 240 Generale österreichischer Herkunft gab, von den zahlreichen Stabsoffizieren erst recht zu schweigen! Weiter heißt es in dem gleichen Machwerk der ersten Nachkriegszeit, daß man es „nicht wagte“, rein österreichische Formationen aufzustellen und sämtliche Stellen nur mit Reichsdeutschen besetzte! Hier merkt man die Absicht der Verfasser und wird verstimmt! Im großen und ganzen blieben die Einheiten erhalten, nur wurden sie enger zusammengefaßt bzw. zusammengelegt, so daß wie im kleindeutschen Reich Regimenter und selbständige Abteilungen entstanden. Zahlreiche, aus Oesterreich gebürtige Offiziere, älteren, vorwiegend jedoch jüngeren Rangdienstalters, wurden zu Truppenteilen in Süd-, Nord- oder Nordost-Deutschtand versetzt, einmal um sie schneller mit den für sie geltenden Ausbildungsrichtlinien ver-' traut zu machen und zum anderen -enge mensch-. liehe und kameradschaftliche. Bande zu ihren „reichsdeutsche'n“. Kameraden knüpfen zu- lassen. Sie alle haben, sich in den ihnen zugewiesenen Garnisonen ebenso wohlgefühlt wie die als Schu-lungspersonal in die freien Stellen eingerückten, Offiziere und Unteroffiziere aus den erwähnten Teilen des nunmehr gemeinsamen Vaterlandes .. Zwar blieben hier und da kleine Reibereien nict ans — warum sollte das “Heer hiervon unbedingt ausgenommen sein —, so verstanden wir uns untereinander, gleich woher wir gekommen waren, trotz all m ausgezeichnet. Wir empfanden uns alle als deutsche Soldaten. Partikularinteressen, gleich welcher Art, interessierten uns nicht; wer sie .vertrat, scHe antiquiert..,“

So, nun ist es aber genug. Der Text genügt uns als Kostprobe neuer alter Lieberheblichkeit.

Zunächst einmal zum Steuer der Wahrheit; 1. der damalige Oberst und jetzige Leiter der Sektion I des Heeresministeriums schreibt sich Liebitzky, 2. die Söhne des Thronfolgers Franz Ferdinand hatten nie gedient, konnten daher auch nicht in die Wehrmacht übernommen werden, 3. der Name des Kommandanten der Wiener-Neustädter Akademie, der den Eid auf Hitler verweigerte, wird neben anderen vergessen. „Uebersehen“ wird auch die Ausstoßung „wehrunwürdiger“ Offiziere, die in der Wahl ihrer Großmutter einen Mißgriff getan hatten.

Als ehemaliger Offizier müßte Herr Rönnefarth eigentlich auch wissen, daß es, wie immer man darüber denken mag, nicht angeht, die offizielle Publikation eines fremden Staates als „Machwerk“ zu bezeichnen. Das Wort „Frondienst“ bezog sich übrigens nicht auf den Dienst der Aktiven in der Wehrmacht, sondern auf den bitteren Gang hunderttausender Oesterreicher in einen Krieg, der nicht der ihres Vaterlandes war.

Aber österreichischer Patriotismus war und ist ja für Herrn Rönnefarth eben nur ein „Partikularinteresse“ und „antiquiert“ obendrein.

Herr Rönnefarths feldgrauer Rock scheint ordentliche braune Webfehler gehabt zu haben. Zumindestens sind die Spuren des hakenkreuz-geschmiiekten Hoheitsabzeichens noch deutlich sichtbar.-

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