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Der Zauber der Montur

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euen Bundcsheeres aufmerksam verfolgen und zum gegebenen Zeitpunkt sich zu besonderen Fragen wieder zu Worte melden. Die „Furche“

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euen Bundcsheeres aufmerksam verfolgen und zum gegebenen Zeitpunkt sich zu besonderen Fragen wieder zu Worte melden. Die „Furche“

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Vor kurzem wurde offiziell bekanntgegeben, daß die verschiedenen Einheiten der als Kader des Bundesheeres dienenden Gendarmcriegrund-schulen entsprechend ihrer Verwendung bzw. Waffenzugehörigkeit durch verschiedenfarbige Kragenaufschläge vorläufig kenntlich gemacht werden sollen. Es' wurde auch öffentlich davon gesprochen, daß das Bundesheer die „Gebirgs-jägermiitze“ und eine Bluse mit ausgeschlage-nem Kragen und Krawatte tragen wird. Wiener Mittagszeitungen brachten in Sensationsauf-machung bereits Abbildungen der a n g e b-liehen Uniform des neuen Bundesheeres. Damit ist das Problem der Uniformierung des Bundesheeres in der Öffentlichkeit zur Diskussion gestellt.

Wenn wir in die Vergangenheit zurückblicken, kann die Behauptung aufgestellt werden, daß die Uniform der alten österreichischungarischen Armee, was Schnitt, Zweckmäßigkeit und schlichte Eleganz anlangt, beispielgebend war. Man prägte nicht zu Unrecht den Ausdruck vom „Zauber der Montur“. Auch heute wieder wird die Eigenheit der österreichischen Uniform unsere Soldaten zeichnen müssen. Es versteht sich von selbst, daß dabei den erprobten Neuerungen Rechnung getragen werden wird.

Auf Grund unserer staatsrechtlichen Stellung wird man sicher nicht, wie nach dem ersten Weltkrieg, der Versuchung unterliegen, die Uniform eines Nachbarstaates nachzuahmen. Auch wird es sich nicht empfehlen, die auf diesem Gebiete gezeigten Praktiken West- und Ostdeutschlands zu übernehmen. Während man in der deutschen Bundesrepublik drauf und dran ist, eine Mischung zwischen althergebrachter deutscher Uniformierung und der Uniformferung der NATO-Streitkräfte zu finden, wobei man sogar bereit ist, auf die herkömmlichen „Dienstgradabzeichen“ zu verzichten, hat Ostdeutschland ohne viel Federlesens für seine bewaffnete Macht die russische Uniform eingeführt. Dabei kommt man aber um die Bemerkung nicht weg, daß die Ratgeber auf dieser Seite die besseren Psychologen waren, denn das charakteristische Merkmal der deutschen Uniformierung, die üblichen „Dienstgradabzeichen“, wurden in Ostdeutschland beibehalten. Für die Richtigkeit dieser Argumentation spricht bei uns in Oesterreich die Tatsache, daß die Masse unserer Bevölkerung sich mit der aus der Deutschen Reichswehr übernommenen Kenntlichmachung der Offiziere und Unteroffiziere des Bundesheeres zwischen 1920 und 1933 nicht befreunden konnte, daß sie sich mit dieser fremden Erscheinung nicht verbunden fühlte.

Um auf die Frage der Uniform des Bundesheeres näher einzugehen, ist es notwendig, die wichtigsten Uniformgegenstände, selbstverständlich ohne Berücksichtigung der Spezialbekleidung — dies würde zu endlosen Erörterungen führen —. einer Betrachtung zu unterziehen. Der Entschluß über die Farbe der Uniform muß vorweggenommen werden, wobei zu beachten ist, daß bei dar Farbenfestlegung solche Farben ausgewählt werden, auf die, abgesehen vom Tarnungsmoment, moderne Beobachtungsgeräte, Speziell bei Dunkelheit und unsichtigem Wetter, nicht ansprechen. Schätzungsweise wird diese Farbe eine Schattierung von „grau“ sein.

Nun zu den einzelnen Uniformgegenständen. Beginnen wir bei der Kopfbedeckung: Die herkömmliche Kopfbedeckung der österreichischen Soldaten ist die „Feldkappe“ und nicht die „G e b i r g s j ä g e r m ü t z e“, die eine schlechte deutsche Nachahmung der österreichischen Feldkappe darstellt, weil sie im Kopf zuwenig hoch gearbeitet ist und es nicht zuläßt, den — in der Soldatensprache gesprochen - sogenannten „Wuck“, eine nicht wegzudenkende Eigenheit der Feldkappe, zu formen. Es wird ziemlich gleichgültig sein, ob die Kappe mit einem Lederschirm oder mit einem stoffüberzogenen Schirm versehen ist, da im Feld- und Gefechtsdienst gewiß der Stahlhelm getragen wird. Also: zurück zur österreichischen Feldkappe und nicht Uebernahme einer Imitation aus zweiter Hand.

