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Österreichs Palestrina

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Von dem Sohn kleiner Bauern in dem steirischen Ort Hirtenberg bei Sankt Marein “am Pickelbach mußte schon ein bedeutendes Kraftfeld ausgehen. Denn er brachte es zuwege, den italienischen Kapellmeistern, die über drei Jahrzehnte den Wiener Hof beherrschten, die Führung aus der Hand zu nehmen.

Daß es ihm gelang, das musikalische Wien ▼or der Verfremdung zu bewahren, ist sein großes, sein dauerndes Verdienst. So wurde er zum Pionier für österreichische Art, gleich seinem Zeitgenossen und engeren Landsmann Fischer von Erlach. Ohne Johann Josef Fux hätte es keine Wiener Vor-und Hochklassik gegeben, ist doch „alles Nene in Wahrheit eine Verbindung von Neuem und Altem.“

Zugegeben, er war das, was wir konservativ nennen. Aber der „Palestrina Österreichs“ — so nennt ihn die Musikgeschichte — stand oder fiel als Bewahrer des Vermächtnisses seines verehrten Meisters. Bewußt kehrte er dem Neuen, das sich ungestüm ankündigte, den Rücken: Bewußt blickte er zurück auf das Lineare, auf die gebundene Form.

Der noch ganz im siebzehnten Jahrhundert Wurzelnde wollte diesen Stil um jeden Preis festhalten. Festhalten! Das war das Gebot seiner Scholle, der er mit der Zähigkeit des Bauern die Treue hielt. Er verteidigte das Überkommene, schwor auf Kontrapunkt und Fuge, liebte die Strenge seines erlauchten Vorbildes. Daß dieser Stil dann nach seinem Tode — er starb am 13. Februar 1741 im Alter von 81 Jahren und wurde in einer Gruft des Friedhofes von St- Stephan bestattet — auch an der Stätte seines Kämpfens und Wirkens den Abschied erhielt, lag im Zug einer Entwicklung, die nicht mehr aufzuhalten war, schmälert aber nicht im ge-•ringsten die bleibenden Verdienste dieses Ganzen.

Uber sein Leben wissen wir leider herzlich wenig. Ursache ist ein Streit, in den Fux mit dem Hamburger Musikschriftsteller Mattheson über die Rolle der Kirchentonarten verwickelt war. Mattheson hatte ihn aufgefordert, ihm Daten für seine „Ehrenpforte“, eine Sammlung von Biographien bedeutender Musiker seiner Zeit, einzusenden. Doch fiel die an der Elbe einlangende Antwort recht spärlich aus. Er könne wohl viel Vorteilhaftes für sich, von seinem Aufkommen, unterschiedlichen Dienstverrichtungen schreiben, „wenn es nit wider d* modestie wäre, seine eigene elogia hervorzustreichen“. Indessen sei ihm genug, daß er würdig geschätzt werde, Caroli VI. erster Kapellmeister zu sein.

Um so bezeichnender ist diese mehr als kurze Selbstbiographie für die hoheitsvolle Geisteshaltung dieses Aufrechten, dessen Bescheidenheit sidi selbst ehrt. Denn was J. J. Fux erreichte, verdankte er keinerlei Protektion, sondern ausschließlich seiner Energie und seinem ungeheuren Können. Führte er doch die österreichische Barockmusik zu ihrem Höhepunkt. Wer sich in Europa für Musik interessierte, nannte seinen Namen mit Achtung, mit Ehrfurcht.

Mit sechsunddreißig ist er Organist bei den Schotten und gründet — das Jahresgehalt beträgt vierhundert Gulden — einen eigenen Hausstand. Mit achtunddreißig wird er Hofkompositeur. Bald darauf erfolgt seine Ernennung zum Domkapellmeister von St. Stephan. Das Jahr 1715 sieht ihn als

Ersten Hofkapellmeister mit einem Jahresgehalt von dreitausend Gulden, einem nach damaligen Begriffen sehr beachtlichen Betrag. Und als 1723 anläßlich der Krönung Karls VI. zum König von Böhmen seine Oper „Con-stanza e Fortezza“ (der allegorische Titel wurde nach dem Wahlspruch des Kaisers „Standhaftigkeit und Tapferkeit“ gewählt) in dem viertausend Zuschauer fassenden Amphitheater aiuf dem Prager Hradschin ihre Uraufführung erlebte, wurde Fux, der damals im Zenit seines Schaffens stand, weil leidend, in einer Staatssänfte nach Prag getragen. Da saß er neben den Fürstlichkeiten des Kontinents auf einem Ehrenplatz und ~wohnte der prunkvollen Festlichkeit bei, an der 250 Orchestermusiker, 100 berühmte Sänger und ein fast doppelt so starkes Ballett mitwirkten.

