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Dr. WOLFGANG SUPPAN / Graz

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Die Steiermark kann in diesem Jahr den 300. Geburtstag eines ihrer größten Söhne festlich begehen: An einem uns unbekannten Tag des Jahres 1660 kam im oststeirischen Hirtenfeld in der Pfarrgemeinde St. Marein am Pickelbach der später bedeutendste Meister des musikalischen Barocks in Österreich, Johann Joseph Fux, zur Welt. Unter drei Kaisern: Leopold I., Joseph I. und Karl VI., nahm dieser Bauernsohn als Hofkapellmeister und Hofkompositor über vier Jahrzehnte lang den damals höchsten erreichbaren Rang in der abendländischen Musikwelt ein. Als Komponist beherrschte er die Musik seiner Zeit und gilt mit Recht als der große Vollender barocken Musizierens in Österreich, durch sein Kontrapunktlehrbuch „Gradus ad Parnassum“ hat er den Weg dieser Disziplin der Musiklehre bis zum heutigen Tag bestimmt. In trefflichem Latein geschrieben, erfuhr das Buch bald nach seinem Erscheinen im Jahre 1725 Übersetzungen in allen Weltsprachen; Joseph Haydn und Wolfgang Amadeus Mozart lernten daraus und konnten mit dieser Grundlage die Musik auf den Höhepunkt der Wiener Klassik führen. Dies bezeugt die weltweite Wirkung der Fuxschen Lehre, und daraus kann man schließen, welch außerordentliches Können auch das musikalische Schaffen des Meisters durchdrang. Neidlos erkannten ihm die Zeitgenossen den ersten Rang als Musiker zu, und viele Zeugnisse sind uns erhalten, die dies belegen.

Aber ein Verhängnis wollte es, daß der Biograph, ..de*, .damaligen Mjasjkwejf, JfthaBIfe .M*& theson, der in einer „Ehrenpforte“ über alle bedeutenden zeitgenössischen Musiker Artikel verfaßte, wegen der Geltung der Kirchentonarten sich mit unserem Fux zerstritten hatte. Fux sandte ihm deshalb auf die Bitte um biographische Nachrichten nur folgende Sätze: „Ich könnte viel Vorteilhaftiges für mich und von meinem Aufkommen, unterschiedlichen Dienstverrichtungen überschreiben, wenn es nicht wider die Modestie wäre, selbst meine Elogia hervorzustreichen. Indessen seie mir genug, daß ich würdig geschätzt werde, Caroli VI. erster Kapellmeister zu sein.“ Als Ludwig Ritter von Kochel, der bezeichnenderweise seine Lebensarbeit zwischen Mozart und Fux teilte, in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts sich mit Fux zu beschäftigen begann, wußte in Wien niemand mehr nähere Auskunft über Lehrjahre und den wunderbar anmutenden Aufstieg des oststeirischen Bauernsohnes zum kaiserlichen Hofkapellmeister zu geben.

So blieb bis heute die Frage: wo verbrachte Fux seine Lehrjahre, wie kam er als Bauernbub zum Musikerberuf und zu den Möglichkeiten eines solchen Aufstieges? ungeklärt. Die Geschichtsforschung stellte vor wenigen Jahren fest, daß er im Alter von zwanzig Jahren, im Jahre 1680, in den Jahrgang ex grammatica der Grazer Universität eintrat; ein Jahr später, am 22. Februar 1681, finden wir seinen Namen unter den neuaufgenommenen Zöglingen des Ferdinandeums: „Joannes Fux, eadem die, Gram-matista, Musicus, Alumnus Ferdinandei habet lectisternia domus.“ Die von späterer Hand hinzugefügte Bemerkung „Profugit clam“, er machte sich heimlich davon, verwischt aber die Spur wieder. Dem Stil seiner Werke nach kann man vermuten, daß er in Italien seine weitere Ausbildung erhielt, aber auch in Prag könnte er sich aufgehalten haben.

Erst 1696 finden wir ihn wieder: als Organisten der Schottenkirche in Wien. Im selben Jahr verehelichte er sich mit der „edlen, ehr- und tugendreichen Jungfrau“ Juliane Clara Schnitzenbaum, einer gebürtigen Wienerin und Tochter eines niederösterreichischen Regierungssekretärs. 1698 erfolgte Fuxens Anstellung als Hofkompositor, 1701 durfte er seinen „Concentus musico-instrumentalis“ als „opus primum“ dem römischen König Joseph I. widmen, der das Werk auf seine Kosten in Nürnberg drucken ließ. Ein Jahr später gab er seine Stelle bei den Schotten auf, und wirkte nur noch für den kaiserlichen Hof. 1713/14 vereinigte Fux nicht weniger als drei führende Ämter in seiner Hand: das des Vizehofkapellmeisters, das des Kapellmeisters an St. Stephan und das des Kapellmeisters der Kaiserinwitwe Wilhelmine Amalie. 1715 fiel ihm mit dem Abgang Zianis die höchste Würde eines Hofkapellmeisters zu, die er bis zu seinem Tode im Jahre 1741 geachtet und hoch geehrt einnahm.

