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Die Kommandeure des Maria- Theresien-Ordens

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Wer das Theresienordensarchiv besucht, sieht in einer der Vitrinen ein kleines unscheinbares Handbillet der Kaiserin Maria Theresia, das mit den Worten beginnt: „,.. ich bin Verstanden das weillen 20 gros creitz mit Pensionen sind creirt worden, künftig 40 oder 60 comandeurs mit selben könten festgesetzt werden mit 800 ff….“ Diese an den Ordenskanzler Fürst Kaunitz gerichtete und mit 7. Oktober 1765 datierte Verfügung stiftete das Kommandeurkreuz des Zur Erinnerung an den Sieg Dauns über Friedrich II. bei Kolin ins Leben gerufenen Miiitär-Maria-Theresien-Ordens, der bis dahin nur als Groß- und Ritterkreuz verliehen wurde. Von 1757 bis 1931 wurden 61 Großkreuze, 140 Kommandeur- und 1039 Ritterkreuze, also zusammen 1240 Kreuze 1135 Offizieren zuerkannt, unter denen der Stammwaffe nach die technischen Offiziere relativ am stärksten vertreten sind. Von den 111 inländischen Kommandeuren, an deren Spitze der General der Kavallerie Graf Josef D’A y a s a s a (für die Schlacht bei Torgau am 3. November 1760) steht, entfallen auf den Krieg 1914 18 nur 9: der erste k. u. k. Kommandeur war der Sieger der Isonzoschlachten, Feldmarschall von B o- roevic (2. Juni 1917), dem am 28. Juli 1917 Feldmarschall Freiherr von Böhm- E r m o 11 i als Kommandant der 2. Armee folgte. Die 180. Promotion vom 17. August 1917 nahm unter die Kommandeure Generaloberst Graf D a n k 1, den letzten Chef des Generalstabes Baron A r z von Straußenburg, den einzigen heute noch lebenden Kommandeur Feldmarschall Erzherzog Josef und Feldmarschall von K ö v e s s auf. Am 27. Oktober 1917 verlieh Kaiser Karl I. dem verstorbenen Großadmiral Anton Haus als dem kühnen Flottenführer vom 24. Mai 1915 das Kommandeurkreuz, dann folgte Generaloberst Freiherr von Pflanzer-Baltin (2. Oktober 1918), der in Albanien den letzten Sieg der Mittelmächte erfochten hatte, und nach dem Kriege wurde noch dem Generalobersten Fürsten von Schönburg-Hartenstein, späterem Bundesminister für Landesverteidigung, im Jahre 1927 die Würdigkeit zum Kommandeur zuerkannt. Von diesen 9 Kommandeuren traten 2 unmittelbar in die Armee ein (Erzherzog Josef, Arz), Schönburg und Boroevic kamen aus Kadettenschulen, Haus hatte die Marineakademie absolviert, die übrigen 4 waren Militärakademiker. Die einzelnen Waffen waren durch 4 Dragoner- und 3 Infanterieoffiziere, ferner durch je einen Angehörigen der Genie- waffe und der Marine vertreten. Alle waren Armee- (Flotten-) Kommandanten und mit Ausnahme von Erzherzog Josef und Haus auch Generalstabsoffiziere gewesen. Der erste Weltkrieg kannte bloß eine einzige Doppelverleihung des Theresienordens, nämlich an Feldmarschall von Boroevič, dem das letzte Ordenskapitel vom Jahre 1931 auch die Würdigkeit zum Ritter zuerkannte. General Dankl wurde in den Grafenstand erhoben und erhielt das Prädikat „Krasnik“, Kövess und Arz zeichnete die Baronie, Böhm-Ermolli der Freiherrnstand aus.

