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Der Staatsmann

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Was sich bei Belgrad in einem taktisch-technischen Meisterstück in wenige Stunden zusammendrängte, das verteilte sich im diplomatisch-politischen Dienst des Staatsmannes auf viele lange Jahre, nicht weniger ergebnisreich an unumstößlichen Regeln für Krieg und-; Friedep.-'-Dert „Retter des Abendlandes", der unter den Habsbur- gerkaiserh die Lanllermali ffLdėš Heiligen Römischen Reiches und Österreichs zur kontinentalen Vormacht erstarken ließ, leiteten die Maximen: voraussehen, keinem Schema unterliegen und nie hasardieren, eher den Frieden wählen, „als sich einem ungewissen Ausgang aussetzen“, denn „nichts sei veränderlicher als das Glück der Waffen". Nur bei verzweifelter Lage „werden in extremis periculis extrema remedia erfordert“. Man rüste beizeiten; weil „ohne Geld können die Armeen, ohne die Armeen aber des Kaisers Erbländer nicht erhalten werden". Nachahmenswert gilt für alle Zukunft des Prinzen Eugen Talent, mit Verbündeten einvernehmlich, ritterlich und erfolgreich vorzugehen, wie es mit dem Herzog von Marlborough gelang. In allem maßhalten, bewußt abwägen — so bringt es Fernkorns Reiterstandbild unvergleichlich zum Ausdruck, wie der „weise Ratgeber dreier Kaiser“ das sich aufbäumende Schlachtroß gelassen zügelt. Für das reibungslose Ineinanderfließen der politischen und militärischen Komponenten im Handeln Eugens hat Clausewitz den Satz geprägt: „Um einen ganzen Krieg oder seine größten Akte, die wir Feldzüge nennen, zu einem glänzenden Ziel zu führen, dazu gehört eine große Einsicht in die höheren Staatsverhältnisse. Kriegführung und Politik fallen hier zusammen, und aus dem Feldherrn wird zugleich der Staatsmann.“ Und wenn derselbe Clausewitz die Grundsätze: einheitlichen Gesamtkrieg führung neu formuliert hat, dann war dies nur eine klassische Erläuterung der von Eugen hauptsächlich im Kriegsjahr 1704 befolgten Prinzipien, auf deren Verwirklichung sich ein neues Europa aufbaute.

Als Statthalter erklärte der Prinz, „daß alle meine Absichten nur dahin zielen, meine Würde in einer Weise auszuüben, als dem öffentlichen Wohle völlig entspricht… auf geradem Wege kommt man in den öffentlichen Angelegenheiten immer schneller vorwärts … eine gute Regierung muß jedem sein Recht gewähren.“ Als Gutsherr verschaffte Eugen allen seinen Leuten Arbeit, denn „man darf nicht Menschen hungern lassen, wenn man sie nicht braucht“. Wer wagte jetzt zu be-

gewichtigen Zitaten heimischer Strategen. Gelegentlich ist auch zu hören, Prinz Eugen habe seine Operationen, sei es die durch atemberaubende Märsche erreichte Einkreisung des Feindes bei Zenta, die schwierige Bezwingung der Lessinischen Alpen oder aber der verblüffende 450-Kilometer- Schachzug vor der mit verkehrter Front gefochtenen Turiner Schlacht, ganz napoleonisch geführt, obzwar es nur umgekehrt sein könnte, weil Napoleon erst ein Jahrhundert später in Erscheinung trat. Wie wenig veraltet das militärische Genie Eugens ist, ergibt allem voran eine Betrachtung seines 15. Enf- scheidungssieges bei Belgrad 1717, der die Verdreifachung des österreichischen Territoriums abschloß, eines nie mehr wiederholten oder übertroffenen zeitlosen Beispieles universell angewandter Kriegskunst: initiativ und überraschend im Angriff, überschiffte der Prinz 20.000 Mann in einer Staffel auf das Feindufer, ließ dann unter dem Schutz seiner Donauflottille „schlagen eine Brucken“, zernierte unter Anwendung der Feldbefestigung die Festung Belgrad, warf sich mit Strom und Gegner im Rücken auf das zweimal stärkere türkische Entsatzheer und zerschmetterte dieses mit doppelter Umfassung und einem geballten Infanterie- und Kavalleriesturmblock in achtstündigem Ringen, ungeachtet eines daherfegenden Orkans. Unterdessen zwangen mehrere Mörser die Festung zur Kapitulation.

haupten, eine solche Einstellung zur Mitwelt hätte ihren Wert verloren, man müsse mit der Zeit gehen und eine bessere suchen.

