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„Wurzbach“ redivivus

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Auch heute noch gibt es keinen Historiker, der sich mit Österreichs Vergangenheit beschäftigt und nicht immer wieder nach dem berühmten Werk von Wurzbach, dem „Biographischen Lexikon des Kaiserthums Österreich“, das von 1856 bis 1891 in 60 Bänden erschien, greifen wird. Aber dieser „Wurzbach“ hat einen Mangel: er reicht nicht in die neueste Zeit hinauf. Um so dankenswerter ist deshalb das Unternehmen der Österreichischen Akademie der Wissenschaften in Wien, die nun unter der Leitung von Univ.-Prof. Dr. Leo Santifaller und unter Mitwirkung zahlreicher helfender Hände einen neuen „Wurzbach“ herausgibt. Dieser neue „Wurzbach“ ist auf acht Bände berechnet (also wesentlich kleiner als der alte), von denen bisher zwei Bände erschienen sind. Das Urteil über dieses Werk sei gleich vorweggenommen: dieser neue „Wurzbach“ stellt eine hervorragende Leistung dar und wird in Zukunft ein unentbehrliches Hilfsmittel für alle jene sein, die sich für die Biographien von Männern und Frauen interessieren, die zwischen 1815 und 1950 lebten und auf irgendeinem Gebiet des öffentlichen Lebens, sei es der Kunst, der Wirtschaft, der Politik, des Kriegswesens, bemerkenswertes geleistet haben. In jeder Kurzbiographie sind die Werke angegeben, die die Betreffenden eventuell verfaßt haben. Ebenso ist auch jeder Biographie ein Literaturhinweis über den Dargestellten angefügt. Der große Vorteil des neuen „Wurzbach“ besteht auch darin, daß er nicht nur die Biographien der ganz berühmten Helden der Geschichte anführt, sondern auch den Lebenslauf jener „kleinen Leute“ angibt, deren oft so anonymes Wirken doch nicht ohne Bedeutung für den Ablauf der Geschichte ist. Die Frage, wer denn als Österreicher in der Zeit zwischen 1815 und 1950 zu gelten habe, haben die Herausgeber in streng staatsrechtlichem Sinne gelöst. Das heißt, als Österreicher sehen sie bis 1867 alle Bewohner der Habsburger Monarchie an, ab diesem Datum die Bewohner Zis-leitaniens, ab 1918 die Bewohner St. Germain-Öster-reichs.

Selbstverständlich, daß in einem solchen großen Werk der Kritiker die Biographie der einen oder anderen Persönlichkeit vermissen wird. Dies ist kein

Vorwurf, da es immer ausgeschlossen ist, ein solches Werk allen Wünschen gerecht zu gestalten. Dennoch erlaubt sich der Rezensent die Namen einiger Persönlichkeiten anzuführen, deren Biographie seiner. Meinung nach bei einer Neuauflage in das Lexikon aufgenommen werden sollten. Es sind dies vor allem: Dr. Alois Faidutti, Landeshauptmann von Görz; Dr. Alcide Degasperi, Abgeordneter des Österreichischen Reichsrates; Josef Graf Ezdorf, letzter kk. Landeschef der Bukowina; Dr. Freiherr von Bleyleben, zuletzt Statthalter von Mähren; Gustav Heine, Gründer des „Fremdenblattes“, Dr. Koloman Belopotocky, Apostolischer Feldvikar; Dr. Karl Gros, Prager Bürgermeister während des ersten Weltkrieges (ein sehr schwarzgelber Tscheche); der schlesi-sche Dichter Peter Bezrufi; der tschechische Reichsratsabgeordnete Josef Durych, der in der Emigration eine Anti-Masaryk-Politik betrieb. Neben dem Schauspieler Karl Gründorf wäre sein berühmter Bruder Wilhelm Ritter von Gründorf, ein bekannter Generalstabsoffizier, zu nennen, neben den beiden Statthaltern Coudenhove, auch dessen Vetter der ein bekanntes Buch über den Antisemitismus verfaßte. Zu nennen wäre auch Dr. Emil Hacha, Hofrat des kk. Obersten Verwaltungsgerichtshofes, der spätere Präsident der tschechoslowakischen Republik, ebenso wie der Masaryk-Biograph Jan Herben. Anzuführen wären auch der österreichische Heimwehrpolitiker Baar von Baarenfels sowie der kroatische Banus Cuvaj.