Wie aus diesem Rückblick zu ersehen ist, sind es nur ganz besonders hervorragende Soldaten gewesen, die das Kpmmandeur- kreuz des höchsten militärischen Ordens anlegen durften, und zu ihnen zählt auch Feldmarschall Hermann Baron Kövess von Kövesshiza, der vor 100 Jahren am 30. März 1854 zu Temesvär als Offizierskind das Licht der Welt erblickte. Er besuchte die altberühmte Technische Militär-Akademie in der Stiftgasse in Wien, die er 1872 als Leutnant des 2. Genieregiments verließ, absolvierte dann die Kriegsschule und kam in das Generalstabskorps. Erprobt in den Kämpfen gegen die bosnischen Insurgenten 1882, erreichte er in raschem Aufstieg bald die Stabsoffizierscharge, kommandierte seit 1898 das 23. Infanterieregiment, wurde 1902 Generalmajor und Kommandant der 15. Infanteriebrigade, 1906 der 8. Division und kam — seit 1907 Feldmarschalleutnant — auf Conrads ausdrücklichen Wunsch 1910 als Inspizierender der Befestigungen nach Tirol, da damals dem Ausbau der Reichsbefestigung erhöhtes Augenmerk zugewendet werden mußte. Bei Kriegsausbruch stand General von Kövess, bereits General der Infanterie, Wirklicher Geheimer Rat und Inhaber des 95. Regiments, an der Spitze des siebenbür- gischen 12. Korps, mit dem er auf den nördlichen Kriegsschauplatz gelangte.

Der Krieg 1914 18 hat aufs neue bestätigt, daß es keine bloße Phrase ist, der Soldat brauche vor allem Glück. Der General von Kövess, der 1916 zum Generalobersten und 1917 zum Feldmarschall befördert und mit höchsten Orden und Ehrungen überhäuft wurde, hatte Glück — doch galt für ihn nicht minder ein anderes sehr wahres Wort, daß nämlich auf die Dauer nur der Tüchtige Glück haben könne. Die zahlreichen glänzenden Erfolge des Marschalls haben gezeigt, daß sein ganzes Leben in menschlicher, soldatischer und fachlicher Beziehung einen lückenlosen Nachweis größter Tüchtigkeit darstellt.

Während das 12. Korps 1914 am rechten Flügel der österreichisch-ungarischen Streitkräfte einem ganz außerordentlich wuchtigen feindlichen Anprall ausgesetzt war, fand des Feldmarschalls ältester Sohn Adalbert auf den ostgalizischen Schlachtfeldern als Kaiserjägerleutnant den Heldentod. Das Korps war dann mit der 2. Armee ausersehen, zum Schutze von Preußisch-Schlesien in Südpolen an der Errichtung jenes Schutzwalles teilzuhaben, der alle Versuche des Gegners, in das Innere Deutschlands vorzustoßen, zunichte machte. Schon in dieser Zeit hatte General von Kövess Gelegenheit, mit den verbündeten deutschen Truppen in engeren Kontakt zu treten, und in der Folge sollte er jener k. u. k. Heerführer werden, der wegen seiner allgemein geschätzten Konzilianz und seiner bewährten Art, die in allen Koalitionskriegen unvermeidlichen Reibungen äußerst geschickt zu mildern, oft ganz aus der Welt zu schaffen, zu vielen Aufgaben herangezogen wurde, bei denen es auf das gute Einvernehmen mit den Verbündeten ankam. Er unterstand nicht nur persönlich wiederholt deutschen Oberbefehlshabern, wie den Generalen von Mackensen und von Woyrsch, er hatte auch oft in seinem eigenen Befehlsbereich größere deutsche Verbände zu führen. Ob als Komman-dant seines Korps oder der „Armeegruppe Kövess“, ob er als Kommandant der 3. Und 7. Armee oder einer Heeresfront, an seine Feldherrntätigkeit knüpft sich eine stolze Reihe in Planung und Durchführung denkwürdiger Operationen, deren Enderfolg sich in Namen, wie Iwangorod, Belgrad, Lovčen, Durazzo, Asiago oder Czernowitz, einprägsam verewigte. Auch die Feldmarschallswürde wurde im ersten Weltkrieg bloß in neun Fällen verliehen. Nach den drei Erzherzogen Friedrich, Eugen und Josef war Feldmarschall Conrad seit 25. November 1916 der,dicnstrangälteste Marschall, ihm folgte aber gleich Hermann von Kövess am 5. August 1917.