Für die Kopfbedeckung der Offiziere wird es notwendig sein, zu einer mit den Chargenabzeichen harmonierenden Lösung zu kommen. Hier ist im besonderen darauf hinzuweisen, daß die Einführung der „T ellerkappe“ keine geeignete Lösung darstellt. Die in Oesterreich übliche Tellerkappe gleicht nahezu der alten deutschen „Schirmmütze“. Sowohl West- als auch Ostdeutschland haben von der alten charakteristischen preußischen Kopfbedek-kung Abschied genommen. Wenn also die Offiziere des Bundesheeres mit einer Kopfbedeckung, die der Tellerkappe unserer Polizei oder Gendarmeric gleicht, ausgestattet werden, dann hätten wir Oesterreicher den zweifelhaften Ruhm, die „letzten. Preuß en“ zu sein. Die Schweiz und auch Frankreich haben im Laufe der Zeit Offizierskappen entwickelt, die aus derselben „Familie“ stammen wie die eleganten österreichischen Offizierskappen. Auch von diesen wird man unschwer ein modernes Modell herstellen können.

Der nächste Liniformgegenstand ist die Bluse: Lim hier zu einer Lösung zu kommen, müssen vorerst einige andere Betrachtungen angestellt werden. Man wird sich damit abfinden müssen, daß der Soldat im Feld- und Gefechtsdienst ganz anders als bisher bekleidet sein muß. Der „Arbeitsanzug“ des Soldaten wird sich von der Ausgangsuniform oder der Uniform, die er bei besonderen Anlässen, im Wachdienst usw., zu tragen hat, wesentlich unterscheiden. Während es sich im Dienst vorteilhaft erweisen wird, der Jahreszeit entsprechend eine „overalartige Kombination“ zu verwenden, wird die „Bluse“ zum Ausgang und bei besonderen Anlässen zu tragen sein. Die Streitfrage liegt nur in der Entscheidung, soll Hemd und Kr,awatte oder eine geschlossene Bluse eingeführt werden. Diese Frage kann am besten durch die Erfahrung beantwortet werden. In Oesterreich wird das Gewehr am Riemen über die Schulter gehängt werden. Diese Tragart des Gewehres macht es notwendig, daß die Bluse am Hals des Trägers einen gewissen Halt hat, sonst rutscht das Gewehr, wenn es nicht, unausgesetzt krampfhaft an den Körper gedrückt wird, trotz der Achselrolle herunter. Dieser Halt am Hals ist bei einem offenen Blusenkragen nicht gegeben. Die Einführung einer Bluse mit aüsgeschlagenem Kragen würde es überdies notwendig machen, jeden Soldaten sofort mit mindestens drei bis vier entsprechenden Hemden und den dazugehörigen Selbstbindern auszustatten, da es doch keinesfalls vertretbar erscheint, daß sich Soldaten mit schmutzigen, verwaschenen, schlecht gebügelten oder verdrückten Hemden in der Oeffentlich-keit zeigen. Es wird von den finanziellen Mitteln abhängen, ob man sich bei einem Heer von etwa 40.000 Mann, die in verhältnismäßig rascher Folge wechseln, bei der Ausbildung der Reservcjahrgänge und bei Durchführung der laufenden Waffenübungen einen solchen Aufwand leisten kann. Jedenfalls würde, mit Ausnahme der Flieger- und Panzertruppe, die schlichte Feldbluse mit verdeckter Knopfleiste und verdeckten Taschenknöpfen, m i t einem niederen Umlegkragen, der im Bedarfsfalle auch offen getragen werden kann, noch immer die beste Lösung sein. Aufschläge in den verschiedenen Farben mit den in Oesterreich üblichen Chargenabzeichen werden in althergebrachter Form am Kragen angebracht werden. Völlig unnötig aber ist die Einführung eines über der rechten Brusttasche getragenen „Hoheitsadler s“. Abgesehen davon, daß hier die Abzeichen von Spezialtruppen ihren Platz haben, ist die Erinnerung doch etwas peinlich. Auch ist bei dieser Gelegenheit zu erwägen, Cjfe in Hinkunft Soldaten beim Ausgang in Uniform die Seitenwaffe zu tragen haben oder nicht. Begriffe über die besonderen Vorrechte der „Waffenträger der Nation“ dürften sich überlebt haben, und es zählt — um aus eigener Erfahrung zu sprechen — nicht zu den Annehmlichkeiten, mit mehr oder weniger Kilogramm Eisen am Leibriemen einen Spaziergang zu unternehmen. Um den Begriff „Uniform“ zu unterstreichen, würde es vollkommen genügen, wenn der Soldat zur Ausgangsuniform nur den Leibriemen trägt.

