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Die 14 Schlachten von Siebenbürgen

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Unter den Feldherren des ersten Weltkrieges sind die Feldmarschälle allgemein bekannt, da ihre Zahl — es gab nur neun — klein war, und da alle tatsächlich Feldherrnfunktionen ausgeübt haben. Anders verhält es sich mit den Generalobersten. Die Charge eines Generalobersten wurde von Kaiser Franz Josef I. mit allerhöchster Entschließung vom 22. Mai 1915 geschaffen und sie war nicht nur höchstkommandierenden Generalen vorbehalten, sie konnte auch an andere prominente Generale verliehen werden, wie an den schon lange im Ruhestand lebenden Grafen Beck-Rzikow-s k y, an die Generaladjutanten des Kaisers, an die Kriegs- und Landesverteidigungsminister, an den Chef des Ersatzwesens u. a. m. Ihre Zahl war verhältnismäßig groß, zu Kriegsende gab es im ganzen 25 Generaloberste. Selbstverständlich war auch die Mehrzahl der Generalobersten Feldherren, viele von ihnen mit glänzenden Namen wie Graf Dankl von £ r a s-nik, Terzstyänszky von Nädas, Kusmanek von Burgneustädten, Wenzel Wurm, Graf Scheuchenstuel, Roth von Limanowa-Lapanow, Arz von Straußenburg und Karl Freiherr von Pflanzer-Baltin, dieser in den letzten Monaten des Jahres 1918 der nächste Anwärter auf die Feldmarschallwürde, zu deren Verleihung es aber infolge des Zusammenbruches der Monarchie nicht mehr gekommen ist.

Pflanzer-Baltin lebt heute noch als einer der populärsten österreichischen Heerführer in der Erinnerung fort, und sein Ansehen gewinnt immer mehr an Gewicht, je unbeeinflußter von allen zeitgenössischen Tageseindrücken und Meinungsschwankungen seine Leistungen in der Geschichtsdarstellung ihren endgültigen Platz angewiesen erhalten. Wie Erzherzog Eugen oder Hindenburg stand auch er nicht im aktiven Dienst, als der Krieg ausbrach, doch eilte er von seiner schon in die Pension überleitenden afrikanischen Urlaubsreise unverzüglich heim, als die Mobilisierung erfolgte, um sich der Armee zur Verfügung zu stellen. Allerdings hatte er vor Wiederantritt des Dienstes noch eine traurige Aufgabe zu erfüllen, als es galt, seinen am 13. August 1914 bei Narol gefallenen Sohn Erwin vom Schlachtfeld in die Heimat zu überführen. Dann aber trat er am 1. Oktober 1914 an die Spitze der in Siebenbürgen aufgestellten Armeegruppe von Pflanzer-Baltin, die bald die alltäglichen Heeresberichte mit ihren wechselvollen Schicksalen füllen sollte.

Die Aufgabe der Armeegruppe bestand darin, den Südflügel der Ostfront verläßlich zu sichern, die feindliche Aufstellung soweit möglich durch eine ständige Flankenbedrohung fest zu binden. Wie die Motivierungen zur Verleihung des Kommandeurkreuzes des Maria-Theresien-Ordens an den Generalobersten wissen lassen, hat die Armeegruppe, seit 8. Mai 1915 als k. u. k. 7. Armee bezeichnet, ihre Aufgabe in nicht weniger als 14 großen Schlachten gelöst. Diese Schlachten endeten das eine Mal mit 100 km Raumgewinn, wie in der glänzenden Winteroffensive im Februar 1915, das andere Mal mit der zähen Behauptung der Kampffront, wie in der Neujahrsschlacht 1915/16 bei Rarancze-Toporoutz, sie hatten aber auch große Ausweichbewegungen zur Folge, wenn es galt, vor der Uebermacht wieder bis auf die Karpatenhöhen zurückzugehen. Das Schlachtfeld der 7. Armee war nicht wie jenes der 12 Isonzoschlachten auf engsten Raum beschränkt, es reichte vom Uszoker-Paß bis Chotyn über 250 km und von Märmaros-Sziget bis nach Czortköw mehr als 175 km weit, und umspannte Ostgalizien, die Bukowina und das ungarische Anland. Der ganze Charakter des Kriegsschauplatzes mit breitem Waldgebirge, offenen Gegenden und vielfach gewundenen Flußläufen diktierte eine auch durch die feindliche Uebermacht bedingte bewegliche Kampfführung. Daß der schwächere Teil — Pflanzers Truppen — meisterhaft focht, ist dadurch bewiesen, daß der stärkere Partner ganz denselben Wechselfällen ausgesetzt war. Freiherr von Pflanzer-Baltin hat jedenfalls die in ihn gesetzten Erwartungen erfüllt, wo seine Armee stand, da konnte wohl auch zurückgegangen werden, nie aber vermochte der Gegner den Südflügel der Ostfront zu durchbrechen oder gar aufzurollen. Die 14 Schlachten Pflanzers sind ein würdiges Gegenstück zu den 12 Schlachten am Karst, denn sie hatten mit ebenso vielen, wenn auch natürlich ganz anders gearteten Schwierigkeiten zu ringen.