Das Kriegsende stellte die höchsten militärischen Führer vor Aufgaben, die weitaus schwieriger und auch undankbarer waren, als jene, die der Kriegsbeginn mit sich gebracht hatte. Als sich 1918 der allgemeine Zusammenbruch der Mittelmächte an der Balkanfront abzuzeichnen begann und man darangehen mußte, einen letzten Versuch zur Eindämmung der von dieser Front drohenden Gefahr zu unternehmen, wurde in Belgrad mit 4. Oktober 1918 ein Heeresgruppenkommando unter Feldmarschall Kövess errichtet, das die deutsche 11. Armee, die Armeegruppe Albanien, die Generalgouvernements Serbien und Montenegro sowie die Truppen des kommandierenden Generals in Bosnien, der Herzegowina und Dalmatien einheitlich zusammenzufassen hatte. Freilich überstürzten sich in jenen Tagen schon die Ereignisse, und es konnte nicht mehr geschehen, als die notwendig gewordene Räumung der Balkangebiete in halbwegs geordnete Bahnen zu lenken. Nach Durchführung dieser Maßnahmen harrte des Feldmarschalls noch ein letzter bitterer Auftrag, am 12. November 1918 nachmittag aus c en Händen des Generalobersten Baron Arz die Liquidierung des im Atlantic-Hotel am Schwarzenbergplatz in Wien etablierten Armeeoberkommandos zu übernehmen. Dieses übersiedelte am 3. Dezember in das Kriegsarchiv in der Stiftgasse und löste sich am 20. Dezember auf. Ein seltsamer Kreis hatte sich geschlossen: dort, wo Feldmarschall Kövess als Zögling auf der Schulbank gesessen war, im selben Gebäude legte er seine höchste militärische Funktion als letzter A.rmeeober- kommandant nieder.

Von Feldmarschall Conrad wissen wir, daß er sich stets nachdrücklich als österreichischungarischer Staatsbürger bekannte und daß'es für ihn nur ein einziges unteilbares Vaterland gab: Oesterreich-Ungarn. Der heutigen Generation mag es kaum begreiflich erscheinen, daß es einmal eine solche Einstellung hat geben können. Auch Hermann von Kövess zählte zu den Universaluntertanen der Donaumonarchie, die erklärlicherweise hauptsächlich der Armee angehörten. Wie schon in älteren Zeiten der Hofkriegsrat mit seinem Heer die einzige Institution Oesterreichs war, die alle seine Teile umfaßte und zusammenhielt „als das festeste Bindemittel der habsburgischen Länder“, so war die k. u. k. Wehrmacht die verläßlichste Klammer der fran- zisko-josephinischen Aera, so verläßlich, daß so manche Truppen noch dann an fernen Fronten kämpften und bluteten, als hinter ihnen das gemeinsame Vaterland gar nicht mehr bestand. Maria Theresia hatte in den Statuten des ihren Namen tragenden Ordens verfügt, die Auszeidmung habe ohne Rücksicht auf Herkunft, Stand, Nation und Religion verliehen zu werden — so kannte auch die altösterreichische Armee keinerlei Unterschiede in der Behandlung der ihr anvertrauten Bürger, und nur nach dieser weisen Methode erzogen und geführt, vermochte sie in den Wogen des großen Krieges noch zu Zeiten standzuhalten, als lange vor ihrem eigenen Ende andere national fester gefügte und einheitlichere Heere entweder bereits zusammengebrochen waren oder aber Erschütterungen erlitten hatten, wie sie ihr selbst in langen vier Jahren in härtesten Prüfungen und bösesten Krisen nicht zugestoßen sind. Der am 22. September 1924 in Wien verstorbene und am 29. September in Budapest beerdigte Feldmarschall Kövess war ein vollendeter Vertreter des k. u. k. Zeitalters, und wenn in den kleinsten Kämpfergruppen der Korps und Armeen bester staatserhaltender Geist bis zum tragischen Ausklang lebendig blieb, dann hatte auch er seinen Anteil daran, und so wird er in die große Geschichte als eine der treuesten und festesten Stützen des untergegangenen Völkerreiches an der Donau eingehen.

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