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Die Musik am Hofe Kaiser Maximilians I.

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Zur Zeit Kaiser Maximilians I. errang sich Österreichs Musikübung, nachdem lange das Schwergewicht der Musik in anderen Ländern gelegen war, eine weithin sichtbare Rolle. Diese Entwicklung bereitete sich schon zu Lebzeiten Kaiser Friedrichs III. vor. Während im 15. Jahrhundert im Süden unserer Heimat Bischof Johann Hinderbach von Trient in den sogenannten „Trienter Codices“ die bedeutendste Musiksammlung seiner Zeit anlegte, bildete die Innsbrucker Hofkapelle Erzherzog Sigismunds des Münzreichen, dem die Erschließung der Silbergruben von Schwaz ungeahnten Reichtum bescherte, den glanzvollen Mittelpunkt der Musikübung in Österreich, der selbst den Ruhm der kaiserlichen Kantorei in Graz und Neustadt und den Ruf der Wiener Hofkapelle verdunkelte.

Als 1490 der damalige Römische König Maximilian die Regierung von Tirol und Innerösterreich übernahm, stand ihm in der Innsbrucker Hofkapelle ein vorzüglicher Stab von schaffenden und ausübenden Künstlern zur Verfügung, und dieser vergrößerte sich alsbald nach dem Tode Kaiser Friedrichs III. beträchtlich durch die bisher in Graz und Wien befindlich gewesenen Musiker.

Außerdem schien Maximilian wie kein anderer Herrscher seiner Zeit geeignet, sich dieser Meister und ihrer Kunst zu bedienen. Er war nicht nur außerordentlich musiklie-bend, sondern auch sehr musikverständig und musikbegabt. Seine ihm von der Mutter Eleonore von Portugal vererbte Anlage wurde zudem durch den frühzeitigen Umgang mit bekannten Künstlern gefördert und ausgebildet. In seiner Jugend weilten Erasmus Lapicida und Andreas Schlick, aber auch der Hofkapellmeister Nicolas Mayoul und die Kantoren Fleran und Picart in Graz, die ihm die kunstvolle Polyphonie der Niederländer, den Gipfel der damaligen Musik, mit dem kaum entwirrbaren vielfältigen Gefüge von 12 bis 24, ja sogar 48 verschiedenen Singstimmen vermittelten. Und später sah er sich am Hofe seiner ersten Gattin Maria von Burgund geradezu im Mittelpunkt dieser hochentwickelten Kunstübung.

So ist es nicht verwunderlich, wenn alle Zeitgenossen und Historiker Maximilians sich über seine Musikliebe und Förderung und sein hohes Kunstverständnis lobend aussprechen. Sein Geheimschreiber Marx Treitzsauerwein berichtet mehrfach im „Weißkunig“ darüber, und der bekannte Wiener Humanist und kaiserliche Leibarzt Cuspiniah schreibt: „. .. Wo findet sich sonst heut auf der Welt ein Fürst, der die einzigartige Begabung der Tonkünstler so schätzte und belohnte wie der Kaiser? Daher sind unter ihm. neue Musikinstrumente erdacht und erfunden worden, welche die alte Zeit nicht besa und unser Jahrhundert noch nicht gesehen hat .“ und .. -.Der Kaiser war ein einzigartiger Musikliebhaber. Das geht schon daraus auffallend hervor, daß alle großen Tonmeister unseres Zeitalters in jeder Musikgattung und auf allen Instrumenten durch seine Fürsorge sich wie auf fruchtbarstem Acker entfalteten. Ich könnte einen Katalog all der Musiker aufstellen, die ich dort kennengelernt habe, wenn ich nidit die Länge scheute.“

In seinen musikfördernden Bestrebungen sah sich Maximilian bestens durch seinen Kantor und Hofkaplan Georg von Slatkonia unterstützt. Slatkonia, ein gebürtiger Laibacher, wurde später des Kaisers Hofkapell-meiser. 1513 Bischof von Wien, und sein prächtiges, porträtgetreues Marmorgrabmal gehört zu den Zierden des Wiener Stephansdomes. Dieser vorzügliche Musiker und geniale Organisator war es vor allem, der des Kaisers Anregungen in die Tat umsetzte und jene musikalische Reform- und Aufbauarbeit leistete, als deren Initiator Max gelten kann.

