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Retter des Abendlandes

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PRINZ EUGEN — RETTER DES ABENDLANDES. Von Alfons von Czibulka. Paul-Neff-Verlag, Wien- Berlin-Stuttgart. 357 Seiten, 16 Bildtafeln, 2 Karten. Preis 98 S

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PRINZ EUGEN — RETTER DES ABENDLANDES. Von Alfons von Czibulka. Paul-Neff-Verlag, Wien- Berlin-Stuttgart. 357 Seiten, 16 Bildtafeln, 2 Karten. Preis 98 S

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Das Erscheinen einer Biographie ist nicht immer an ein Gedächtnisjahr gebunden, und so gibt es auch im Leben des Prinzen Eugen augenblicklich keinen markanten Gedenktag — dennoch ist Czibulkas Buch aktueller denn je, wie schon sein Untertitel verrät. Als Flüchtling, dafür als Urenkel einer Habsburgerin und als Neffe Leopold I., tritt Prinz Eugen als Volontär in das kaiserliche Heer, und fast an derselben Stelle, an der sich später in Wien sein Reiterstandbild erhebt, kämpfte in den Septembertagen 1683 der junge Prinz gegen die Osmanenmacht. Vom Kahlenberg führte dann sein Weg bis zum Belvedere, vom Krieg zum Frieden, vom Sieg zur Auferstehung des Habsburger-Reiches: „Mit seinem Belgrader Sieg, dem erstaunlichsten und kühnsten aller Türkensiege, ist Prinz Eugen, nachdem er auch im Westen das Heilige Reich und damit Europa vor dem Chaos bewahrt hatte, wie keiner vor ihm oder nach ihm, zum Retter des Abendlandes geworden.“ So ward ein Einzelleben zum Symbol für Oesterreich und darüber hinaus für die ganze Christenheit. Friedrich II. und Napoleon I. bekannten sich als dankbare Schüler des Savoyers, der Preußenkönig nannte ihn den „Atlas der österreichischen Monarchie“. Wir sehen vor uns einen ebenso bedeutenden Feldherrn wie Staatsmann, der zutiefst das Wesen alles Regierens erkannt hatte, nämlich militärisch stark zu sein — mag auch sein überliefertes Wort nicht nachgewiesen sein, es wären 140.000 Mann das einzige Mittel zum Schutz der Pragmatischen Sanktion, und mag man auch die Inschrift auf dem ehemaligen Kriegsmiinisterium in Wien „Si vis pacem, para bellum“ nach dem zweiten Weltkrieg entfernt haben. Czibulka meißelt die Meilensteine des Wirkens aus halbhundertjährigem Geschehen: den Hofkriegsrats präsidenten und Vorsitzenden in der Großen Konferenz, den Organisator, den Former des kaiserlichen Offiziers, den eigentlichen Gründer der Ingenieurakademie und des Kriegsarchivs, im Politischen den Beherrscher des Koalitionskrieges und — wie der Autor in Querverbindungen zu Erzherzog Carl, Radetzky und Conrad zeigt — den Befürworter eines gemeinsamen Reiches mit Preußen an Stelle einer Eroberung der Reichsmitglieder durch Preußen. Die ganze Größe Europas erwächst aus der bewundernswerten Verschmelzung der staatlichen Bereiche mit jenen der Baukunst, des Mäzenatentums und des Kunstsammlers, der Heerführer wird zum Mitschöpfer des Hochbarocks, sogar im Wirtschaftlichen hinterließ er dauernde Spuren im Ausbau der Militärgrenze und durch Kolonisierung des Banäts, „bis Wahnsinn und Unmenschlichkeit des zweiten Weltkrieges auch diese unvergeßliche Leistung Oesterreichs vernichtete“. Wer das Glück hat, in Czibulkas neuestem Werke besinnlich zu blättern, der entgeht nicht dem bedrückenden Gefühl, es könnte sich — ähnlich wie bei Radetzky, den manche nur noch nach seinem Marsch kennen — bloß des edlen Ritters unvergängliches Lied als kümmerlicher Rest durch die verfallende Bildung hindurchretten. 1938 wurden die letzten Hüter der Prinz-Eugen-Tradition, die noch für die Restaurierung der verfallenen Gruft im Stephansdom die Mittel gesammelt hatten, hinweggefegt, und auch die letzten Prinz-Eugen-Dragoner verschwanden — eine in äußerster Not versuchte spätere Auffrischung des Eugen-Gedankens hat sich als untauglich erwiesen.

Das Wiener Kriegsarchiv hat in 22 Bänden das Leben des Retters des Abendlandes festgehalten, so gründlich, daß es seither praktisch keine Prinz-

Eugen-Forschung mehr gibt. Deshalb ist jedoch die Eugen-Literatur nicht verstummt, und wie in Italien erscheinen auch nördlich der Alpen immer wieder neue Betrachtungen, wie noch 1949 von Srbik, die auch eine Art Inventur des neueren Schrifttums vornimmt, ohne dabei auf Czibulkas ältere Arbeiten zu vergessen. Czibulka hat jetzt, „wie keiner vor ihm“, eine in ihrer Kürze den Meister verratende vollkommene Darstellung eines der größten Oesterreicher / gebracht, wahrhaft universell Person und Zeit, Vergangenheit und Gegenwart verknüpfend. Sie räumt mutig mit vielerlei Legenden auf, sie hat den Charakter eines richtigen Oesterreich-Buches von zeit-

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