Prinz Eugen und die Wissenschaft

: Prinz Eugen ist nicht bloß mit dem Degen als Soldat und.uut.der.Eed.er als fpecjĮi.ęher Diener im Staat zum Lehrmeister' ehiporgesfiegen, iff "hat1 sich ebenso in den Wissenschaften verewigt. Wohl gibt es von ihm keine Druckwerke wie von Montecuccoli, Erzherzog Carl oder Conrad, doch füllen seine Anträge, Denkschriften, Berichte, seine Korrespondenzen, ferner di Feld- akten und Konferenzprotokolle die 17.000 Seiten der „Feldzüge des Prinzen Eugen von Savoyen", herausgegeben unter Feldzeugmeister Leander von Wetzer vom Wiener Kriegsarchiv, das aus dem auf Antrag des Prinzen 1711 gegründeten Hofkriegsrätlichen Archiv hervorgegangen ist. Dieses einzig dastehende Werk, das König Humbert I. von Italien hat übersetzen lassen, bleibt für immer eine nie versiegende Quelle der Geschichtskenntnis, das auch mit dem Savoyerwappen geschmückte Kriegsarchiv aber nannte Oswald Redlich „das bestorganisierte und an wissenschaftlicher Leistung hervorragendste unter den öffentlichen Archiven Wiens“. Im derzeitigen Gebäude des Archivs war seinerzeit die k. u. k. Technische Militärakademie zur Heranbildung von Artillerie- und Pionieroffizieren untergebracht, die 1717 als „förmbliche Ingenieur-Aca- demia" ebenfalls auf Eugens Anregung ins Leben gerufen worden war. Aus dieser ältesten polytechnischen Schule und ältesten Militärschule Österreichs gingen zunächst die Militäringenieure hervor, die somit — ganz ähnlich dem Generalstab — eine Schöpfung des Prinzen Eugen sind, sie erzog jedoch gleichzeitig Offiziere anderer Waffengattungen, und wenn in der heutigen Militärakademie zu Wiener Neustadt die Offiziersschüler aller Truppen auf derselben Schulbank studieren und der Technik ein bevorzugter Platz gewidmet wird, dann lebt in der Bundesheerakademie das Eugensche System fort, das 1717 so segensreich zu wirken begonnen hat. LInangefochten und neue Früchte tragend behaupten sich die wissenschaftlichen Einrichtungen Eugens in der Gegenwart.

Bauherr — Mäzen — Sammler

Neben dem Staatsmann, dem Generalissimus und Förderer der Wissenschaft kennen wir den Bauherrn, den Mäzen und Sammler. Die Schloßbauten Schloßhof, Ober-Siebenbrunn, Engel hartstetten, Promontor, Räczkeve und Bellye sind sozusagen die Satelliten der beiden Wiener Architekturjuwelen, des Winterpalais und des Belvederes, zweier

Zierden des den Siegen über die Türken entsprossenen österreichischen Hochbarocks. Wie viele Neubauten mag das Belvedere schon überdauert haben, es wird weiter in ferne Epochen ragen als Künder einer Spitzenleistung bahnbrechender Baukünstler. Nach dem Tode des Prinzen zerflatterte sein Nachlaß in alle Winde, doch gelang es der Munifizenz des Hofes, die 15.000 Bände der Bibliothek, 500 Kartons Kupferstiche und 240 Handschriften sicherzustellen, die in unseren Tagen den stolzesten Kernbestand der Österreichischen Nationalbibliothek und der Albertina bilden. Der Mäzen ließ Lo- dovico Antonio Muratoris 28bändiges Werk „Rerum Italicarum Scriptores“, ein fundamentales Quellenwerk zur italienischen Geschichte, ins Italienische übertragen, aus seinem Besitze stammen unter anderem die in Wien aufbewahrte Tabula Peutingeriana und ein vollständiger Blaeu-Atlas, der von Friedrich II. von Preußen erworbene „Betende Knabe", ein Geschenk des Papstes Clemens XL, und die nach Dresden gelangten drei Vestalinnen, deren Auffindung durch Eugensche Truppen den Anstoß zu den Ausgra-

bungen in Herculaneum gab. So mahnen allenthalben eindrucksvolle Zeugen an den Prinzen, der bei größter persönlicher Bescheidenheit gezeigt hat, wie dem Staat zu verdankender Reichtum zu Nutz und Frommen der Allgemeinheit und nicht zu genießerischer Verschwendungssucht angelegt werden kann.