Den verheißungsvollen Anfang bildete in dieser Hinsicht die sogenannte Haller Stiftung“, wonadi Maximilian im Jahre 1497 verfügte, daß sämtliche in der Niklaskirche zu Hall in Tirol gelesenen Totenmessen, Vespern und Gedächtnisgottedienste für seine verstorbene zweite Gemahlin Bianca Maria Sforza auch an Werktagen mehrstimmig und im kunstvollen Figuraktil gesungen werden sollten. Die hiefür nötige Dotation wies er aus den Erträgnissen des Pfannhauses in Hall an.

Diese Verordnung hatte eine außerordentliche Hebung der heimischen Tonkunst und Musikübung zur Folge. Soweit es an Sängern mangelte, mußten neue ausgebildet werden, und da es an Kompositionen ge-bradi- solche von österreichischen Künstlern neu geschaffen werden. Ein Jahr später nahm Georg von Slatkonia im Auftrag des Kaisers eine gründliche Reorganisation der Hofkapelle vor und schuf aus der Wiener Hofkapelle, der auch die bedeutendsten Musiker des Kaisers eingegliedert wurden, jenes vorbildliche Kunstinstitut, das Jahrhunderte überdauerte und später noch Träger berühmter Namen wie Froberger- Kerl!, Johann Joseph Fux, Caldara. Wagenseil, Salieri. Simon Sechter und Anton Bruckner zu ihren prominenten Vertretern zählte, und aus dessen Sängerknabenschar Meister wie Joseph Ha\ dn, Michael Haydn und Franz Stauben hervorgingen.

Die Wiener Hofkape'le war aus der alten Burgkaplanei entstanden, die Rudolf der Stifter 1359 zu einer Kollegiatkirche erhoben und schließlich auf St. Stephan übertragen hatte. Diese Institution verfügte eineinhalb Jahrhunderte hindurch über zwei Kantoren geistlichen Standes, und ihren Sängern oblag auch manchmal der Hofdienst. Kaiser Maximilian ließ nun sämtliche weniger begabten Kapellmitglieder entfernen, beorderte seinen in Augsburg weilenden Singmeister Hans Kerner mit 12 Singknaben und seinen Gesellen nach Wien. Ebenso seinen weltberühmten Hofkomponisten Heinrich Isaac und seinen bekannten Lautenmeister Artus, neben dem Hans Judenkunig und der Preßburger Hans Neusiedler zu nennen sind, und außer drei Hoforganisten seinen Leiborganisten, den ersten Orgelspieler seiner Zeit, Paul Hofhaymer. Daneben gab es noch Posauner. Trompeter, Zinkenisten, Pfeifer, Pauker, Violen- und Harfenspieler die Menge.

Den ersten Rang als kaiserliche Hofkomponisten nahmen unstreitig die Meister Heinrich Jsaac, Heinrich Finde, Ludwig Scnfl und Paul Hofhaymer ein.

Heinrich Isaac aus Flandern, der lange Zeit am Hofe Lorenzos des Prächtigen zu Florenz gewirkt, schrieb monumentale vielstimmige Motetten im niederländischen-streng kontrapunktischen Stil, pflegte aber am Kais;rhof besonders das weltliche me'm stimmige Gesellschaftslied in Form von “ iebes-, Trink-, Tanz- oder historischen Liedern. Das melodische Rückgrat dieser Kompositionen bildete ein in der Tenorstimme liegendes Volkslied, um das sich das kunstvolle Gewebe der übrigen Singstimmen rankte. Auch der Franke Heinrich Finck und der Schweizer Lugwig Senfl pflegten diese Kompositionsgattung neben Werken für den kirchlichen Gebrauch. Ebenso Paul Hofhaymer.

