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Künstler in Gold gewertet

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Die Dirigentenkarikaturen auf dieser Seite sind dem bei Laugen-Müller erschienenen Bändchen „Der Maestro“ von Cerard Hoffnung entnommen. — Wir verweisen auch auf das im gleichen Verlag erschienene . Bildwerk „Das Symphonieorchester“ von Cerard Hoffnung und danken dem Langeu-Müller-Verlag, München, f.'.r die Bewilligung der Reproduktionen.

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Die Dirigentenkarikaturen auf dieser Seite sind dem bei Laugen-Müller erschienenen Bändchen „Der Maestro“ von Cerard Hoffnung entnommen. — Wir verweisen auch auf das im gleichen Verlag erschienene . Bildwerk „Das Symphonieorchester“ von Cerard Hoffnung und danken dem Langeu-Müller-Verlag, München, f.'.r die Bewilligung der Reproduktionen.

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Verfolgt man die Bewertung, welche während des Verlaufes der letzten zweihundert Jahre die Leistungen produzierender und nachschaffender Künstler auf dem Gebiet der Musik erfahren haben, so ergibt sich die merkwürdige Tatsache, daß die Komponisten gegenüber den Gesang- und Instrumentalvirtuosen eine bedeutende Zurücksetzung erfuhren. Erst in den letzten Dezennien des 19. Jahrhunderts ist hierin eine Aenderung eingetreten und hat für die materielle Lage der schöpferischen Musiker eine günstige Wendung gebracht.

Bekannt sind die schlechten materiellen Verhältnisse, in denen einige der größten Komponisten vergangener Jahrhunderte lebten. Zeit seines Lebens hatte Mozart mit Geldschwierigkeiten zu kämpfen; Schuberts Hinterlassenschaft bestand aus einigen armseligen Kleidern und Wäschestücken, welche das Gericht auf 63 Gulden einschätzte. Dafür brachte Schuberts Lied „Der Wanderer“ seinem Verleger nach einer Aufstellung aus dem Jahre 1861 allein 27.000 Gulden ein. Und Lortzing verdiente mit seinen Spielopern kaum soviel, um sich und seine Familie erhalten zu können, so daß er, wenn er nicht gerade eine Stelle als Kapellmeister fand, auch als Sänger unterzukommen suchte. Auch Tschaikowsky wurde von seinen Verlegern sehr schlecht bezahlt und war die längste Zeit auf die Unterstützung durch seine ihm persönlich unbekannte Freundin, Frau von Meck, angewiesen. Und Mascagnis „Caval-leria“ brachte dem Komponisten bei d*m Preisausschreiben des Verlagshauses Sonzogno 1000 Lire ein, wenn er auch später an den Tantiemen seiner Welterfolgsoper schwer verdiente.

Aber schon Giuseppe Verdi wurde ein schwerreicher Mann, der bei seinem Tod außer seinem großen Gutsbesitz in Santa Agatha ein horrendes Vermögen hinterließ. Johann Strauß erzielte mit seinen Meisteroperetten hohe Einnahmen, in der neuesten Zeit war es insbesondere Franz Lehär, der sich als der auf der Welt am meisten aufgeführte Komponist der heiteren Muse Millionen erwarb, ebenso wie Richard Strauss mit seinen Opern als Spitzenverdiener aufscheint, dem am nächsten Puccirii kommt. Der Erfolg seiner Opern brachte es mit sich, daß die Verleger dem Maestro für seine erst in Angriff genommenen Arbeiten ein Honorar im voraus bezahlten; so erhielt er 1913 einen Vorschuß von 200.000 Kronen, noch bevor er mit der Vertonung der „Schwalbe“ begann, deren Uraufführung — es handelte sich mehr um eine Operette als um eine Oper — ursprünglich für das Wiener Carltheater bestimmt war. Einige Zeit vorher hatte Puccini eine halbe Million Kronen zurückgewiesen, die ihn zur Komposition eines ähnlichen Stoffes hätten veranlassen sollen .. . Hundert Jahre zuvor wäre ein solcher „materieller“ Glücksfall für einen armen Komponisten ein Wunschtraum gewesen.