Bei der Biographie des Philosophen Brentano wird unter seinen Schülern nicht Masaryk angeführt. Im Artikel über „Conrad von Hötzendorf“ wird Erzherzog Franz Ferdinand als Anhänger eines Präventivkrieges bezeichnet, während die Geschichtsforschung seit langem das Gegenteil beweisen konnte. Unter der Literatur über „Conrad“ fehlt das große Werk von Oskar Regele.

Nochmals sei betont, daß diese Hinweise nicht als eine üble Kritik aufgefaßt werden mögen, sondern nur als eine kleine Hilfe für eine kommende Auflage der beiden vorliegenden Bände. Das Werk selbst, dies sei wiederholt, stellt eine neue Glanzleistung österreichischer Geschichtswissenschaft dar.

DDr. Willy Lot etil

UNTER DER K. U. K. KRIEGSFLAGGE. Von

Heinrich Bayer v. Bayersburg. Bergland-Verlag, Wien. 110 Seiten. Preis 24 S.

In der „Österreich-Reihe“ des Bergland-Verlages begegnete uns schon der Band 49/51, in welchem Heinrich Bayer über die zahlreichen Missionsreisen der k. u. k. Kriegsschiffe in allen Weltteilen berichtete; der vorliegende Band 76/78 ist hervorragenden Taten von Seeoffizieren gewidmet, die würdig sind, in Erinnerung gebracht zu werden, um „die Jugend anzueifern, Tradition zu pflegen und bestrebt zu sein, es den Altvorderen gleichzutun!“. Die österreichisch-ungarische Kriegsmarine hat das Glück — aibgesehen von den ihr gewidmeten Archivwerken —, immer neue Barden zu finden, unter denen sich die Handel-Mazzetti, Sokol, Wallisch und Bayer in der jüngsten Zeit verdient gemacht haben. Zwischen den Leistungen der Offiziere zu Land und zur See bestand ein großer Unterschied. War es zu Land das jahrelange, pausenlose und überaus verlustreiche Ringen in täglichen zermürbenden Kämpfen, welche das Heldentum oft verschlangen, ergab sich bei der Marine eine plötzliche vielseitige Inanspruchnahme in höchster Intensität, zusammengedrängt in kurze Zeitspannen: auf hoher See im Messen Schiff gegen Schiff, unter Wasser in den kühnen Aktionen der U-Boote und in der Luft im verwegenen Wagnis der Seeflieger, alles gipfelnd in hervorragender Bewährung einzelner. Der Autor führt eine Reihe solcher Spitzenleistungen altösterreichischer Seeoffiziere vor, die ihren gebührenden Lohn in der Auszeichnung mit dem Maria-Theresien-Orden erhielten. Von Kaiser Karl wurden Großadmiral Haus für seine erfolgreiche Flottenaktion gegen die italienische Adriaküste und Schiffsleutnant Banneid als Meister-Feldpilot in den Orden aufgenommen, später wurde die Ordenswürdigkeit noch Admdral Horthy, vornehmlich für das Seegefecht bei Otranto, dann den Offizieren der Donauflottille Wulff und Zwierkolwski wie den U-Boot-Kommandanten Trapp, Singule und Rigele zuerkannt. Nur mit Wehmut liest man die Lebensläufe dieser Seeoffiziere, die noch als Angehörige der Flotte einer Großmacht alle Weltmeere befuhren und im Kriege als Mitglieder eines der stolzesten Offizierskorps der k. u. k. Wehrmacht redlich dazu beitrugen, daß die österreichisch-ungarische Kriegsmarine sich gegen beträchtliche Übermacht in vollen Ehren hat behaupten können.

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