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Schule für Charakter und Wissen

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Am 14. Dezember wird Alt-Oesterreichs glanzvollste militärische Bildungsstätte, die Theresianische Militärakademie zu Wiener Neustadt, wiedereröffnet. Die Militärakademiker aus Enns ziehen gemeinsam mit ihren Lehrern und Offizieren in die Babenbergerburg — wo sich auch die letzte Ruhestätte Kaiser Maximilians I. befindet — ein. Der Sturm des zweiten Weltkrieges ließ die Burg fast zum Trümmerhaufen werden, ebenso wie die Stadt, die den Namen „Allzeit Getreue“ gerade durch die jüngsten Leiden verklärt, trägt. Es sind zweihundertundsechs Jahre, daß einhundertundneunzig Zöglinge — die ersten Klassen der mehr als zehntausend Offiziere, die bis zum November 1918 hier ausgebildet wurden — die Geschichte dieser militärischen Bildungsstätte einleiteten. Die jungen Akademiker, die Ehrengäste vieler ausländischer Militärakademien, werden vor dem Denkmal der Sf'fterin auf dem Theresienplatz spüren, daß hier sinnfällig der Ring einer echten Tradition wieder geschlossen wird, den die Exilzeit in Enns und der Untergang der österreichischen Staatlichkeit nur unterbrochen hatte. Vor dem Denkmal der Kaiserin und in der Burg wird man daran erinnern müssen, daß die „Alma Mater The-resiana“ ihre Entstehung einer Frau, Oesterreichs großer Kaiserin, verdankt, die in der bedrängtesten Zeit ihrer Regierung zu den vielfältigen Sorgen des Staatsneubaus auch noch die Armee nach schmerzhaften Erfahrungen reformieren mußte. In ihren Aufzeichnungen schrieb Maria Theresia, als sie nach dem Tode ihres kaiserlichen Vaters die Regierung antrat:

„Die ihren Feinden so fürchterlich ehe-dessen gewesten Kayserl. Trouppen, die für die erste in Europa gehalten wurde, hatte bev Freund- und Feinden den größten Theil ihres Ansehens verlohren, so mit dem Grafen Guido v. Starhemberg, und sonderlich mit dem Prinzen Eugenio abgestorben zu seyn schienen: Complet waren Sie nicht ein Mal zur hellfte: Niedergeschlagen waren selbe, und vornehmlich die Infanterie, und Mangleten durchaus an allen.“

Sie wandte ihre ganze Energie und leidenschaftlichen Anstrengungen dem „Militare“ zu und bewahrte diesem Feld ihrer Tätigkeit bis zum Ende ihres Lebens eine besondere Zuneigung, die nicht zuletzt durch ihre glückhafte Auswahl der geeigneten Ratgeber und Offiziere bestätigt wurde. Erst nach dem Erbfolgekrieg wurden die verschiedenen Reformen wirksam, um so mehr, als die finanziellen Mittel durch den Grafen Haugwitz zur Verfügung gestellt wurden und die große Staatsreform dieses Beraters der Kaiserin die Grundlage für die Armeereform schuf.

Den Neuaufbau übertrug Maria Theresia dem ersten Oberdirektor der Militärakademie, Graf Daun, der durch seine theoretischen Kenntnisse und praktischen Erfahrungen der geeignetste erschien, „tüchtige Offiziers und rechtschaffene Männer“ zu erziehen. Daun war überzeugt davon, daß von der Stärke des Heeres „die Sicherheit aller kaiserlichen Erbkönigreiche und Länder“ abhänge. In einem Vortrag, den er als Präsident des Hofkriegsrates niederschrieb, finden sich Gedanken, die über seine Zeit hinaus ewige Gültigkeit haben:

„Klugheit und Stärke sind allein vermögend bey dem Kriegswesen, Entscheidung zu geben.

Die Klugkeit ist die Haupteigenschaft der Officialität, wie die Herzhaftigkeit diejenige eines Soldaten. Bey dem gemeinen Kriegs-niann kommt es auf eine tapfere Faust und einen wohlgeübten Leibe an, bey denen Befehlshaberen hingegen erfordert das Kriegswesen mehr einen tüchtigen Kopf als einen starken Arme... Ein Befehlshaber muß sich nicht allein bey den Waffen, sondern auch bey Büchern, Landcharten und Rissen finden lassen, er muß die allgemeine Gründe deren Militärwissenschaften mit scharfem Gesicht einsehen.“