Für die großen Gesangvirtuosen des 18. und 19. Jahrhunderts, vor allem für die sich höchster Bewunderung erfreuenden Kastraten, erbrachten ihre Leistungen schon damals glänzende Bezahlung und hohe Ehrungen. So wurde Gaetano Caffarelli in Frankreich, England und

Italien — gleicherweise in Frauen- wie in Männerrollen — begeistert gefeiert. Seinem Künstlerstolz, den er — allerdings berechtigterweise — dem Adel- und Machtdünkel mancher Personen entgegenhielt, mußte sich auch der König von Sardinien beugen, als er den Sänger nur durch inständige Bitten dazu brachte, bei einer Fürstenhochzeit in Turin zu singen. Caffarelli, der als besonders schöner Mensch geschildert wird, war in zahlreiche amouröse Affären und Eifersuchtsduelle verwickelt und wurde namentlich am Hofe Ludwigs XV. ein Abgott der Damenwelt. Selbst gegen den König erlaubte er sich Aeußerungen, die eine arge Verstimmung hervQfjjiefen und zur plötzlichen Abreise Caffarellis aus Paris führten. “Die durch seine Gesangskunst erworbenen Reichtümer ermöglichten es Caffarelli, sich ein Herzogtum im

Königreich Neapel zu kaufen und den vom Papst bestätigten Titel eines Herzogs von Santo Dorato zu führen; seinem Neffen vererbte er seinen fürstlichen Besitz und den Herzogstitel sowie eine Jahresrente von 14.000 Golddukaten.

Von dem berühmten Kastraten Crescentini war Napoleon I., als er den bereits vierzigjährigen Sänger in Wien hörte, so sehr begeistert, daß er ihn mit einem Gehalt von 30.000 Livres an die Pariser Oper engagierte und ihm den

Orden der Eisernen Krone und den Adelsstand verlieh. Und Schopenhauer schrieb über Crescen-tini, der in Wien die Stelle eines Kammersängers und Hofsingmeisters bekleidete, daß „seine übernatürlich schöne Stimme mit keiner Frauenstimme verglichen werden könne“. An Berühmtheit aber übertraf alle der Sopranist Farinelli. Nach unerhörten Triumphen in England wurde er von Königin Elisabeth von Spanien nach

Madrid berufen, um ihrem Gatten, dem trübsinnigen, geisteskranken Philipp V., durch seinen Gesang wenn nicht Heilung, so wenigstens Linderung zu bringen. Allnächtlich hatte Farinelli dem König vier Arien, stets die gleichen, vorzusingen, und dies zehn Jahre hindurch. Durch den ständigen vertrauten Umgang mit dem Herrscherpaar und dessen Nachfolger, Ferdinand VI., erreichte Farinelli eine solche Machtstellung, daß er durch seine Ratschläge in slaatspolitischen Angelegenheiten das damalige Weltreich Spanien lenkte. Mit den höchsten Orden ausgezeichnet und in den Adelsstand erhoben, war Farinelli eine bedeutende Erscheinung in der Geschichte Spaniens imljr. Jabr-hundert.

Einer wesentlich geringeren Wertschätzung erfreuten sich die Mitglieder der Berliner Oper unter Friedrich dem Großen, der sie wegen ihrer hohen Gagenforderungen als „Canaillenbagage“ bezeichnete und ihnen erklärte, er hätte sein Geld notwendiger für Kanonen auszugeben. Bei Widerspenstigkeit ließ er — ein beliebtes Heil- und Zwangsmittel der damaligen Potentaten — seine Sängerstars einsperren, soweit sie sich einer solchen Radikalkur nicht durch die Flucht entzogen.