Das Jahr 1916 brachte für Generaloberst von Pflanzer schwere Zerwürfnisse mit den Verbündeten. Dem 7 Armeekommando wurde ein deutscher „Oberstabschef“ zugeteilt, hierdurch wurde der Kommandoapparat seiner Einheitlichkeit beraubt und ein Zusammenwirken mit dem Verbündeten war für die eigenwillige Persönlichkeit des Armeekommandanten nicht mehr möglich. Der Armeeoberkommandant Erzherzog Friedrich unterzog sich der schweren Mission, jenem österreichischen Heerführer, den Kaiser Franz Josef I. seinen „vielbewährten Armeeoberkommandanten“ nannte, in einem Handschreiben nahezulegen, sich krank zu melden, damit noch größere Differenzen mit dem Bundesgenossen vermieden würden. Der Generaloberst brachte am 8. September dieses Opfer, und wenn er auch zum Generalinspektor der Fußtruppen ernannt wurde, so war es doch offenkundig, daß ihm im Augenblick keine Genugtuung geboten werden konnte. Doch das Schicksal zeigte sich gerecht, und als 1918 in Albanien eine sehr bedenkliche Krise entstand, da holte man am 10. Juli den eisernen Generalobersten und stellte ihn an die Spitze der albanischen Armeegruppe, denn man wußte, entweder werde Pflanzer-Baltin Rettung bringen oder aber müsse ein Unglück geschehen. Der General eilte nach Triest, von dort mit einem Torpedoboot nach Cattaro, flog die Fronten ab und befahl die Unterführer ebenfalls im Flugzeug zu sich. Bald führte er seine rasch wieder geordneten Verbände zum Gegenangriff gegen die italienisch-französischen Truppen, eroberte vom 24. bis zum 26. August 1918 Fieri und Berat zurück und heftete den letzten Sieg der Verbündeten des ersten Weltkrieges an die k. u. k. Fahnen — zu einer Zeit, als der Verbündete an der Westfront nur mehr in Abwehr verharren oder aber nur mehr zurückweichen mußte. Alle Welt staunte über diese Leistungen von Führer und Truppe, auch Generalfeldmarschall von Hindenburg erklärte: „Der österreichische Gegenangriff stellte angesichts der ganz außerordentlichen Schwierigkeiten in den albanischen Geländeverhältnissen und der feindlichen Ueberlegenheit eine sehr beachtenswerte Leistung dar.“

General von Pflanzer-Baltin war von harter, unnachgiebiger und äußerlich rauher Natur, gerade deshalb geriet er mit dem gleichgearteten Bundesgenossen in Konflikt. Als Feldherr war er der Meister im Improvisieren, nie um eine Notlösung verlegen, mag er auch oft, losgelöst von allem Schematisieren, die Verbände in ausnahmsweiser Art zerteilt haben, Und doch war es wohl nur auf diesem Weg möglich, die Front dadurch dicht zu halten und zu behaupten, daß mit Bahn, Kraftwagen und zu Fuß rasch hin- und hergeworfene Bataillone und Batterien immer wieder zeitgerecht dort eingesetzt werden konnten, wo ein Durchbruch drohte. Der Armeewitz nannte den General „Pflanzer-Bald hin — Bald her“ — er war aber auch persönlich immer am gefährdetsten Punkte zugegen und stets seinen Truppen voran.

Als Generalstabschef stand dem Generalobersten seit 10. März 1915 der Oberst im Generalstab Theodor von Z e y n e k zur Seite — nach seinem Tod berühmt geworden als Shakespeare - Uebersetzer und als Textdichter zu den Sonaten Beethovens Er hinterließ über seinen Armeekommandanten Aufzeichnungen, denen mit gütiger Erlaubnis seiner Witwe die nachstehende Charakteristik entnommen werden kann:

..... ein Mann von sichtlich unbeugsamem

Willen, großzügigem Denken, voll Freude am Bekämpfen von Schwierigkeiten, einfach, hart, zielstrebig und kraftstrotzend, dabei rücksichtslos gegen sich selbst... Im März 1915 war die Armeegruppe v. Pflanzer bei dem Rückzug arg in Unordnung geraten, die Verbände waren zerrissen, die Stimmung war gedrückt. General Pflanzer war aber ruhig, und sein ernstes, markiges, einfaches Wesen machte auf mich wieder einen gewinnenden Eindruck ... Seine überaus energische Persönlichkeit setzte er immer dort ein, wo sich Schwäche und Schwanken zeigten, und manchem Unterkommandanten zwang er seinen Willen zum Ausharren in kritischen Lagen durch scharfes Eingreifen auf. Er selbst bewahrte auch in den ärgsten Krisen eine unerschütterliche Ruhe, und wenn eine Aktion mißlang, so kannte er keine Vorwürfe und keinen Groll. Mögen seine Nerven oft auch vibriert haben, seine Selbstbeherrschung siegte immer ... Das Leben beim Armeekommando trug den Charakter musterhafter Einfachheit, es gab keine Feste, keine Gelage, es ging immer spartanisch und echt soldatisch zu. Pflanzers persönlicher Mut und seine Schneid waren herzerfreuend, bei mancher Ausfahrt an die Front gab er dem mitfahrenden Ordonnanzoffizier die Weisung, so lange zu fahren, bis das feindliche Feuer das Auto aufhalten werde... War Feldmarschall van Conrad die genialste, so war Generaloberst von Pflanzer-Baltin die kraftvollste Natur, die ich während meiner Dienstzeit erlebt hatte .. .“

Am 8. April 1925 starb der hochverdiente Heerführer in Wien und fand seine letzte Ruhestätte am Hietzinger Friedhof in der Nähe der Gruft des Feldmarschails Conrad, der ihn als seinen „besten Armeekommandanten“ gerühmt hatte. Dieses Urteil bleibt höchste Würdigung vor der Nachwelt.

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