Die neue Akademie in Wiener Neustadt und die zwei Jahre später gestiftete Wiener Ingenieurakademie sollten gemeinsam mit dem später geschaffenen Generalstab dem Offiziersstand das nötige geistige Rüstzeug geben. Die Kaiserin sorgte aber auch dafür, daß die Offiziere, sehr zum Mißvergnügen des hohen Adels, den Hofzutritt bekamen, und bald fielen auch die Schranken der Beschränkung auf adelige Familien für den Eintritt in die Akademie, so daß aus allen Ländern des Vielvölkerstaates talentierte junge Menschen in diese hohe Schule der Armee eintreten konnten1; Die Kaiserin hat ihrer Lieblingsgründung immer eine besondere Aufmerksamkeit zugewendet. Als sie ihr sogenanntes „politisches Testament“ im Jahre 1757 verfassen ließ, wurde ausdrücklich auf die Militärakademie und die „Kultivierung deren Wissenschaften und Studien“, welche „zu des Publici Aufnahme und Besten gereichen“, verwiesen. Noch im Jahre 1780, knapp vor ihrem Tode, besuchte Maria Theresia die Akademie und ließ sich die Uebungen vorführen, so wie sie einstmals als bedrängte Landesfürstin in ihrer Jugendzeit bei Sollenau am Steinfeld die Truppen selbst gemustert hatte. Der Geist der Monarchin, die den Ehrennamen „Mater Castrorum“ in der Heeresgeschichte Oesterreichs mit Recht verdient, offenbarte sich auch in der Gründung des in Europa einzigartigen Ordens, den die neue Militärakademie in ihrem Wappen führt, des Militär-Maria-Theresien-Ordens. Viele Neustädter haben dieses schlichte Kreuz erworben. Auch hier solfre nicht die Abstammung, sondern nur die Leistung gelten, und unter dem strengen Zeugnis der eigenen Kameraden war das Ansuchen um die Verleihung an das Kapitel zu stellen, wobei sich der Souverän des Ordens nur das Unterschriftsrecht eines modernen demokratischen Staatspräsidenten vorbehielt. Charakter Ausbildung und Wissen waren die Leitsterne der Akademie, und kein Geringerer als der Sieger von Custozza, Erzherzog Albrecht, hat in seiner Ansprache anläßlich eines Besuches am 24. Juni 1887 den eigentlichen Zweck dieser Bildungsstätte auch im 19. Jahrhundert des beginnenden Massenzeitalters dahingehend umrissen:

„Pflegen Sie die Kameradschaft, befleißigen Sie sich idealer Anschauungen; sie sind dem Soldaten höchst notwendig. Scheuen Sie das Gemeine, hüten Sie sich vor Verweichlichung, überflüssigem Luxus und vor dem Schulden-machen! Entbehren Sie lieber, als zu diesem Auskunftsmittel zu greifen. Diese Anstalt Hat der k. u. k. Armee viele ausgezeichnete Generale gegeben. Daß sie es geworden, verdanken sie der Entwicklung ihrer Charaktere.“

Daß die beiden Erziehungsziele, Charakter und Wissen, immer erreicht wurden und darüber hinaus aus den Reihen der Akademiker hervorragende Dichter, Forscher und Gelehrte hervorgingen, ist ein Beweis mehr für die oft vergessene Tatsache, daß Oesterreichs Armee zu allen Zeiten und noch bis in unsere Tage die musischeste der Welt war.

Von den glanzvollen Namen können nur einige wenige der Vergessenheit entrissen werden: der Polarforscher Julius von Payer; der

Dichter und Sänger Kroatiens, Peter von P r e-r a d o v i c ; Karl Freiherr von Torresani, der in unseren Tagen in Rudolf von E i c h t h a 1 seinen Nachfahren fand. Die Historiker Moritz von A n g e 1 i; Maximilian von H o e n ; Edmund von Glaise-Horstenau und Rudolf

K i s z 1 i n g, der den Ruhm der österreichischen historischen Schule in unseren Tagen durch viele Werke mehrte. Die bildenden Künste vertreten durch Oskar Brück; Felician Freiherr von M y r b a c h und Hugo Reichsritter von B o u v a r d, um nur einige zu nennen.

Als im Jahre 1918 der alte Staat unterging, schien auch die Militärakademie ein Ende gefunden zu haben. Das erste Bundesheer hat freudig die Tradition zunächst in Enns und dann, seit 1934, in der Babenbergerburg fortgeführt. 195 5 war es ein neues Beginnen, abermals in Enns und schon vorher in den Reihen der B-Gendarmerie, oft noch zu einer Zeit, da man nicht wußte, wann Oesterreich seine Freiheit wiedererlangen würde.

Vor einem Jahr stand Reinhold Schneider in der Burg von Wiener Neustadt. Der Dichter spürte die Mission dieses Landes und notierte in seinem Tagebuch unter den Betrachtungen über Wiener Neustadt: .

„Es ist eine erstaunliche Leistung der Pietät, des Willens zur Kontinuität.“ Auf diese Kontinuität kommt es jetzt mehr an denn je.

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