Wenn es im 18. Jahrhundert vor allem die großen Sänger waren, welche die höchsten Triumphe einheimsten, so liefen ihnen im folgenden Säkulum die weiblichen Gesangskünstler den Rang ab. Die in Italien, England und Frankreich gefeierte Catalani, auch durch ihre Schönheit faszinierend, erhielt für jede Saison in London 96.000 Franken, für ein Auftreten in privaten Zirkeln mindestens 5000 Franken; als Direktrice des Theätre des Italiens in Paris bekam sie eine Jahresgage von 160.000 Franken.

Für eine zehnwöchige Stagione in London bezog die große Malibrin 140.000 Franken. Die Spitzengagen an diese Gesangstars zahlte allerdings Amerika. Die Sopranistin Marcella Sembrich erhielt für ein sechsmonatiges Gastspiel fast eine halbe Million Franken; noch höher wurde Adelina Patti eingeschätzt: Ihr Impresario Mapleson zahlte ihr bei einer Tournee durch'die Vereinigten Staaten ein Abendhonorar von 4400 Dollar. Um aber die gefeierte Sängerin für sich zu gewinnen, machte ihr der Konkurrenzmanager Abbey ein Anbot von 5000 Dollar pro Abend, für 50 Vorstellungen garantiert und die Gesamtsumme von 250.000 Dollar im voraus zahlbar. Zudem verpflichtete er sich zur Bezahlung aller Reise- und Hotelspesen, Beistellung eines nach den speziellen Wünschen der Diva gebauten Salonwagens, einer sechsspännigen Equipage, welche sie von der Bahn ins Hotel bzw. in den Konzertsaal bringen sollte; ihrem Gatten, dem Tenor Nicolini, der ein leidenschaftlicher Jäger war, versprach der geschäftstüchtige Impresario, daß er ihm in der Umgebung der von der Sängerin besuchten Städte eigene Jagden arrangieren würde. Zur Ehre der sonst sehr kühl rechnenden Patti sei gesagt, daß sie trotz alledem ihrem ersten Manager Mapleson treu blieb und das Anbot der Konkurrenz ausschlug.

Eine Gage von 6000 Dollar erzielte die große Albani für jedes ihrer Konzerte in Montreal;

dreißig Jahre später war dies eine Summe, die Enrico Caruso als durchschnittliches Auftrittshonorar bezog. Für sein Gastspiel in Havanna mußte ihm sein Manager Bracale allerdings 10.000 Dollar pro Abend bezahlen und machte trotzdem ein gutes Geschäft. Hätte Caruso noch die Zeit des Tonfilms erlebt, wären seine Einkünfte noch märchenhafter gewesen, wie dies die Einnahmen des vor kurzem verstorbenen Benjamino Gigli aus seiner Filmarbeit beweisen. Allerdings machte der „Nebenverdienst“, welchen bereits Caruso ebenso wie manche seiner berühmten Kollegen aus den Schallplattenaufnahmen erzielten, eine bedeutende, in die Millionen gehende Summe aus, die von den konkurrierenden Firmen ständig in die Höhe getrieben wurde.

In der letzten Zeit erregten die Affären der ebenso kapriziösen wie vielgefeierten Sopranistin Meneghini-Callas großes Aufsehen; ihre plötzlichen Absagen, zumeist mehr auf Launen als auf angebliche Indispositionen zurückzuführen, wurden viel besprochen, ebenso die exorbitant hohen Gagenforderungen der Künstlerin. Es hat fast den Anschein, als ob die Extravaganzen der Meneghini die Direktoren zu immer steigenden Honorarangeboten an die Sängerin ver-anlaßten, um sich dadurch vielleicht vor unvorhergesehenen Absagen zu sichern. Es wäre hoch an der Zeit, daß derartigen, den Idealismus eines Künstlers sehr gefährdenden Praktiken ein Ende gemacht würde.

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