6785905-1970_13_11.jpg
Digital In Arbeit

Ludwig Ritter von Kochel

19451960198020002020

Am 14. Jänner 1800, vor 170 Jahren, erblickte in der malerischen kleinen Stadt Stein an der Donau ein Mann das Licht der Welt, dem es in mühevoller Arbeit gelungen war, das umfangreiche Lebenswerk Wolf gang Amadeus Mozarts in einem chronologischthematischen Verzeichnis zu sammeln und dadurch eine praktische Handhabung zu ermöglichen. — Das „Köchelverzeichnis“, wie das „Chronologisch-thematische Verzeichnis sämtlicher Tonwerke Wolfgang Amadeus Mozarts“ von Ludwig Ritter von Kochel kurz genannt wird, ist zu einem festen Begriff in der Musikwissenschaft geworden, doch die Gestalt seines Verfassers ist in Vergessenheit geraten, obwohl dieser außergewöhnlich vielseitige Mann ein anderes Los verdient hätte.

19451960198020002020

Am 14. Jänner 1800, vor 170 Jahren, erblickte in der malerischen kleinen Stadt Stein an der Donau ein Mann das Licht der Welt, dem es in mühevoller Arbeit gelungen war, das umfangreiche Lebenswerk Wolf gang Amadeus Mozarts in einem chronologischthematischen Verzeichnis zu sammeln und dadurch eine praktische Handhabung zu ermöglichen. — Das „Köchelverzeichnis“, wie das „Chronologisch-thematische Verzeichnis sämtlicher Tonwerke Wolfgang Amadeus Mozarts“ von Ludwig Ritter von Kochel kurz genannt wird, ist zu einem festen Begriff in der Musikwissenschaft geworden, doch die Gestalt seines Verfassers ist in Vergessenheit geraten, obwohl dieser außergewöhnlich vielseitige Mann ein anderes Los verdient hätte.

Werbung
Werbung
Werbung

Ludwig Alois Friedrich Köchl oder Kochel (die unterschiedliche Schreibweise seines Namens finden wir selbst in seinen persönlichen Dokumenten) war der Sohn eines hochfürstlichen Kastenamtsverwalters und Sproß einer alteingesessenen Waldviertler Handels- und Beamtenfamilie. Seine Mutter, Maria Aloisia Stain, entstammte einer bekannten Salzburger Familie. Einer ihrer Vorfahren befehligte als Schloßhauptmann die Feste Hohen-salzburg, ungefähr zur gleichen Zeit, als W. A. Mozarts Vater Vizekapellmeister am erzbischöflichen Hof war. Ludwig Kochel verlor seine Eltern und seine Geschwister mit Ausnahme seines älteren Bruders Friedrich frühzeitig und verbrachte eine einsame, freudlose Jugend. Nach der Grundschule in Stein besuchte er das Gymnasium in Krems und absolvierte anschließend das Studium der Rechtswissenschaften an der Universität Wien.

Nach dem Erwerb der Doktorwürde wurde er Lehrer im Hause des Grafen Phillip von Grünne, des Oberhofmeisters Erzherzog Karls, des Siegers von Aspern. Köcheis hervorragende Eigenschaften als Lehrer und Erzieher erweckten schließlich die Aufmerksamkeit des Erzherzogs, der ihm in den Jahren von 1827 bis

1842 die Erziehung seiner Söhne Albrecht, Karl Ferdinand, Friedrich und Wilhelm anvertraute.

Diese Aufgabe war der Anlaß zu Köcheis ersten großen Reisen. Er begleitete seinen Zögling Erzherzog Friedrich an Bord der Fregatte „Bel-lona“ nach Algier, Portugal, England und Schottland, wo er besonders am Hof von Windsor Castle bedeutende Bekanntschaften machte. Würdigungen für seine Verdienste als Erzieher blieben nicht aus: In seinem 32. Lebensjahr wurde er zum kaiserlichen Rat ernannt, und zehn Jahre später, 1842, erhielt er das Ritterkreuz II. Klasse des Leopoldordens und wurde den Statuten gemäß in den erblichen Ritterstand erhoben.

1843 konnte er sich ins Privatleben zurückziehen und widmete sich ausschließlich seinen vielseitigen wissenschaftlichen Interessen, die ihn nach Italien, Frankreich, der Schweiz und Im Jahre 1853 nach Rußland, Dänemark und Norwegen bis ans Nordkap brachten. Als im Jahre 1850 sein bester Freund, Ritter von Scharschmied, als Präsident ans Salzburger Landesgericht berufen wurde, folgte ihm Kochel nach Salzburg. Hier wurde er noch im selben Jahr zum Gymnasialinspektor und Schulrat für Oberösterreich und Salzburg ernannt. Die anfängliche Begeisterung für dieses Amt legte sich jedoch nach zwei Jahren, da sich Köcheis pädagogische Ansichten nicht mit den damals herrschenden Richtungen in Einklang bringen ließen. — Er war nicht der Mensch, der fähig war, seine eigene Überzeugung zurückzustellen und sich jedermann anzupassen.

