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Feldherr & Spieler

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„Retter des Abendlandes“, „Deutschlands Held“, „des Reiches Bannerträger“ - diese und mehr pathetische Beinamen bauten allzu oft Prinz Eugen posthum in politische Programme ein; ähnlich wie es Hugo von Hofmannsthal tat: 1917 zum 200j ährigen Gedenken an die Schlacht von Belgrad, zur Stärkung des Wehrwillens der armen Teufel am Isonzo und im Osten, deren Siege - so Hof mannsthal - der Prinz in Augenblicken der Entrückung visionär vorausgesehen hatte. Denn das Volk brauche, schreibt Hofmannsthal, zur Erhaltung des Patriotismus zwischen Geschichte und Mythos die Legende.

In Zeiten, da Legenden ohne (patriotische) Nutzanwendung sein dürfen, ist es legitim zu fragen: Was steckt hinter dieser Legende Eugen? Was war das für ein Mensch, der zwanzig Jahre lang (von Zenta 1697 bis Belgrad 1717) Sieg an Sieg reihte und die Territorien seiner kaiserlichen Herren flächenmäßig verdoppelte?

Vor gut fünfzig Jahren suchte der niederländische Kulturhistoriker Jan Huizinga nach einem fürs erste befremdlich anmutenden Kriterium in der Geschichte: dem Spiel. Er verstand darunter eine Kulturform mit bestimmten Ordnungsprinzipien und spürte spielerische Elemente in durchaus ernsthaften Tätigkeiten auf: in der Wissenschaft, im zwischenmenschlichen Verhalten, sogar im Krieg. Er fand dieses Prinzip in besonders hohem Maß im Rittertum verkörpert.

Prinz Eugen, „der edle Ritter“, der nach einer wilden Jugend so ernst geworden war, ein „Spieler“? Tatsächlich verkörpert er in vielem den Typus des „homo lu-dens“ im Sinne Huizingas und darüber hinaus sogar des Falschspielers, den Huizinga erst in der Politik seiner Gegenwart ortete.

Die Soldaten liebten Eugen und gingen buchstäblich für ihn durchs Feuer, weil er im Feld einer von ihnen war, dieselben Entbehrungen auf sich nahm und an ihrer Spitze dem Feind entgegentrat: wie ein Ritter, der den Zweikampf sucht. Alle die berühmten Schlachten gegen Türken und Franzosen waren nach seinen Regeln ersonnen und durchgefochten.

Er spielte stets mit hohem Einsatz (des eigenen Lebens und ohne Rücksicht auf die Zahl der Gefallenen), höchst erfolgreich mit Uberraschungseffekten (am berühmtesten der Alpenübergang im Frühjahr 1701), mit Freude an

Täuschungsmanövern (das Blasen feindlicher Signale als Falle, fingierte Truppenbewegungen, auch um einen unbequemen Feldherrn aus den eigenen Reihen zu hintergehen) — ein waghalsiger, offensiver, sieggewohnter, listiger Spieler. „Fuchs und Löwe“ nannte ihn ein Franzose.

Als Fuchs erwies sich Eugen vor allem in der Diplomatie. Diese zweite Begabung manifestierte sich erstmals in den Friedensverhandlungen mit Frankreich am Ende des Spanischen Erbfolgekrieges (1713/14). Wie spielte er mit Mar schall Duc de Villars, dem Unterhändler Ludwigs XIV.! Er plante dessen Reaktionen voraus wie Schachzüge und gab kein einziges Mal die Partie aus der Hand. Villars versuchte — zu des Prinzen Ergötzen —, wie ein eifriger Schüler die Taktik des bewunderten Eugen nachzuahmen; auch das war eingeplant. Kaiser Karl VI. verdankte diesem Spiel das Herzogtum Mailand, die Königreiche Neapel und Sardinien und die spanischen Niederlande (Belgien).

Zehn Jahre später: Eugen war sechzig; sein physischer Bewegungsradius reichte kaum mehr als 50 Kilometer über Wien hinaus. Fäden aber spann er über ganz Europa. „Der Staatsmann“ heißt das letzte ruhmvolle Kapitel in seinem Leben. Es hat den Einsatz vieler Figuren auf einem gewaltigen Spielbrett zum Inhalt. Das Ziel war die Anerkennung der Pragmatischen Sanktion und damit der Erbberechtigung der Tochter des Kaisers, Maria Theresia, durch die europäischen Mächte sowie der Aufbau eines soliden Bündnissystems nach dem Scheitern der chaotischen Außenpolitik der Gegner Eugens am Kaiserhof.

Dem preußischen König Friedrich Wilhelm I. schleuste Eugen Agenten in den markigen Männerzirkel der „Mäßigkeitsgegner“. Man soff und qualmte und hörte sich um, wer eine Schwachstelle hatte, wer käuflich war unter den Ratgebern des Königs.

Die Verträge und Allianzen waren wenig wert, das große Reich zerfiel, ohne jemals zu dem Ganzen zu werden, das Eugen sich vorgestellt hatte. Die ersten Risse und Brüche mußte er noch kurz vor seinem Tod miterleben, auch ein tragischer geistiger Verfall ist ihm nicht erspart geblieben.

Was die Jahrhunderte überdauert hat, entsprang einer anderen Facette des „Spielers“ Eugen: seine Schlösser im Marchfeld, das Winterpalais in der Wiener Himmelpfortgasse, als Krönung barocker Baukunst das Belvedere und die riesige Büchersammlung im Prunksaal der Nationalbibliothek.

Die Frage nach dem Menschen Eugen ist damit nicht beantwortet. Da sind absolute Loyalität und Unbestechlichkeit zu nennen, persönliche Genügsamkeit und zugleich ein stark ausgeprägtes Gefühl für Repräsentation, eine mimosenhafte Empfindlichkeit in der Wahrung seiner Stellung, Selbstbeherrschung, Schweigsamkeit (oft ausgelegt als Hochmut, aber auch als Unsicherheit), eine Zielstrebigkeit, der jedes Mittel recht war, daneben die Ohnmacht gegenüber den Wiener Intrigen, Kontaktarmut, der Mangel an Freunden, Enthaltsamkeit in bezug auf Frauen und die Haltlosigkeit homosexueller Verdächtigungen.

Hinter vielem bleibt ein Fragezeichen, denn alles Private, wenn es überhaupt je geschrieben wurde, ist verschwunden. Den Äußerungen der Zeitgenossen aber ist mit Vorsicht zu begegnen: Eine breite Palette subjektiven Sehens und zweckbedingten Redens schiebt sich zwischen Schein und Sein.

Die Autorin ist derzeit mit dem Aufbau des Museums österreichischer Kultur in Eisenstadt beauftragt und Verfasserin des Bildbandes „Prinz Eugen. Sein Leben, sein Wirken, seine Zeit“, im Verlag Christian Brandstätter.

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