In der Persönlichkeit Hofhaymers tritt uns der große Österreicher im Musikerkreis um Kaiser Max und gleichzeitig die markanteste Künstlergesralt seiner Zeit entgegen. Hofhaymer eignete das gleiche Geburtsjahr wie seinem kaiserlichen Herren, dem er fast drei Jahrzehnte diente 1459 zu Radstadt im Salzburgischen geboren, wurde bereits der Zwanzigjährige Hoforganist Erzherzog Sigismunds von Tirol und trat daher früh in den Kreis von Isaac und Finck und in die Gesellschaft der Innsbrucker Humanisten ein. Bald verbreitete sich sein Ruhm als der des ersten Organisten seiner Zeit, und strömen ihm von weither Schüler zu. Nach Übernahme der Regierung von Tirol durch Maximilian trat Hofhaymer zugleich mit Isaac in kaiserliche Dienste. Er hatte sich aber einem unruhigen Herrn verschrieben. Max überschüttete ihn zwar mit Huldbeweisen, dafür jedoch mußte Hofhaymer überall dort sein, wo der Kaiser gerade seine Hofhaltung aufschlug. Und das bedeutete im ersten Jahrzehnt mehr als ein halbes Hundert verschiedentl'cher Aufenthalte innerhalb des großen Reiches der Habsburger.

Manchmal nahm der Kaiser allerdings nur einen Teil der Hofkapelle mit. So berichtet ein französischer Chronist von einem Kaiser-besuch in Metz: ... „Bei jedem Mahle, mittags oder abends, waren zehn Trompeter und zehn Hornisten, die musizierten; dabei waren zwei großeTauken aus feinem Kupfer, mit großen Eselshäuten bedeckt, die auf zwei Körben standen .. “ Oft jedoch ließ der Kaiser seinen Organisten allein nachkommen, und Meister Paul, verbrachte mehr Reisetage im Sattel als vor seinem Instrument. So begutachtete er auf einer seiner Fahrten nach Wien 1507. die neue Orgel von Burchard Tischlinger bei St. Stephan und trat hier mit den berühmten Humanisten der sogenannten ..Donauschule“ in Verbindung. Sein daraus erwachsener langjähriger Briefwechsel mit Vadian bildet neben dem Wiener Staatsarchiv und den Archiven von Innsbruck und Augsburg die wichtigste Quelle über die Musikverhältnisse am Hofe Kaiser Maximilians. Manchmal rief der Kaiser auch die ganze Hofkapelle um sich. Darüber berichtet zum Beispiel 1512 der kurtriersche Kanzleisekretär Peter Meier, daß es anläßlich eines Reichstages in Trier, tagaus, tagein Musik gab. Bald im Palast des Kurfürsten, bald im Dom oder in einer der vielen Kirchen. Manchmal wurde die Messe nach Art des gregorianischen Chorales „discantiert“, dann wieder in der Satzweise der Niederländer ..figuriert“. Bald mußte Paul Hofhaymer die Orgel rühren, bald gelangten Gesänge von ihm, Isaac, Finde und Senfl zur Aufführung* Beim Umzug am Palmsonntag wurde dein Palmesel „vorgefiedelt“, und während der Auferstehungsprozession fuhr Meister Paul dem Kaiser mit einer Orgel und dem Blas-balgzieher auf einem Wagen voran und spielte immer wieder eine Strophe seines berühmten „Salve regina“ auf der Orgel, worauf die folgende von den Sängern intoniert und figuriert wurde.

Uber die Musikausübung am Hofe Kaiser Maximilians und die Gestalten seiner berühmten Künstler unterrichtet uns sinnfällig ein Bildwerk, der sogenannte „Triumphzug Maximilians“ von Hans Burgkmair. Er zeigt Paul Hofhaymer als Organist auf einem Wa gen, auf einem anderen Bischof Slatkonia, die Sänger der Kapelle und die Hofkomponisten. Die Instrumentalisten mit dem kaiserlichen Lautenspieler Artus bilden eine gesonderte Gruppe.

Umfassend und reich wie schon der äußere Anblick war auch der Einfluß der kaiserlichen Hofkapelle auf die Musik ihrer Zeit. Durch die vielen Reisen, an denen ihre Mitglieder teilnahmen, kam sie mit allen musikalischen Strömungen des Jahrhunderts in Berührung und fruchtbare Wechselbeziehung und trüg den Ruhm ihrer vorbildlichen Institution und der hervorragenden künstlerischen Leistungen ihrer Meister in viele Länder. Damit und durch die Reorganisation des gesamten Musikwesens seines Hofes hat Kaiser Maximilian eigentlich den Grund zur späteren Weltgeltung der österreidiischen Musik gelegt.

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