Köcheis Charakter schildert sein großer Bewunderer Paul Graf Wal-dersee im biographischen Abriß der 2. Auflage des „Chronologisch-thematischen Verzeichnisses 1905“: „... dem frühreifen und selbstbewußten Ernste des Jünglings gesellten sich bald feine, gesellschaftliche Umgangsformen, eine vornehme Ruhe und Zurückhaltung bei. Eine seltene, vielseitige und dabei gründliche Gelehrsamkeit verlieh ihm später eine gewisse Sicherheit und Überlegenheit, welche von ihm Fernstehenden nicht selten mißdeutet wurde. In geselligem Kreise zeichnete er sich durch seinen Witz aus. Man erkannte bald den edlen Menschen, den wahren Gelehrten. Die tief empfundene Liebe zur musikalischen Kunst, die schwärmerische Verehrung Mozarts milderten die Strenge der Gelehrsamkeit und verliehen dem Umgang mit ihm hohe Reize. Für jene, die ihn nicht näher kannten, galt er für stolz, abweisend und zurückhaltend.. Aus seinem Amt ausgeschieden, widmete sich Kochel nun ausschließlich privaten wissenschaftlichen Studien und kehrte 1863 gemeinsam mit seinem Freund Scharschmied wieder nach Wien zurück. 1874 unternahm er eine erneute Reise nach Süditalien, wobei er sich den Keim zu einem langwierigen Leiden zuzog. Nach drei Jahren unaufhaltsamen Verfalles starb er am 3. Juni 1877 im Palais seines ehemaligen Zöglings Erzherzog Albrecht, der ihm eine freie Wohnung auf Lebensdauer zur Verfügung gestellt hatte. Unter den Klängen von Mozarts „Requiem“, aufgeführt von hervorragenden Musikern dieser Zeit, wurde sein Leichnam in dem inzwischen aufgelassenen Friedhof an der „Linie“ zu St. Marx (heute Wien III) im Grabe seines früher verstorbenen Bruders Friedrich beigesetzt.

Köcheis Ideal war der Typ des Universalgenies, wie ihn der Humanismus hervorgebracht hatte. Er scheute keine Anstrengungen, sich in den verschiedensten Wissensgebieten zu bewähren. Als Musikgelehrter ist er in die Musikgeschichte eingegangen, doch war er ebenso ein vorzüglicher Botaniker und Mineraloge, und das

Land Salzburg verdankt ihm einige naturwissenschaftliche Studien über mineralogische und meteorologische Verhältnisse. Als Botaniker entdeckte Kochel einige Pflanzen neu und benannte sie, die später von den Botanikern Endlicher und Fen-zel mit seinem Namen belegt wurden (Koechlea mitis, Bupleurum Koechelii). — Doch sein musikalisches Interesse war für die Nachwelt am wertvollsten. Zu seinen besten Freunden zählten Männer wie Jahn, Lorenz, Sonnleithner und v. Kara-jan.

Von Dr. Franz Lorenz hatte er die ersten Anregungen zur Mozart-Forschung erhalten, und kurz darauf erschien im Verlag Breitkopf & Härtel Köcheis mühevolles und unsterbliches Werk „Chronologisch-thematisches Verzeichnis sämtlicher Tonwerke W. A. Mozarts“ — es war Otto Jahn gewidmet, der in seiner Vorrede zur Mozart-Biographie Köchels Freundschaft als den „schönsten Gewinn gemeinsamer Bestrebungen“ betrachtete. — Neben Mozart interessierte sich Kochel hauptsächlich für die k. k. Hofmusikkapelle in Wien und deren berühmten Kapellmeister Josef Fux. Zwei heute wenig beachtete Werke waren das Ergebnis von Köcheis Forschungen. Neben unzähligen Artikeln in Fachzeitschriften veröffentlichte Kochel auch 1865 „83 neu aufgefundene Original-Briefe Ludwig van Beethovens an den Erzherzog Rudolf, Kardinal Erzbischof von Ol-mütz.“ — Eine Geschichte der Städte Krems und Stein konnte er nicht mehr fertigstellen und übergab das gesammelte Material der Bibliothek des Vereines für Landeskunde in Niederösterreich zur weiteren Bearbeitung. Seine wertvolle vollständige Sammlung gedruckter und geschriebener Mozartscher Musikwerke sowie fünf Autographe Mozarts vermachte er testamentarisch der k. k. Hofbibliothek.

Ein Thema. Viele Standpunkte. Im FURCHE-Navigator weiterlesen.

FURCHE-Navigator Vorschau
Werbung
Werbung
Werbung