Was den Mantel anlangt, ist zu erwähnen, daß dieses Bekleidungsstück an Bedeutung sehr eingebüßt hat. Sowohl beim formalen Exerzieren als auch bei der Felddienst- und Gefechtsausbildung ist er nur hinderlich, von einer Einsatzverwendung überhaupt nicht zu reden. Der Mantel wird daher nur als Uniformstück im Ausgang oder beim Auftreten gelegentlich besonderer Anlässe, im Wachdienst und dergleichen, zur Geltung kommen. Es würde sich praktisch erweisen, den Mantel im Schnitt so herzustellen, daß er doppelreihig sowohl mit offenem als auch geschlossenem Kragen getragen werden kann. Im Ausgang könnte der Kragen offen getragen werden, damit die Chargengrade auf der Bluse sichtbar sind. Beim Auftreten geschlossener Formationen bei besonderen Anlässen, im Wach- oder Inspektionsdienst usw., wäre der Kragen geschlossen zu tragen, da hinsichtlich der Tragweise des Gewehres die gleichen Schwierigkeiten wie bei der Bluse besteben und das uniforme Bild bei geschlossenem Kragen besser gegeben ist.

Als Hose wird, von Sonderformationen abgesehen, die normale lange Hose in Frage kommen, zu der im Dienst „Hosenspangen“ getragen werden können. Es wird sich nicht vorteilhaft erweisen, die sogenannte Keilhose allgemein einzuführen.

Die Schuhe bedürfen wohl einer besonderen Erwähnung. Hier wird auch schon davon gesprochen, daß das Bundesheer mit „Bergschuhen“ ausgerüstet wird. Es ist ein Nonsens, rundweg eine solche Ansicht zu äußern. Das Schuhwerk wird dem Verwendungszweck der Truppe angepaßt sein müssen. Ungeachtet dessen, daß das Schuhwerk einheitlich gefärbt sein soll, werden Pioniere zweifellos kurze Stiefel tragen, die Alpenjäger werden mit Bergschuhen ausgerüstet sein, die sich auch zum Schilaufen eignen, die Infanterie wird auf den leichtbeschlagenen Schnürschuh nicht verzichten können und die Soldaten, die im Kraftfahrdienst Verwendung finden, werden unbeschlagene Schuhe oder vielleicht solche mit einem bestimmten Sohlenbelag tragen müssen. Daß zum Ausgang leichte Schnürschuhe ohne Verzierung oder Halbschuhe gleicher Art getragen werden können, bedarf wohl keiner besonderen Erwähnung.

Wenn wir also am Schlüsse unserer Betrachtung den jungen Soldaten des neuen Bundesheeres vorläufig vor unserem geistigen Auge stehen sehen, in der schlichten grauen Uniform, die vertraute Feldkappe leicht auf das rechte Ohr gesetzt, den Farben unserer Truppenteile mit den Sternen und Borten am Kragen, wenn er in der nichtnachahmlichen österreichischen Art salutiert, dann denken wir an das vor langer Zeit geprägte Wort vom „Zauber der Montur“. ,

Freilich ist dieser „Zauber“ heute anderer Art als einst. Der „Leutnant Gustl“ ist schon lange tot und der Kaiserwalzer ausgetanzt. Allein es ist nicht gleichgültig, in welchen Mon-turen man eine Armee antreten läßt. Als in den Tageszeitungen die ersten Bilder von den Uniformen der neuen deutschen Streitkräfte veröffentlich wurden, war man über ihre Häßlichkeit überrascht, und eine deutsche Zeitschrift sprach nicht ganz zu Unrecht von einer „Aehn-lichkeit mit Liftboys und Stewards“. Wollen wir es ähnlich machen und unsere Soldaten und Offiziere wie „Forstadjunkten“ herumlaufen lassen? Ihnen nämlich gleichen die Bilder, die man in einigen Zeitungen veröffentlich hat. Wir können nicht glauben, daß hier das letzte Wort gesprochen ist. Praktische Ueberlegungen und auch der gute Geschmack, auf den wir uns gerne etwas zugute halten, sollen die Entscheidung fällen.

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