Leben und Schaffen unseres Meisters fallen in die Hochblüte des Wiener Barocks, jener Zeit eines Lukas Hildebrandt, eines Fischer von Erlach, eines Prandtauer, als im Österreichischen jene herrlichen Bauwerke, Schlösser, Klöster, Kirchen, Adelspaläste emporwuchsen, die heute als Edelsteine barocker Prachtentfaltung gelten. Unter den Augen von Fux entstanden in Wien das Belvedere, Schloß Schönbrunn, die Karlskirche, die Hofbibliothek, das Liechtensteinsche Palais, Raphael Donner schmückte den Brunnen auf dem Neuen Markt mit den prachtvollen Figuren, Abraham a Santa Clara hielt seine aufrüttelnden Sittenpredigten. Dieser Blüte des gesamten Geisteslebens entsprach die glanzvolle Entfaltung der musikalischen Kunst, wie sie sich in den Werken unseres Johann Joseph Fux und seiner Zeitgenossen widerspiegelt. Kirchenmusikalische Werke, Oratorien, Opern und Instrumentalwerke eröffnen Einblick in eine höfischprunkvolle Umgebung, die sich als Vielfalt persönlicher großer Leistungen offenbart, erfüllt von strengem Ernst.

Unsere Zeit hat in ihrer neuen geistigen Einstellung wieder den vollen Kontakt mit den Meisterwerken des Barockschaffens zurückgewonnen. In solcher Erkenntnis haben bald nach dem letzten Weltkrieg in Graz und Wien BSnühüngen um eine Wie^erenld^kühg-tf: musikalischen Werkes von Fux eingesetzt. Andreas Ließ veröffentlichte 1948 seine Studie über den steirischen Meister des Barocks, die wesentliche Ergänzungen zu Köcheis Werkverzeichnis bringt, gab 1956 zusammen mit dem Holländer Jack H. van der Meer die „Missa Sancti Joannis“ heraus und sammelte in dem Bändchen „Fuxiana“ (1958) bisher wenig bescltelfcZeügnisseSaus ZetffiäiriFteif urfer Lebens-' läufen des 18. Jahrhunderts. Erich Schenk setzte die in den Denkmälern der Tonkunst in Österreich begonnene Herausgabe Fuxscher Opera mit Werken für Tasteninstrumente fort. Ernst Tittel legte die Klosterneuburger Messe, die durch die Forschungen Hellmut Federhofers nun endgültig Fux zugeschrieben werden kann, in Neuausgabe vor. Erfolgversprechend entwickelt sich die Arbeit der 1955 in Graz gegründeten Johann-Joseph-Fux-Gesellschaft unter der zielstrebigen Führung ihres Präsidenten, Landesrat Karl Brunner, und der wissenschaftlichen Leitung des Vorstandes des hiesigen musikwissenschaftlichen Instituts, Univ.-Prof. Doktor Hellmut Federhofer, denen sich Wirklicher Hofrat Dr. August Sutter, Dr. Berthold Sutter in Graz und Bürgermeister Josef Madl in St. Marein tatkräftig zur Seite stellten.

Die beiden ersten Bände der geplanten Gesamtausgabe liegen bereits vor: Hugo Zelzer (Wien) bearbeitete das Oratorium „La fede sacrilega nella morte del Precursor S. Giovanni BätWsta“,“cKV ^Vtfäm FedlrhoTW ffi£ „Missa corporis Christi“, KV 10; als Verleger zeichneten die Akademische Druck- und Ver^ lagsanstalt in Graz und der Bärenreiter-Verlag, Kassel-Basel-London-New York. In aller Welt arbeiteten Musikwissenschaftler an der Herausgabe weiterer Werke Fuxens. Um den 300. Geburtstag würdig zu begehen, werden vom April bis Juni dieses Jahres Aufführungen und Feierlichkeiten in Wien, Graz, St. Marein und Hirtenfeld und eine Fux-Ausstellung in Graz stattfinden. Die Johann-Joseph-Fux-Gesellschaft hat eine Medaille „Pro Musdca Austriaca“ gestiftet, die bedeutenden Leistungen für die Wiedererweckung barocker Musikdenkmäler in Österreich vorbehalten ist.

So soll dem großen Steiermärker die Stellung im Musikleben unserer Zeit zurückgewonnen werden, die ihm kraft seines Wertes zukommt.

Eines der wichtigsten Werke von J. J. Fux wird am 22. April im Mozart-Saal des Konzerthauses aufgeführt. Es handelt sich Um ein dramatisches Oratorium über den Salome-Stoff, das unter dem Titel „La Fede sacrilega“ am 23. März des Jahres 1714 durch die Hofkapelle uraufgeführt wurde. Diese umfaßte damals etwa 100 Musiker, darunter 16 Trompeter. Der Chor, mit Einschluß der Sängerknaben, war nur 50 Mann stark.

Im Rahmen der Crazer Sommerspiele werden Teile des „Concentus musico-instrumentalis“ aufgeführt, wozu das Ballett des Crazer Opernhauses tanzen soll. (Choreographie: Jean Deroc, Dirigent: der Brucker Musikdirektor Karl Ernst Hoffmann, Crazer philharmonisches Orchester.)

Mitte Juni findet eine Gedenkfeier in Hirtenfeld und St. Marein mit Einweihung einer Gedenkstätte (Kapelle) statt. Musikalische Umrahmung durch die Kantorei Graz unter K. E. Hoffmann.

Zur gleichen Zeit wird in Graz bei einer Musikalischen Akademie die von der J.-J.-Fux-Gesellschaft gestiftete Medaille „Pro musica Austriaca“ überreicht. Die Aufführung einer Messe veranstaltet der Crazer Domchor unter Anton Lippe.

Fux-Feiern haben weiter angekündigt Judenburg (unter Franz Fuchs), Kapfenberg-Leobew (unter Max Heider), Voitsberg-Köflach (unter Walter Kainz).

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