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Der Aufstieg eines großen Mannes

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PRINZ EUGEN VON SAVOYEN. Eine Biofra phie. Band I. Aufstief. Von Max Braubach. Verlar für Geschichte und Politik, Wien, ls. 47 Selten, 24 Kunstdrucktafeln, 1 Falttafel. Preis IBS S.

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PRINZ EUGEN VON SAVOYEN. Eine Biofra phie. Band I. Aufstief. Von Max Braubach. Verlar für Geschichte und Politik, Wien, ls. 47 Selten, 24 Kunstdrucktafeln, 1 Falttafel. Preis IBS S.

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In seinem Aufsatz „Vom politischen Denken des Prinzen Eugen“ beklagte Heinrich Srbik 1949 das Fehlen einer „Darstellung des Gesamtlebens des Helden, der Dauerwert zugekommen wäre“, und er bezweifelt es, daß ein einzelner eine solche Darstellung zustande bringen könnte. Tatsächlich liegen in der Flut der einschlägigen Literatur bloß zwei eigentliche Biographien vor, jene von Mauvillon in fünf Bänden (1752) und jene von Arneth in drei Bänden (1858); daneben behauptet das 22bändige Kriegsarchivwerk „Die Feldzüge des Prinzen Eugen“ unbestritten seinen ersten Platz, mag es auch vorwiegend politische und militärische Geschichte und weniger Biographie sein. Die Schwierigkeiten einer Biographie sind beträchtlich: Die Geschehnisse fallen in das 17. und beginnende 18. Jahrhundert; ihr Einzugsgebiet umfaßt viele Staaten; Quellen und Literatur sind mehrsprachig und verstreut; Prinz Eugen wirkte ein halbes Jahrhundert, mitten in weltgeschichtliche Vorgänge gestellt, und zwar nicht nur als Feldherr, sondern auch als Staatsmann und richtiger „üomo universale“.

Max Braubach hat dennoch den Alleingang unternommen und eine fast lebensfüllende Arbeit bewältigt. Er erscheint durch eine ansehnliche Reihe von Publikationen zum Zeitalter Eugens für das Thema imbedingt legitimiert, und noch 1962 erschien „Die Geheimdiplomatie des Prinzen Eugen“ („Die Furche“, Nummer 45/1962) als vielversprechende Ansage des Gesamtwerkes, dessen erster Band, „Aufstieg“, jüngst erschienen ist: „Es ist so eher eine Biographie gewissermaßen alten Stils, die ich vorzulegen wage, die Rekonstruktion des Lebenslaufes eines großen Mannes, soweit dies die Quellen erlauben, damit zugleich die Charakteristik einer Epoche europäischer Geschichte, die er mitgeprägt hat... Ich weiß nur zu gut um die Lücken und Mängel dieses Versuches ...“ Derart sympathische Bescheidenheit erinnert an Clause-witz, der in seinem Werk „Vom Kriege“ ebenfalls betonte, es wäre „von unvollendeter Gestalt“, es seien nur „einzelne Körner“, denen noch „Schlacken anhaften“. Dem ersten Band sollen bis Anfang 1965 weitere folgen: „Der Feldherr“, „Der Staatsmann“ und „Mensch und Schicksal“. Von den schon an die 2000 heranreichenden Veröffentlichungen über den Edlen Ritter verwertet Braubach 350 Schriften; Archivquellen hat er aus den Niederlanden, England, Spanien, Frankreich, Italien, Deutschland und Österreich herangezogen; mehr als 1000 Anmerkungen ergänzen den Haupttext. So haben wir in der Tat eine Spitzenleistung der Geschichtsschreibung vor uns, die auf Jahre hinaus Historiker und Studierende beschäftigen und mit neuen Forschungsanregungen erfüllen wird.

Das Gedenkjahr 1963 hat die Prinz-Eugen-Forschung zweifellos bereichert, wohl nicht die Schilderung der großen Fragen betreffend, an denen nicht mehr zu rütteln ist, aber hinsichtlich mancher neuer Einzelheiten, die auch genauere Kenner veranlassen werden, ihr Wissen um den Prinzen da und dort zu berichtigen. Ein besonderes Verdienst des Autors liegt darin, daß der erste Band die reichlich verworrene Familiengeschichte der Sa-voyen-Carignan-Soissons sehr verständlich zurechtrückt und vervollständigt. Es ist ein altes Übel, daß in der Geschichtsschreibung Briefe und Tagebücher, bekanntlich oft ein Gestrüpp von Phantasie, Klatsch, Verdächtigung und Lüge, bisweilen unkritisch als Wahrheit hingenommen werden. Braubach bemüht sich sichtlich, mit dem Unwahren aufzuräumen, nur Wahres festzuhalten und Wahrscheinliches mit Vorsicht und Skepsis zu berühren. Diese erfreuliche Flurbereinigung, von der auch Olympia Mancini ihren Nutzen hat, sollte künftige Darsteller veranlassen, endgültig widerlegte Legenden und Vermutungen über Bord zu werfen und sie nicht mehr nur deshalb wieder darzubieten, weil es gefällt... Die militärischen Vorgänge werden in straffer Konzentrierung gebracht; sie reichen bis 1703, also bis zur Berufung des Prinzen Eugen als Hofkriegsratspräsident; sie sind in ihrer Verbindung mit den nichtmilitärischen Begleitumständen angenehm zu lesen.

Wie andere bedauert es auch der Autor, daß es an vertraulichen Briefen oder persönlichen Aufzeichnungen des Prinzen Eugen mangelt, was sicherlich die Charakterzeich-nung erschwert; anderseits ist es durchaus möglich, aus den säkularen Taten und unvergänglichen Werken, aus dem System und aus den Motiven des Handelns sowie aus den überreich erhaltenen amtlichen Korrespondenzen, Noten, Anträgen, Berichten und Protokollen wie kaum bei einem anderen Großen der Geschichte ein ziemlich vollständiges Bild zu gewinnen.

Die 1963 erfolgten Feststellungen über die savoysche Gruft im Wiener Stephansdom konnten Braubach (Seite 84) bei Drucklegung seines ersten Bandes noch nicht bekannt gewesen sein. Im Stephansdom ruhen nach einem Augenzeugenbericht aus dem Jahre 1932 nur vier Sa-voyer: der älteste Neffe des Prinzen Eugen, der Feldmarschalleutnant Prinz Emanuel Thomas von Savoyen, dessen Gemahlin Maria Theresia, Tochter des Fürsten Hans Adam von und zu Liechtenstein, und deren Sohn, Generalfeldwachtmeister Prinz Eugen Johann von Savoyen, endlich Prinz Eugen selbst, der die drei Vorgenannten überlebt hat.

Der Verlag hat die Biographie vornehm und würdig ausgestattet; es ist hocherfreulich, daß diese kostbare Gabe an die Wissenschaft und an Österreich in Wien erscheint. Die beigegebenen Kriegsschauplatzkarten erfüllen ihren Zweck; einige Verschreibungen von Ortsnamen — zeitgenössische und moderne Schreibart sind schwer auf einen gemeinsamen Nenner zu bringen — beeinträchtigen nicht ihren Wert; in der „Verwandtschaftstafel des Prinzen Eugen“ würden es vielleicht manche Leser begrüßt haben, wenn die habsburgische Deszendenz Philipps II. mit aufgenommen worden wäre, da sie die verwandtschaftlichen Beziehungen Eugens zu seinen drei Kaisern augenscheinlich macht.

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