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„Mon eher ALTER“

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Fred Hennings, seit fast drei Jahrzehnter eines der prominentesten Mitglieder de; Wiener Burgtheaters, ausgezeichnet mit den Titeln „Kammerschauspieler“ unc ..Professor“, neben seiner schauspielerischen Tätigkeit auch weitest bekannt als Vortragender der Urania über Wienei kulturhistorische Themen, Verfasser eines Buches über die „Burg“, das 195 5 zu derer Wiedereröffnung erschien, Fred Hennings wagte sich an die Darstellung eines Themas heran, dem bis jetzt noch immer die Fachhistoriker ausgewichen sind: an die Darstellung des Lebens Franz Stephans, kurze Zeit Herzog von Lothringen, dann Großherzog von Toskana, Gemahl und Mitregent Maria Theresias und schließlich römischer Kaiser. (Maria Theresia nannte ihn „mon eher Alter“.)

Die Ursachen, warum so mancher Fachhistoriker bis jetzt nicht daranging, das Leben des Gemahl Maria Theresias zu gestalten, mag einmal daran gelegen sein, daß der Urkundenbestand über das Leben des Lothringers nicht sehr groß ist, anderseits aber auch daran, daß sein Leben überhaupt nicht zur Darstellung reizte. Schien ei doch nur ein ohnmächtiger römischer Kaiser und ein ebenso ohnmächtiger Prinzregent zu sein. Es mußte erst der „Outsider“ Prof. Hennings kommen, um zu beweisen, daß auch dieses Thema für die

Geschichtsschreibung äußerst ergiebig ist. Und zwar aus vielen Gründen: Zunächst ist ja jede Darstellung des Lebens Franz Stephans auch eine indirekte Beschreibung der theresianischen Epoche, die doch zu allen Zeiten die Leser interessiert. Ferner ist dieser Lothringer, der sich so bescheiden im Hintergrund zu halten wußte, der seine Rolle als Prinzregent so vollendet zu spielen verstand, dennoch für die österreichische Geschichte von großer Bedeutung. Ist er doch der Stammvater aller nach ihm lebender Habsburger, welche Nachfahren viele seiner Eigenschaften geerbt hatten, die dann gerade zu ihren hervorstechendsten Herrschertugenden wurden. So seine Bescheidenheit, vor allem aber sein großes Verwaltungstalent, das besonders seine Söhne Joseph II. und Leopold II. und sein Enkel Franz I. geerbt hatten und das bei Franz Joseph einen Gipfel erklomm und die österreichische Verwaltung weltberühmt machte.

Franz Stephan besaß aber noch ein Talent, das ihm sehr zu Unrecht in der Nachwelt einen schlechten Ruf eintrug: er war ein Finanzgenie. Dieser von Haus aus eigentlich arme Prinz verstand es, durch eisernen Sparsinn, durch konsequente Anwendung des Grundsatzes „immer mehr einnehmen, als ausgeben“, durch ein in der Barockzeit ganz ungewöhnliches Ordnunghalten, sich im Laufe seines Lebens ein enormes Vermögen anzulegen, mit dem er sehr oft dem österreichischen Staat in seiner Bedrängnis beistehen konnte. Sein Finanztalent hätte Österreich noch viel Gutes leisten können, wurde er doch von Maria Theresia nach Ende des Siebenjährigen Krieges zum Leiter der Schuldentilgungskommission ernannt. Sein bereits 1765 eingetretener Tod verhinderte, daß diese Stellung zu Österreichs Segen sich gestaltete. Aber seit Franz Stephan sind die Habsburger eigentlich erst ein reiches Geschlecht. Denn sein großes Vermögen, das ein reines Privatvermögen darstellt, wurde von seinem Universalerben Kaiser

Joseph zur Hälfte dem Staat geschenkt, zur Hälfte aber zur Schaffung eines Familienfonds benützt, der von nun an der Erhaltung der Familienmitglieder diente. Durch die Beschlagnahmungsgesetze von 1919 wurde der habsburgischen Familie dieses Privatvermögen entzogen, und erst dadurch wurden sie wieder zu einem armen Geschlecht.

Das Leben Franz Stephans als Prinzgemahl war sicher nicht leicht, obwohl seine Heirat mit Maria Theresia eine reine Liebesheirat von beiden Seiten gewesen war. Maria Theresia war oftmals eine sehr eigenwillige Frau (eine Erbschaft nach ihrer Mutter, Elisabeth Christine von Braunschweig), die sich dadurch das Leben selbst und das Leben ihrer Umgebung nicht leicht machte. Ihr Herrschertalent konnte manchmal auch zur Herrschsucht ausarten. Manchmal plagte sie auch ihren Mann, wenn auch nicht unbegründet, mit Eifersuchtsszenen.

Prof. Hennings zeichnete in einem großartigen Gemälde das Leben dieses anscheinend so bescheidenen und doch so bedeutenden Mannes mit großer Sachkenntnis und feinem Einfühlungsvermögen. Alle, die sich für österreichische Geschichte interessieren, müssen dem Verfasser dankbar sein, daß er sich an dieses Thema gewagt hat und hiermit eine schmerzliche Lücke ausgefüllt hat. Überflüssig zu sagen, daß das Ruch graphisch hervorragend ausgestattet ist.

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