Fux hatte achtzehn Opern komponiert, die sich großer Beliebtheit erfreuten. Die Oper „Elisa“ wurde sogar von Karl VI. persönlich dirigiert. „Es ist schade“, meinte Fux nach der Aufführung, „daß Eure Majestät kein Kapellmeister geworden sind!“ Worauf der Kaiser bemerkte: „Hat nichts zu bedeuten; habe es halt auch so besser.“

Diese Opern waren revueartige Schaustücke mit italienischem Text und behandelten mythologische Stoffe, wie sie das Barock liebte. Groß aufgezogene Spektakelstücke für Freilichtaufführungen des Wiener Hofes. Doch offenbart sich auch in ihnen die frische, gesunde Musizierfreudigkeit des steirischen Altmeisters; bei allem Pathos auch seine Volksnahe, mit der er die Brücke zu Haydn und Mozart schlug, österreidiisch ist seine Musik, kräftig und urwüchsig, überraschend durch ihren inneren Reichtum und ihr harmonisches Klangbild.

Fux war also mehr als ein hervorragender Theoretiker. Das epochale Lehrbuch für Komposition „Gradus ad Parnassum“, aus dem Lateinisdien bald nach seinem Erscheinen ins Deutsche, Italienische, Französische und Englische übersetzt, machte seinen Verfasser nicht nur bei den Zeitgenossen berühmt, sondern gilt auch heute noch als Grundlage kontrapünktischen Studiums. Es hat zwei Jahrhunderte überdauert und nicht nur Haydn, Mozart und Cherubini, sondern auch Schubert, Sechter und Bruckner lernten daraus. Bezeichnend für J. J. Fux, daß er, bei aller Betonung strenger Gesetze, ausdrücklich auf die Freiheit des Künstlers hinweist und sie als selbstverständliche Voraussetzung betrachtet.

Johann Josef Fux war ungemein vielseitig. Seinem Ausspruch: „Die Musik ist ein unerschöpfliches Meer, das in Nestors Jahren nicht auszuschöpfen ist“, entsprach die Zahl seiner Werke. Er schrieb außer den schon erwähnten aditzehn Opern zwölf einaktige szenisch'e Abendmusiken, zehn Oratorien, neunundzwanzig Partiten (Ouvertüren) für Kammerorchester, achtunddreißig Triosonaten, drei Requiem-, fünfzig Messen, siebenundfünfzig Psalmen und Vespern. Eine erstaunliche Fruchtbarkeit also. Trotzdem sind seine Werke, von einigen Partituren in den „Denkmälern der Tonkunst in Österreich“ abgesehen, noch nicht gedruckt. Hier gilt es also, Versäumtes nachzuholen. Es sei nur daran erinnert, daß im Jahre 1904 Schüler des Steiermärkischen Musikvereines auf Anregung ihres Lehrers Anton Seydler am Geburtshaus des steirischen Altmeisters eine Gedenktafel anbringen ließen. Eine Ehrung, die ja schon lange fällig gewesen war. Ist ja doch J. J. Fux einer der größten Söhne der Steiermark. Und wenn er, nicht nur von sich, ein gründliches, genaues Arbeiten und solides Können forderte und durch unablässige Selbstzucht der anerkannte Meister des strengen Satzes und der repräsentative Vertreter des polyphonen Wiener Stils wurde, so geschah dies nicht nur aus innerem

Verantwortungsbewußtsein, sondern auch mit Rücksicht auf die hervorragenden Qualitäten der Wiener Hofmusikkapelle und auf die hohe Ansprüche seiner Zuhörer, die äne kultivierte Sprache voraussetzten.

J. J. Fux verdient eifrige Pflege. Große Verdienste hat sich ja schon der Musikverein für Steiermark erworben, der vor einigen Jahren unter Hermann von Schmeidel nach

handschriftlich hergestelltem Material ein-“ zelne Werke aufführte. jLJnd wenn der Wunsch laut wurde, es möge bald eine Zeit kommen, die nicht nur Liebhaber nach seinen Kompositionen greifen läßt, eine

Zeit, in der das ganze Lebenswerk des größten Barockkomponisten zugänglich gemacht ist, so können wir uns diesem Wunsch nur vollinhaltlich anschließen.

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