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Ein Heer sucht seinen Stil

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EIN HEER SUCHT SEINEN STIL. Ein österreichisches Heer. Jahrelanges Experimentieren brachte kein greifbares Ergebnis: Ist die Suche nach einer Uniform nicht ein Spiegelbild der inneren Unsicherheit in diesem Heer, dessen Bindung zu Volk und Staat noch keineswegs so sicher zu sein scheint, wie man gern behauptet? Die dankenswerterweise vor den Augen der interessierten Öffentlichkeit ausgetragene Debatte über die Uniform mag den Wegweiser in die Zukunft bilden. Denn eines zeigt die Diskussion im Offizierskasino der Wiener Fasangartenkaserne ganz deutlich: Die von mancher Seite geringgeschätzte Gruppe der „Traditionalisten“ oder besser: jene, die dafür plädieren, daß der österreichische Soldat auch als solcher zu erkennen ist, scheint doch bedeutend größer zu sein, als man zuerst dachte. Und dies ist sicherlich für manchen eine unliebsame Überraschung.

EINE REIHE VON VERSUCHEN zur Lösung dieser Frage bemüht sich ernsthaft, eine Verbindung österreichischen Uniformgutes mit modernen Anforderungen zu verbinden. Da sind etwa die Entwürfe der beiden Historiker Universitätsdozent Dr. Jedlicka und Staatsarchivar Dr. Gall, beide anerkannte Militärhistoriiker. Dr. Gall meint: ,JJ>er Soldat ist der Repräsentant seines Vaterlandes. Seine Uniform hat daher — wo dies tunlich ist — nationalen Zuschnitt zu haben.“ Die beiden Entwürfe sahließen stark an altösterreichische Tradition an. Stehumlegekragen, Taschenpatten ohne Knopfloch und Taschen ohne Falte (Modell 5) ist ein Entwurf gegenübergestellt, dessen offener Kragen und sichtbare Knöpfe die modernere Linie betonen (Modell 2). Als Kappe ist für beide Modelle eine modernisierte österreichische Offizierskappe vorgesehen, die freilich durch ihren Zuschnitt an die österreichische Kappe von einst erinnert. An der Kappe sind die Rosette mit Schlinge und ein ledernies Sturmtoand angebracht. Der Schirm könnte in grauem Leder oder einfach in Kappentuch ausgeführt sein.

AUCH DER OBERSTLEUTNANTARZT Dr. Klettenhammer, Leiter der internen Abteilung im Heeresfachambulatorium, beschäftigt sich schon sehr lange mit Uniform-kunde.Sein Entwurf (3) versucht ebenfalls, traditionelle österreichische Uniformelemente mit zeitloser Eleganz zu verbinden. Bemerkenswert ist aber vor allem die vorgesehene Kopfbedeckung — eine Feldkappe, wie sie von den österreichischen berittenen und bespannten Truppen etwa ab 1870 getragen wurde, und auch im Bundesheer der Ersten Republik Verwendung fand. Der schlichteste und vielleicht auf den ersten Anhieb schon am besten gelungene Entwurf: einfach, elegant, österreichisch.

Eine österreichische Kappenform sieht auch der Direktor der Modeschule Hetzendorf in sieinen Überlegungen vor; der Uniformrock dagegen sollte sich einem eleganten, modernen Sakko angleichen, die Knopfleiste soll verdeckt sein. Professor Lieiuefirs Entwurf — für den als Farbe „duinkel-neutraltinte, dunkelgrau, oder dunkelindigo“ vorgesehen ist, scheint deutlich von der Knappheit und Strenge der alt-österreichischen Uniform beeinflußt. Kein schlechtes Vorbild übrigens. *

EINE KONFEKTIONSFIRMA legte zwei Entwürfe (6) vor: Amüsierte Zwischenrufer fanden recht treffende Vergleiche: „Parkwächter“, „Heilsarmee“. So weit kommt man, wenn man sich von jedem Stilgefühl trennt. Auch das Modell der Heeres-bekleidungsanstailt folgt allzusehr dem allgemeinen Zug zur militärischen Stillosigkeit und zum Verlust jeder eigenständigen Ausdrucksform. Gleicht doch der Entwurf zum Verwechseln in Schnitt und Kappenfasson der Uniform eines Nachbarstaates (1). Beide Entwürfe führen weg von der Linie geschichtlicher Kontinuität.

„ICH WÜRDE AUCH OHNE HONORAR in der Volksoper sta-tieren, nur um eine ordentlich geschnittene Uniform tragen zu können!“ Eine ordentlich geschnittene Uniform! Der junge Soldat, der diesem Wunsch so beredten Ausdruck gegeben hat, steht durchaus nicht allein da. Seit kurziem wird die Frage einer Neugestaltung der bisherigen Ausgehuniform unserer Soldaten (4) wieder vor der Öffentlichkeit und im Heer diskutiert.

Eine ordentlich geschnittene Uniform! Wie soll die wohl aussehen? Nun, dies zählt er schnell auf. Vor allem der geschlossene Stehumlegekragen hat es ihm angetan. Ein Vorteü, den auch andere Soldaten, darunter längerdienende Unteroffiziere, durchaus zu schätzen wissen: „Die Krawatte verrutscht leicht, Hemd, Bluse und Krawatte sind im Sommer viel zu heiß!“

Eine ordentlich geschnittene Uniform, frei von zweifelhaften Modernismen, frei vom Geschmackseinfluß der dreißiger Jahre, frei aber auch von Resten großdeutsoher Vergangenheit und darauf folgender Viermäohitebesetzung: Eine österreichische Uniform.

DIE BEDEUTUNG GESCHICHTLICHER Kontinuität hat man im Osten vielleicht besser erkannt. Die staatstragende Kraft traditionsbetonter Uniform erkannt und richtig ausgewertet zu haben war ein geschickter psychologischer Schachzug der östlichen Machthaber: Nach der Sowjetunion, Polen, der ostdeutschen Armee, kehrt nun auch die Tschechoslowakei zu in der eigenen Überlieferung wurzelnden Uniformen zurück.

Eine letzte Frage: Muß der österreichische Soldat — Zwang zur Uniform besteht ja nicht — überhaupt eine Ausgehuniform tragen? Dies würde eine ganz andere Lösung der Diskussion um die Ausgehuniform bringen: Defilierungen und Paraden des österreichischen Bundesheeres sind schon seit Jahren bestimmt von den Farbtupfen des Tarnanzuges und des Stahlhelms Scheint eine Ausgeh- und Paradeuniform also überflüssig? Die militärischen Zeremonienmeister scheinen diese Frage schon beantwortet zu haben. Vom General bis zum jüngsten Rekruten rückt man auch vor dem Staatsoberhaupt in Kampf-montur aus.

Und damit ist also die ganze aufwendig geführte Debatte mit einem Schlag auf eine einzige Alternative zurückgeführt: Entweder eine österreichische Uniform oder Verzicht auf eine Ausgehgarnitur.

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