Der Mensch

Über den Staatsmann, den Heerführer, den Bauherrn, Mäzen und Sammler hinaus erhebt sich der Mensch, wie ihn der Savoyer vorgelebt hat. Von tiefer Gläubigkeit durchdrungen, betete er täglich, Gott möge ihn befähigen, „in allen Gelegenheiten klug, in Gefahren tapfer, im Unglück geduldig und im Glück demütig" zu sein. Pflicht, Ehre, Treue und Gehorsam waren die Hauptleitsterne, Fürsorge für den Nächsten, für Verwundete, Gefangene und Witwen eine Selbstverständlichkeit. Im Kriege verbot der Prinz jedweden Exzeß und verlangte Schonung der Bevölkerung und der von Kämpfen heimgesuchten Gebiete: „Die Drangsale des Krieges haben ihre Grenzen, und die Gesetze der Menschlichkeit sollen nie außer acht gelassen werden.“ Zwischen Macht und Recht gestellt, suchte der in 17 Feldzügen auf acht Kriegstheatern neunmal verwundete Feldherr bei der unerläßlichen, bisweilen sehr harten Machtausübung gewiß auch Rückhalt an Recht und Gesetz, doch vollbrachte er das Wunder, der Macht in erster Linie ausschließlich durch seine schrankenlos anerkannte Persönlichkeit Geltungskraft zu verleihen. In dieser Kunst hat den Prinzen niemand verdrängt, und sein Vorbild gilt für jeden, der Macht auszuüben berufen wird.

Manchen Feldherrn ereilen dann und wann Heimtücken der Geschichtsforschung. Das ohnehin so schwer entwirrbare Wallenstein-Problem wurde noch undurchsichtiger, als ein Historiker, sich auf eine zweifelhafte Quelle stützend, neue, erst in jüngster Zeit widerlegte Theorien zum Schicksal des tragischen Oberbefehlshabers aufstellte, Wilhelm Alter, dessen Werk „Feldzeugmeister Benedek und der Feldzug der k. k. Nordarmee" sich in allen Teilen als Fälschung herausstellte, hat das Bild Benedeks maßlos verzerrt, von Unkundigen wird das Buch noch immer zu Rate gezogen. Josef von Sartori publizierte 1811 19 die „Politischen Schriften des Prinzen Eugen von Savoyen“, das war „eine der kühnsten, aber auch unheilvollsten literarischen Mystifikationen, die jemals gewagt wurden“. Sie zerschellten allerdings an der Gestalt Eugens wie die Wasserwegen an Felsenriffen. Die Akribisten der Klio haben es schließlich nicht verabsäumt, im Alltag des Prinzen Schatten und Mängel aufzuspüren, wie sie einmal jedem Sterblichen anhaften — unwillkürlich denkt man , hier an jenen Besuchendes Louvre, der. vor der Venus von Milo pu įędf : . ,, Vie wunderbar j Ąjjer am Hals hat sie einen Kratzer!

1736, nach dem Tode des Prinzen, verordnete Kaiser Karl VI., das Regiment des Feldmarschalls habe „auf immerwährende Zeiten“ dessen Namen zu führen. Auch die Republik respektierte bis 1938 diese Verfügung, dann erlosch sie, als hätte in diesem Falle Prinz Eugen zum erstenmal einem Widersacher weichen müssen. Doch nur scheinbar, denn solange Nachfolgetruppen der Prinz-Eugen-Dragoner bei Paraden defilieren werden, solange wird der Prinz-Eugen-Marsch erklingen, und er wird jeden Versuch übertönen, in neuen Zeiten Unvergängliches vergänglich machen zu wollen, der Edle Ritter bleibt, wo, wann und wie immer er tätig war, „auf immerwährende Zeiten": INVICTUS UBIQUE!

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