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Ein Wiener Geograph der Biedermeierzeit

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Während in Deutschland zu Beginn des 19. Jahrhunderts Alexander von Humboldt und Karl Ritter* die im tiefsten Wesen der modernen wissenschaftlichen Erdkunde begründeten Riditungen der physischen und historischen Geographie sdiufen, wirkte in ihrem Sinne — aber. zunächst unabhängig von ihnen — in Wien der Geograph und Landeskundler Wenzel Carl Wabru-schek-Blumenbach.

Im Sterbejahr Mozarts (1791) in Wien-Spittelberg geboren, wurde er im oberösterreichischen Zisterzienserstift Wilhering erzogen. Dort fiel der Neunjährige bereits 1800 dem französisdien General Jean Victor Moreau durch seine hervorragenden geographischen Kenntnisse derart auf, daß er ihn an die Prytanee rnilitair- zu La Fleche in Frankreich bringen wollte, wo zum Beispiel Prinz Eugen von Savoyen studiert hatte. 1803 trat Blumenbach in das „K. k. Convict“ und in das „Akademisdie Gymnasium“ in Wien ein und bezog hier 1805 die Universität, um Geographie, Mineralogie, Tedinologie, Statistik Änd Jura zu studieren. 1809 wurde er Mitarbeiter, und 1S13 Sekretär am Wiener „Cosmographi-schen Institut“ des Joseph'Marx Freiherrn von Liechtenstern. 1815 trat er als Kustos in das- vom Kronprinzen Ferdinand gegründete „Vaterländisch-Technologische Ca-binett“ ein, das 1840 dem k. k. Polytechnischen Institut — der heutigen Tedinischen Hodischule — angegliedert wurde. Hier blieb er bis zu seinem am 7. Aoril 1847 erfolgten Tod *. Ähnlich Mozarts Gebeinen wurde auch sein Leichnam in einem Massengrab auf dem St.-Marxer Friedhof bestattet, so daß seine Grabstätte unbekannt ist. Weder hier noch an seinem Sterbehaus (Wien, IL, Rothe Sterngasse 26) erinnert ein Denkstein an diesen großen Landeskunder der Biedermeierzeit.

Blumenbach hatte aus eigener Anschauung versdiiedene Gegenden der österreichischen Monardiie kennengelernt und wurde da- ' durch wie A. v. Humboldt auf eine geographische Behandlung seines Stoffes hingewiesen. Er stellte aber auch genau so wie Karl Ritter den Menschen in den Mittelpunkt seiner Forschung. Diese Grundzüge neuartiger geographischer Betrachtungsweise zeigen die von Blumenbach bereits mit 14V* Jahren (1 80 5) geschriebenen „Bemerkungen über die natürliche Beschaffenheit und den Kulturzustand des March-fcldes und seiner Bewohner“ in ihren Kapiteln „Ursachen der geringen Cultur des Marchfeldes“, „Ursachen der geringen Cultur der Bewohner des Marchfeldes“ „Allgemeine Bemerkungen über den häuslichen und sittlichen Zustand der Marchfelder“ und „Allgemeine Bemerkungen über die physikalische Beschaffenheit des Marchfeldes“. In dieser Arbeit verlangte Blumenbach zum Schutze des Mardifeldes vor den Donauhochwässern die Erbauung eines Dammes vom Bisambcrg bis an die March, zur Milderung der dadurch im südlichen Marchfeld zu erwartenden Austrocknung die Errichtung eines Kanals von Jedlesee bis Eckartsau, zur Bannung der Flugsandverwüstungen im Marchfeldinnern eine energisch betriebene Aufforstung und zur Hebung des Verkehrs die Schiffbar-machung der March durch Errichtung von Schleusen. Nicht alle diese Forderungen Blumenbachs wurden bis heute restlos durchgeführt. — Diese Arbeit wurde 1808 in den „Vaterländischen Blättern für den österreichischen Kaiserstaat“ veröffentlicht, in denen bis 1820 aus der Feder Blumenbadis 61 weitere Aufsätze ersdiienen. Schon diese erste Arbeit Blumenbachs Zeigt ienen klaren Blick für geographisch-landeskundliche Fragen, die seinen späteren umfangreichen und grundlegenden wissensdiaft-lichen Werken nadigerühmt wurde.

Unmittelbar nach Beendigung des Wiener Kongresses erregte Blumenbach durch Herausgabe seiner „Neuesten Landeskunde des Erzherzogthums Österreich unter der Enns“ Aufsehen und Bewunderung. 1834/35 brachte Blumenbach diese „Landeskunde “usw.“ in zwei Bänden neu heraus, nachdem er 1830—1833 den 13., 14. und 18. Band für J. A. Schütz' „Allgemeine Erdkunde“ als „Neuestes Gemähide der österreichischen Monarchie“ geschrieben hatte. Daraus veröffentlichte er einen „Kurzen geographischen Abriß des österreichischen Kaiserthums“ (1840). Während er über Vorschlag des Direktors des Polytechnikums, Johann Joseph von Prechtl, im Auftrage der Studienhof-kommission ein „Lehrbuch der Geographie zum Gebrauch der Realschulen in den k. k. Staaten“ ausarbeitete, ereilte ihn am 7. April 1847 der Tod.

Die „Neueste Landeskunde von Österreich unter der Enns“ bildete lange Zeit die Grundlage jeder geographischen Arbeit über Niederösterreich. Die „Topographie von Niederösterreich“ erwähnte lobend die Reichhaltigkeit des Materials und die Neuartigkeit der Methode Blumenbachs nach Form und Inhalt und wies besonders auf den „geographischen Teil, die interessante und instruktive Schilderung von Land und Leuten, des Bodens und der Bewirtschaftung, des Volkes in allen seinen' Abstufungen und charakteristischen Eigentümlichkeiten“ hin. Neben den modernen Geographen Dr. Anton Becker, Dr. Heinrich Güttenberger und Dr. Hans Slanar, urteilte Universitätsprofessor Dr. Eugen Oberhummer anerkennend über die Arbeiten Blumenbachs, wenn er 1921 in seinem Werke „Die Entwicklung der Landeskunde von Niederösterreich“ schrieb: „Methodisch ungleich höher steht die für ihre Zeit ausgezeichnete ,Neueste Landeskunde des Erzherzogtums Österreich unter der Enns' von Carl W. Blumenbadi, eine lesbare, audi die physikalischen und wirtschaftlichen Verhältnisse des Landes umfassende Darstellung mit kritischen Literaturnadiweisen, wobei die .Topographie* nur als Anhang behandelt ist.“

Blumenbach war es also, der in Österreich durch seine Werke das Aufblühen der geographischen Wissenschaft veranlaßte. Darum sei seiner als Bahnbrecher und Wegbereiter der österreichischen Landes künde in Dankbarkeit und Werisdiätzun; gedacht! ,

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